Es klingt erst einmal nach einer ziemlich obrigkeitlichen Maßnahme, wenn die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat jetzt beantragt, der Oberbürgermeister solle per Gesellschafteranweisung die Leipziger Kommunalbetriebe anweisen, auf den Kauf von Verbrennerfahrzeugen ab sofort zu verzichten. Aber Fakt ist: Leipzig verfehlt aktuell selbst die selbst gesetzten Klimaziele. Und das ist genau deshalb so, weil auch städtische Betriebe immer noch so tun, als könne man sich mit Inkonsequenz einfach noch ein paar Jahre durchmogeln.

Eine Stadtratsanfrage der Linksfraktion hatte zum Vorschein gebracht, dass der größte Teil der neuen Pkw, die diejenigen Betriebe der L-Gruppe seit dem Beschluss zum Klimanotstand 2019 angeschafft haben, nach wie vor Autos mit Verbrennermotor sind. Ein Vorgang, der den Beschlüssen zum Klimanotstand völlig verquer läuft, genauso wie der kurz zuvor gescheiterte Versuch der Stadtverwaltung, für die Bürgermeister/-innen ebenfalls wieder Dienstfahrzeuge mit Verbrennermotor anzuschaffen.Wie will die Stadt Leipzig es bei solchen Halbherzigkeiten schaffen, ihre CO2-Bilanz jemals zu halbieren oder gar zu dritteln, von 6 Tonnen CO2 pro Einwohner auf 2 Tonnen? Das ist auf diese Weise unmöglich. Das funktioniert nur, wenn sich nicht nur die Schönwetterreden ändern, sondern auch das tägliche Handeln.

Die Sache wird noch deutlich brisanter, wenn man die jüngsten Erkenntnisse der Deutschen Umwelthilfe danebenlegt, die wieder neue Abschaltvorrichtungen in deutschen Diesel-PKW der aktuellen Produktion nachgewiesen hat. Die Tricksereien der Hersteller gehen also unvermindert weiter. Eine Inkonsequenz reicht der anderen die Hand.

Und so beantragt die Linksfraktion jetzt: „Der Oberbürgermeister weist per Gesellschafterweisung alle kommunalen Beteiligungsunternehmen an, die Beschlüsse des Klimanotstandes umzusetzen und auf die Anschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu verzichten.“

Dass es für einige Spezialfahrzeuge noch keine E-Modelle gibt, ist den Linken durchaus bewusst. Über Ausnahmen sollen deshalb der Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung sowie der Verwaltungsausschuss jährlich informiert werden, wobei zu begründen ist, warum die angeschafften Fahrzeuge alternativlos waren. Und im jährlichen Umsetzungsbericht zum Energie- und Klimaprogramm soll künftig auch eine Statistik veröffentlicht werden, „aus der hervorgeht, wie viele Fahrzeuge jeweils in den Eigen- und Beteiligungsunternehmen angeschafft wurden und wie viele davon Ausnahmen vom Klimanotstandsbeschluss darstellen. Die Fahrzeuge sind nach Nutzfahrzeugen und PKW aufzuschlüsseln.“

Die Linksfraktion zitiert direkt aus dem Beschluss des Stadtrates zum Klimanotstand: „Die Anschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Basis fossiler Energieträger in der Stadtverwaltung, den Eigenbetrieben und den Beteiligungsunternehmen, bei denen die Stadt die zur Durchsetzung erforderliche Mehrheit der Anteile hält, wird ab sofort eingestellt. Über Ausnahmen entscheidet der Stadtrat.“

Es steht genau so in der am 30. Oktober 2019 noch einmal kräftig erweiterten Fassung.

In der Antwort auf die jüngste Anfrage der Fraktion Die Linke wurde allerdings klar, dass sich die Umsetzung dieses Beschlusspunktes zwischen den Beteiligungsunternehmen und Eigenbetrieben unterscheidet. Fast die Hälfte der PKW (42), welche von der L-Gruppe im letzten Jahr angeschafft wurden, waren reine Verbrenner, 20 PKW hatten einen Hybridantrieb und weniger als ein Drittel (20 PKW) waren reine Elektrofahrzeuge. Von den 65 neuen Nutzfahrzeugen basierten 54 Fahrzeuge auf fossilen Energieträgern.

„In den Eigenbetrieben wurde unserer Kenntnis nach kein einziger PKW mit Verbrennungsmotor angeschafft“, stellt die Linksfraktion fest. „Der Klimanotstand ist allerdings ein Beschluss des Leipziger Stadtrates. Als solcher ist er für die Verwaltung bindend und nicht bloß eine Empfehlung und hätte längst per Gesellschafterbeschluss an die Beteiligungsunternehmen weitergegeben werden müssen. Da dies offensichtlich nicht geschah, schärfen wir hiermit den Beschluss nach.“

Über Ausnahmen in den Eigenbetrieben (Oper, Gewandhaus, Zoo usw.) entscheidet der Stadtrat im Einzelfall. Aber die Kontrolle in den Beteiligungsunternehmen obliege dem Oberbürgermeister bzw. dem Verwaltungsausschuss als Beteiligungsausschuss, stellt die Linksfraktion fest: „Dass die Anschaffung von PKW mit Verbrennungsmotoren erst durch eine Anfrage ersichtlich wurde, zeigt, dass hier bezüglich Transparenz und Einbindung des Stadtrates und der Bevölkerung noch Defizite vorherrschen. Um diesen entgegenzuwirken, soll sowohl dem Stadtrat als auch der Stadtbevölkerung regelmäßig berichtet werden.“

Man ahnt, warum Leipzig bei seinen Klimaschutzplänen nur im Schneckentempo vorankommt. So mancher steckt bis zu den Ohren noch im alten Denken und will nicht wirklich verstehen, dass die Zeit zum Gegensteuern unbarmherzig abläuft.

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Es gibt 4 Kommentare

Also eine mundgemachte Sortierung möchte ich jetzt nicht bieten. So schlimm lang war der Text nicht, um ihn – schlechte Strukturierung angenommen – nicht verstehen zu können.

Was ich im Kern liefern wollte war eine Einordnung Ihres Satzes “Von den Leipziger Verkehrsbetrieben und von der Leipziger Stadtverwaltung habe ich eigentlich schon ab ca 2010 erwartet[…]”.
Zu dieser Zeit, und vermutlich auch heute dürfte es einfach noch nicht möglich gewesen sein, Ihre Erwartungen zu erfüllen. Ein elektrischer Gelenkbus, der den ganzen Tag durch die Stadt fährt, der hätte wohl noch einen weiteren Akku hinter sich her gezogen. Vom Beschaffungspreis ganz abgesehen.

Zu CO2-Emissionen habe ich nichts geschrieben, auch nicht über “meine Sorgen”. Teefilter, Feindbilder…ich bleibe mal beim Wesentlichen.

Die Umweltzone ließ Autos draußen, die ungefähr dem Stand Golf 4 TDI (1997-2003) und älter entsprachen. Bevor es jemand ganz genau meint: Ja, der AXR-Motor und der Lupo 3L kamen auch ohne Filter rein.
Diese alten Autos betrifft der Dieselskandal aber gar nicht. Und auch die, die es betrifft, sind doch inzwischen weitestgehend geupdatet. Im Vergleich Dresden-Leipzig, ich bleibe mal dabei, hat sich doch dabei im Wesentlichen nichts geändert. Die bekommen ohne Umweltzone das hin, was wir mit dieser Maßnahme schaffen. Beide hatten Fahrzeuge mit manipulierter Technik in der Stadt, beide auch direkteinspritzende Benziner ohne Kat (bekommen sofort die grüne Plakette!).
Es bleibt für mich eine Maßnahme, die man zurücknehmen könnte, wenn man ehrlich wäre. Aber der Zeitgeist verbietet es. Und es ist lediglich Zeitgeist, der erwartet und bis ins Detail akribisch überwacht, dass auch noch das letzte Müllauto elektrisch angetrieben werden muss…

2010, darauf verweisen Sie, war Leipzig noch richtig betroffen von Krise usw. Ich genoss damals als ALG2-Empfänger die großzügige Stadtpolitik, bekam die Weiterbildungen, die ich mir wünschte, durfte in städtische Einrichtungen viel günstiger als es später als Erwerbstätiger möglich war und verglich, wie wenig in manch anderer Stadt “ging”. In diesem Thema hat sich Leipzig wirklich sozial gegeben meiner Meinung nach, vor allem im direkten Vergleich mit Erfahrungen der Ämter aus Radebeul oder Meißen.

Für teure elektrische Busse hatte man einfach kein Geld als Stadt, die in der monatlichen Arbeitslosenstatistik auf der Höhe der Oberlausitz war! Deswegen finde ich Ihre Erwartung einfach unrealistisch.

Ach, bitte, Ihre Argumente sind mir schon zu sehr 2014 (ungefähr) und auch etwas unsortiert.

Die Umweltzone hat mit der Feinstaubbelastung zu tun und nicht mit der CO2-Belastung.

Dass die Erfolge sich nicht einstellen wollten, war auch dem Dieselskandal geschuldet.

Das war ja das, warum sich die UFZ-Wissenschaftler gewundert haben, warum trotz Umweltzone die Belastung bestimmter Feinstaubarten nicht zurückging. Ja, man kann Dieselpartikel von Reifenabriebpartikel unterscheiden. In den Messtationen (des Leipziger Autofahrers liebstes Feinbild steht am Hallischen Tor) sind die Filter nicht bloß bessere Teefilter.

Was E-Busse angeht, ist die Technik längst weiter. Machen Sie sich einfach keine Sorgen.

Bei den öffentlichen Geldern tun Sie jetzt gerade so, als ob es bei E-Mobilität ein Rausschmeißen zum Fenster wäre.

Apropos 2014… genau… bringen Sie bitte Ihre Argumentation einfach auf einen neueren Stand. Danke.

Es gibt halt auch Themen, da weiß man, dass es wenig bringt oder gar Nachteile entstehen. Die Umweltzone ist ein schönes Beispiel. 2011 habe ich mir für teuer Geld einen Partikelfilter einbauen lassen, um weiter auf die Arbeit ins schöne Anhaltinische fahren zu können. Die Nachrüstfilter waren bekanntermaßen offene Systeme, also nicht besonders effizient. Aber hauptsache Stempel drauf!

Überall um die Stadt haufenweise Schilder, Kontrollmehraufwand für Ordnungsbehörde, richtig Kosten für alle möglichen Leute und ansässige / einfahrende Firmen. Diskussionsaufwand für Ausnahmeregelungen und so weiter. Und wofür? Dresden hat es ohne Umweltzone geschafft. Eine Stadt in Tallage.
Das Feinstaubthema ist zum großen Teil ein Wetterthema, und wird ansonsten, bezogen auf den Kraftverkehr, von jeglichen Gummireifen, Kupplungen und Bremsbelägen erzeugt, egal ob ein Diesel- oder Benzinmotor der Antrieb ist.
Mit den Erkenntnissen aus den letzten 10 Jahren, nicht nur hier in Leipzig, könnte man die Verwaltungsmaßnahme “Umweltzone” auch wieder zurücknehmen, ohne dass der so genannte lokale “Klimanotstand” in der Umsetzung in Gefahr wäre..

Vermutlich eine zu mutige Maßnahme der Verwaltung in Zeiten, in denen sich der Stadtrat mit einer Diskussion um die Antriebsart von Kommunalfahrzeugen beschäftigen soll. Und am Besten noch mit der Bahncard für den Bürgermeister.

Und zu den elektrisch betriebenen Bussen: abgesehen von der Technik, die dann auch mindestens einen Umlauf einer Busslinie schaffen muss, in Ihrer Annahme sogar die Reichweite eines gesamten Betriebstages erbringen müsste, ist so ein fahrender Riesenakku, der es dann wäre, einfach sehr sehr teuer. Nicht nur im Vergleich zum Dieselbus. Und ob es 2010 schon überhaupt möglich gewesen wäre so ein Fahrzeug zu kaufen, das glaube ich fast nicht.
Sie sagen, die öffentlichen Betrieb hätten doch das “nötige Kleingeld” – aber es ist unser aller Geld. Das haben Firmen und Verbraucher eingezahlt, damit es öffentliche Betriebe erhalten.

E-Mobilität ist für Privatpersonen nach wie vor eine teure Angelegenheit. Man braucht Geld und immer noch viel Idealismus, um mit den rar gesäten Ladestellen zurechtzukommen.

Hingegen hätten öffentliche Betriebe längst mit bestem Beispiel vorangehen können. Sie hätten das nötige Kleingeld – mit Sicherheit gibt es auch EU-Fördermittel – und könnten auch auf passende Infrastruktur hinwirken.

Von den Leipziger Verkehrsbetrieben und von der Leipziger Stadtverwaltung habe ich eigentlich schon ab ca 2010 erwartet, dass sie auf E-Betrieb umstellen. Die LVB können ihre E-Busse auf ihren Betriebshöfen aufladen, und eine E-Säule im Innenhof des Neuen Rathauses sollte machbar gewesen sein.

Schön, dass der Stadtrat da jetzt so harsch mit der Stadtverwaltung umgeht. Woher kommt das jetzt so plötzlich? Schmecken die Kanapees nicht mehr so gut?

Aber was war im Stadtrat von um 2010, als die Stadtverwaltung fleißig auf der Nase der Stadträte herumgetanzt hat? Von dieser lokalpolitischen Krise, in der es fast eine Leipziger APO (“Bündnis für Leipzig”) gegeben hätte, will heute keiner reden. Nein, das war nicht “die AfD”. Das ist nur so ein Spruch, um nicht darüber reden zu müssen. – Alles, aber auch alles wurde damals ausgebremst, auch eine umweltfreundliche Verkehrspolitik. Selbst die Einführung der Umweltzone wurde verzögert unter Inkaufnahme von EU-Strafzahlungen. War eine schlimme Zeit.

Wir baden das jetzt aus. Zehn Jahre verloren. Für rein gar nichts.

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