Eine berechtigte Frage stellte Michael Neuhaus, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat, am Mittwoch, 21. April, als der Linke-Antrag โGlasklar fรผr Vogelschutzโ zur Abstimmung stand: Sollten Umweltschรผtzer doch lieber auf ein รkologiestudium verzichten und stattdessen lieber Jura studieren, um รผberhaupt eine Chance zu haben, Umweltschutz durchzusetzen?
Mit dem Thema beschรคftigt sich seit Jahren der Nabu Leipzig. Es sind nicht nur die mutwillig zerstรถrten Nester von Vรถgeln, die den Naturschutzbund immer wieder auf den Plan rufen. Vermehrt hat er damit zu tun, all jene Vรถgel zu zรคhlen, die an den riesigen Glasflรคchen Leipziger Neubauten sterben.Exemplarisch steht dafรผr ein Neubau in der Max-Liebermann-Straรe, wo eine riesige Glasflรคche den Innenbereich abgrenzt und allein 35 tote Vรถgel gezรคhlt wurden, die an der Glaswand ihr Leben lieรen.
Die Frage fรผr die Linksfraktion war natรผrlich: Lรคsst sich so etwas mit einer Bauvorschrift verhindern? Hat eine Stadt wie Leipzig diese Mรถglichkeit?
Hat sie nicht, stellte das Amt fรผr Bauordnung und Denkmalpflege fest. Genau das war der Punkt, an dem es juristisch wurde. Denn nach dem Naturschutzgesetz sind sรคmtliche Vรถgel geschรผtzt und es wird derjenige zur Kasse gebeten, der mutwillig die Tรถtung von Vรถgeln in Kauf nimmt.
Doch das deutsche (und sรคchsische) Baurecht ist davon mit einer groรen Mauer abgetrennt, was das Amt fรผr Bauordnung und Denkmalpflege auch begrรผndete. Bauvorschriften greifen natรผrlich in die Freiheit der Bauherren ein und eine Kommune hat keinen Spielraum, den Bauwilligen die Planung riesiger Glasflรคchen zu untersagen. Auch eine optische Beklebung der Scheiben kann die Stadt nicht einfach anordnen.
Die Stadt kann die Bauherren nur auf das Problem hinweisen. Obwohl der Vorschlag der Linken aus dem September 2020 nur zu logisch war: โDie untere Naturschutzbehรถrde wird beauftragt, bei Bauvorhaben mit groรen Glasflรคchen zu prรผfen, ob diese eine potenzielle Gefahr fรผr Vรถgel darstellen. Bei Verdacht ist vor Erteilung der Baugenehmigung vogelschutzsicheres Glas zu beauflagen.โ
Aber das geht rein rechtlich nicht.
Also formulierte die Linke ihren Antrag noch einmal um. Die Neufassung kam dann freilich sehr kurzfristig ins Verfahren und konnte im Ausschuss nicht noch einmal behandelt werden.
Der erste Antragspunkt war schon deutlich abgeschwรคcht: โDer Oberbรผrgermeister wird beauftragt, Bauantragstellende, deren Vorhaben Glasflรคchen mit Einzelflรคchen von mehr als 5 mยฒ beinhaltet, nachweislich unverzรผglich nach Antragstellung auf die aus durchsichtigen Glasflรคchen drohenden Gefahren fรผr wildlebende Vรถgel sowie das Tรถtungsverbot gemรคร ยง 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG hinzuweisen. Dabei ist den Antragstellenden mindestens ein Beratungsangebot fรผr vogelschรผtzendes Bauen nachzuweisen.โ
Und einen Vorstoร in Dresden wรผnschte sich die Linksfraktion: โDer Oberbรผrgermeister wird gebeten, durch geeignete Maรnahmen auf den Landesgesetzgeber dahingehend hinzuwirken, dass der Schutz wildlebender Vรถgel vor den aus durchsichtigen Glasflรคchen drohenden Gefahren effektiv โ รผber den Regelungsinhalt des ยง 44 BNatSchG hinaus โ zu einem im Baugenehmigungsverfahren prรคventiv zu berรผcksichtigendem รถffentlichem Belang entwickelt wird.โ
Aber es half nichts. Der Antrag bekam nur 24 Pro-Stimmen bei 27-Gegenstimmen und war damit am gestrigen 21. April abgelehnt.
Was nicht heiรt, dass das zustรคndige Amt das Thema selbst ablehnt.
In der Stellungnahme hatte das Amt fรผr Bauordnung und Denkmalpflege vorgeschlagen: โDas Amt fรผr Bauordnung und Denkmalpflege informiert ab sofort den jeweiligen Bauherrn nachweislich รผber die Belange des Vogelschutzes bei Glasfassaden. Darรผber hinaus bietet das Amt fรผr Bauordnung und Denkmalpflege ab sofort zweimal jรคhrlich Informationsveranstaltungen in Kooperation mit anderen Stellen (z. B. UiZ, AfU) zu Umweltthemen wie Glasfassaden und Vogelschutz an. Diese werden in der vom Amt fรผr Bauordnung und Denkmalpflege eingerichteten Bauberatung im Technischen Rathaus durchgefรผhrt.โ
Also das, was eine Kommune darf, ohne dabei juristische Auseinandersetzungen mit Investoren fรผhren zu mรผssen, die in der Regel sehr genau wissen, wie weit sie das deutsche Baurecht ausreizen kรถnnen.
Und man wollte auch gar nicht erst auf den Stadtratsbeschluss warten. Denn in derselben Stellungnahme kรผndigte das Amt an: โDie Informationen der Bauherren รผber das Thema der Glasfassaden und die Auswirkungen auf den Vogelschutz erfolgen ab sofort.โ
Die Debatte vom 21. April 2021 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
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Die Stadt scheint gut darin zu sein, erklรคren zu kรถnnen was alles nicht geht. Was ich aber nicht lese in diesen tollen Verwaltungsstandpunkten wรคren Dinge wie: Das Amt fรผr Umweltschutz wird verwaltungsintern รผber Bauvorhaben informiert, um bereits vor Baubeginn eine Gefahrenprognose hinsichtlich Vogelschlags bei Glasflรคchen anzustreben.
An dessen Stelle tritt eine โInformationspflichtโ hinter der man sich dann bequem verstecken kann, wenn mal wieder solche Vorkommnisse wie an der Max-Liebermann-Straรe geschehen. Und dann kann man als Stadt sagen โaber wir haben doch informiert!โ