Schon in der Ratsversammlung im Mai war das ausstehende Klimaschutzprogramm der Stadt Thema. Schon 2020 hätte es eigentlich im Entwurf vorliegen müssen, um das Klimaschutzprogramm 2014–2020 abzulösen. Aber da fehlten die Leute, die es fertigmachen könnten, berichtete Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal im Mai. Am 24. Juni stand er wieder Rede und Antwort.

Wieder hatten die Grünen nachgefragt, denn inzwischen gibt es ja das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das auch Deutschland zu deutlich mehr Klimaschutzbemühungen verdonnert.Der Bund muss seine Ziele also deutlich erhöhen. Und Leipzig muss auch die neuen Bundesziele aufnehmen. Und das, wo OBM Burkhard Jung im Juni 2020 bei Vorstellung des Sofortmaßnahmenprogramms  schon eingestehen musste, dass die Ziele des alten Klimaschutzprogramms verfehlt wurden. Freiwilligkeit und ein paar kleine Alibiprojekte genügen nun einmal nicht, eine Stadt auf den Klimapfad zu bekommen.

Das ratlose CO2-Männchen im Sofortmaßnahmenprogramm vom Juni 2020. Grafik: Stadt Leipzig
Das ratlose CO2-Männchen im Sofortmaßnahmenprogramm vom Juni 2020. Grafik: Stadt Leipzig

Am 24. Juni nun freute sich Heiko Rosenthal sogar, dass es durch das starke Bevölkerungswachstum nicht gar noch zu negativen Effekten gekommen sei. Heißt übersetzt: Das Pro-Kopf-Aufkommen an CO2 ist nicht gestiegen.

Aber es ist eben auch nicht so gesunken, wie es der Stadtrat beschlossen hatte: um jeweils 10 Prozent jedes Jahr. Das Ziel für 2020 – immerhin 4,47 Tonnen CO2 pro Einwohner – wurde deutlich verfehlt. Auch wenn keine neueren Zahlen ab 2018 vorliegen, ging auch das Umweltdezernat im Juni 2020 davon aus, dass das Pro-Kopf-Aufkommen seit 2017 bei 5,7 Tonnen stagniert.

Das waren zwar 0,9 Tonnen weniger als 2013. Aber die resultieren eher daraus, dass die Wirtschaft in Leipzig nicht mehr CO2 emittierte, sich die Gesamtsumme also auf deutlich mehr Einwohner verteilte und so statistisch sank. Leichte Einsparungen wurden im Wohnbereich erreicht, möglicherweise durch das ambitionierte Fernwärmeprogramm der Stadtwerke. Und den geringsten Beitrag lieferte die Mobilität, wo sich vor allem der zunehmende Radverkehr positiv auf die Bilanz auswirkt.

Und trotzdem hat es nicht gereicht, auch nur das Ziel für 2020 zu erreichen. Das ratlose Männlein auf der 2020 ausgereichten Grafik steht durchaus auch für die Ratlosigkeit der Stadtverwaltung, die nicht wirklich weiß, wie sie die Zahlen noch weiter drücken kann. Denn ein derart rigoroses Handeln ist im deutschen Kommunalrecht nicht vorgesehen.

Und auch Rosenthal ahnt, dass auch das nächste Energie- und Klimaschutzprogramm für Leipzig scheitern könnte, wenn Wirtschaft, Gesetzgeber und Privathaushalte nicht mitziehen und ihrerseits die Emissionen drastisch senken.

Und mit drastisch ist diesmal wirklich drastisch gemeint, denn so viel verriet Rosenthal am 24. Juni zumindest: Leipzigs Ziele sind mit dem neuen Klimaschutzprogramm nicht mehr die 1,3 Tonnen, die bislang für das Jahr 2030 als Ziel standen, sondern letztlich sogar 0,25 Tonnen (mit Kompensationen 0,0 Tonnen), auch wenn er dafür noch kein Zieljahr nannte.

Und so schwer, wie sich deutsche Politik derzeit tut, dürften selbst die 1,3 Tonnen bis 2030 weiterhin ein sehr hochgestecktes Ziel sein, das auch mit dem neuen Gaskraftwerk der Stadtwerke nicht erreicht wird, mit dem Leipzig 2023 endlich den Kohleausstieg schaffen soll.

Denn letztlich bedeutet selbst dieser Zielwert, dass sich die Stadt fast komplett aus erneuerbaren Energien – Wind und Solar – versorgen muss. Und damit auch der komplette Straßenverkehr, wobei es eher illusorisch ist, dass bis 2030 nur noch elektrische Autos in Leipzig fahren oder gar der Straßenbahnverkehr so ausgebaut wird, dass sich die Anteile der Tram am Modal Split deutlich erhöhen und statt 100 Millionen Fahrgästen wie im Corona-Jahr 2020 dann 250 Millionen mit der Straßenbahn fahren.

Aber wie Leipzig auf die 0,25 Tonnen pro Kopf und Jahr kommen will, verriet Rosenthal am Donnerstag noch nicht. Das neue Energie- und Klimaschutzprogramm sei aktuell in der Abstimmung innerhalb der Verwaltung und im Nachhaltigkeitsbeirat. Der extra eingerichteten Leipziger Klimakonferenz werde der Entwurf auch noch zugeleitet.

Zur Beschlussfassung im Stadtrat vorgesehen ist es im vierten Quartal 2021. Und insbesondere die Leipziger For-Future-Bewegung wird sich das Papier sehr genau anschauen, ob es überhaupt realistische Annahmen hat, auf deren Grundlage es umgesetzt werden kann. Und ob überhaupt Maßnahmen drinstehen, die einen Minderungspfad hin zu 0,25 Tonnen CO2 für machbar erscheinen lassen.

Dass die Verwaltung oft mehr verspricht, als sie halten kann, wurde ja gerade am Pilotprojekt „Freisitzstraße“ Gottschedstraße deutlich, dessen Umsetzung an rechtlichen Hürden scheitert, wie Baubürgermeister Thomas Dienberg erklärte. Und dabei erschien gerade dieses Projekt als das leichteste unter allen.

Wir haben also augenblicklich den Befund, dass Leipzigs Stadtverwaltung sehr wohl weiß, wo man mit den Emissionen in der Stadt hin muss, wenn man die eigenen Klimaziele erreichen will. Ob das neue Klimaschutzprogramm mutiger ist, was die Schritte dahin betrifft, ist bislang offen. Das erfahren wir erst, wenn das Papier in die öffentliche Beteiligung geht.

Die Debatte vom 24. Juni 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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