Im März 2019 war das, als Leipzig seine Wunschliste zum Strukturwandel nach der Braunkohle vorstellte. Sie beinhaltete Projekte im Umfang von stattlichen 2,3 Milliarden Euro. Darunter war auch eine Ballsport-Großhalle für 75 Millionen Euro auf dem alten Messegelände. Aber es ist still geworden um diese Halle. Linke-Stadtrat Oliver Gebhardt wollte jetzt wissen, ob diese Halle nun geplant ist oder nicht,
Geantwortet hat ihm jetzt das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport. Und der Bürger darf durchaus staunen, denn nach drei Jahren ist immer noch nicht klar, ob so eine Halle tatsächlich die Effekte hat, die sich die Verwaltung 2019 ausgemalt hat. Damals aber begründete man die schnell zusammengeschriebene Wunschliste damit, dass es eben schnell gehen musste, weil die Listen abgegeben werden sollten. So kamen lauter unfertige Projektideen aus sämtlichen Dezernaten in die Leipziger Liste. Wer macht eigentlich so eine Politik?Selbst dann, wenn es vier Milliarden Euro Strukturförderung vom Bund gibt, um die wirtschaftlichen Folgen für die Braunkohleregionen abzufedern? Gerade dann sollte man doch klug überlegen, welche Projekte wirklich eine sinnvolle Wirtschaftsförderung für die Zukunft wären. Aber die ganze Eile hat nur dazu geführt, dass die Bürger in der mitteldeutschen Kohleregion gar nicht erst gefragt wurden, welche Projekte in die Sammelliste kamen.
Im Grunde bestätigen die Antworten aus dem Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport, dass Leipzigs Verwaltung 2019 überhaupt noch keine Idee davon hatte, ob eine Ballsporthalle für 10.000 Besucher in Leipzig überhaupt funktionieren würde.
Das Dezernat erklärt zwar: „Eine Machbarkeitsstudie für das Baufeld 17 der Alten Messe Leipzig wurde durch die LEVG mbH & Co. KG/WEP Gruppe erstellt.“ Aber eine wirklich belastbare Machbarkeitsstudie war das nicht, denn Erkenntnisse „zur Umsetzbarkeit des Projektes am damals vorgesehenen Standort“, wie Gebhardt gefragt hatte, konnte Oberbürgermeister Burkhard Jung aus diesem Papier sichtlich nicht gewinnen.
Im Grunde war die erste „Machbarkeitsstudie“ nur die Vorstufe zu einer richtigen Machbarkeitsstudie. Wenn Ämter erst mal begonnen haben, eine Idee zu verfolgen, dann sind sie wie Automaten ohne Ausschaltknopf.
In der Antwort klingt das so: „Auf Grundlage eines Fragenkataloges der Sächsischen Staatskanzlei ,Mögliche Rahmenvorgaben und Kriterien für die Erstellung einer Machbarkeitsstudie für den Neubau einer Ballsporthalle Leipzig‘ wurde der Leistungsumfang für die Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie auf dem Baufeld 17 der Alten Messe Leipzig festgelegt. Mit der Machbarkeitsstudie sollte eine realistische und wirtschaftlich darstellbare Nutzung des Baufeldes 17 als Standort für eine solche Halle mit 10.000 Zuschauerplätzen geprüft werden. Über den Sachstand und die Machbarkeitsstudie nebst Anlagen wurde in einer Informationsvorlage (Nr. VI-Ifo-06843) in der DB OBM am 11.03.2019 informiert.“
Da blieb es dann auch. Die Öffentlichkeit blieb außen vor.
„Als Bestandteil der erweiterten Machbarkeitsstudie ist die Erarbeitung einer Markt- und Wirtschaftlichkeitsanalyse, einschließlich Potenzialanalyse durch einen externen Partner notwendig“, stellt nun das Sportdezernat fest. „Die Ausschreibung der Untersuchungen ist mit dem Freistaat abgestimmt und final vorbereitet. Beide Analysen sind Voraussetzung für das erforderliche beihilferechtliche Notifizierungsverfahren.“
Aber dass sich da die Partner aus Stadtverwaltung und Regierung schon einig sind (Sachsen will das Projekt ja fördern), wird deutlich, wenn das Sportdezernat den Termin nennt, wann die Halle in Betrieb gehen soll: „Die Zeitschiene ist abhängig vom Ergebnis der Standortentscheidung, den Finanzierungsmöglichkeiten und den notwendigen Beschlüssen im Stadtrat. Die Fertigstellung/Inbetriebnahme wird zur Handball-WM der Männer 01/2027 angestrebt.“
Was also schon mal halb geschummelt ist. Denn die Terminsetzung Handball-WM 2027 sorgt schon jetzt für hohen Druck. Und den wird Leipzigs Verwaltung auch bald auf den Stadtrat ausüben, denn der muss einige wesentliche Schritte für den Bau dieser Halle befürworten. Wenn er ablehnen sollte, stirbt eine schillernde Idee.
Die nicht wenig Geld kosten wird, wie das Sportdezernat bestätigt: „Das Projekt soll im Rahmen des Förderprogrammes StEP Revier (Sächsisches Strukturentwicklungsprogramm in den Braunkohlerevieren) umgesetzt werden. Der Kostenrahmen gem. Machbarkeitsstudie aus 2019 beläuft sich auf ca. 88,1 Mio. EUR.“
Womit sich die geschätzten Kosten schon mal um über 10 Millionen Euro erhöht haben. Was die Halle wirklich kosten wird, weiß auch Leipzigs Verwaltung erst, wenn die Pläne vorliegen: „Der Kostenrahmen wurde über den Flächenansatz ermittelt. Eine detaillierte Kostenberechnung erfolgt im Rahmen der Planungsphase des Projektes und wird dem Stadtrat spätestens zum Baubeschluss vorgelegt. Veränderungen in der Aufgabenstellung, Baupreissteigerungen und/oder Gesetzesänderungen können zu Veränderungen der Kosten führen. Es wird von einer mindestens 90 %-igen Förderung durch den Freistaat Sachsen ausgegangen.“
Und wie ist das mit dem Standort, wollte Gebhardt noch wissen? Hat man den schon festgelegt? Und siehe da: Es gibt eine weitere Überraschung.
„Aufgrund der Größe und Bedeutung des Projektes ist es wichtig, im Vorfeld einer finalen Standortentscheidung alternative Varianten zu prüfen und im Ergebnis einer wirtschaftlichen Betrachtung gegenüberzustellen“, antwortet das Sportdezernat.
„Die finale Standortentscheidung trifft der Stadtrat im Rahmen des vorgesehenen Planungsbeschlusses. In Vorbereitung einer solchen Entscheidungsvorlage laufen derzeit Gespräche zu einer Machbarkeitsstudie am Standort der Neuen Messe. Hintergrund ist eine mögliche Nutzung bereits vorhandener Infrastruktur, die es insbesondere im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit zu prüfen gilt.“
Bisher war die alte Messe als Standort angedacht – zentral gelegen, mit dem ÖPNV gut erreichbar (auch wenn sich die Stadt schwertut, hier eine weitere Straßenbahnanbindung zu denken). Als der Fußballclub RB Leipzig mit dem Gedanken spielte, an die Neue Messe zu ziehen mit einem neuen Stadion, tat Leipzig alles, um den Fußballclub im Zentralstadion zu halten. Jetzt soll die Handballhalle an die Neue Messe.
Und dort will man gar gleich zwei Varianten prüfen, was im Grunde auch schon signalisiert: Jetzt wird es eilig. Und hier hat man schon Strukturen, die man nutzen kann. Sogar ganze Messehallen, die die Messe für große Publikumsveranstaltungen wohl nicht mehr braucht. Die beiden Varianten sind:
- den Umbau einer bestehenden Messehalle
- und die Prüfung eines Neubaus auf einer Freifläche im Eigentum der Messe.
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