Es könnte wirklich ein Vorzeigeprojekt werden dafür, wie obdachlose Menschen sich in Selbstorganisation einen eigenständig verwalteten Wohnraum herrichten und darin auch weitere soziale Angebote wie eine Kleiderkammer schaffen. Am 31. März stimmte Leipzigs Stadtrat nämlich auch noch über die Zukunft der Punkwerxxkammer ab.

Beantragt hatten das die Fraktionen von Linken und Grünen gemeinsam, für die am Mittwoch die Stadträtinnen Katharina Krefft (Grüne) und Juliane Nagel (Linke) vehement kämpften – und nicht etwa, weil die Ratsmehrheit das Projekt nicht gut gefunden hätte.Bedenken kamen nur auf, weil der Punkwerxxkammer e. V. möglicherweise schwer zu kontaktieren sei – das Sozialamt der Stadt hatte nach Auskunft von Sozialbürgermeister Thomas Fabian zumindest bisher nur sporadischen Kontakt zu den Menschen, die ihr Projekt zuerst in leerstehenden Gebäuden westlich des Hauptbahnhofs gegründet hatten, wo sie aber – da die Bauarbeiten für das neue Stadtquartier begannen – weichen mussten, aber mit Unterstützung des Eigentümers eine neue, vorübergehende Unterkunft an der Berliner Straße fanden.

Dort sind die Gründer/-innen des Vereins auch anzutreffen. Nur eben nicht so einfach wie normale Mieter, die man mit amtlichen Schreiben jederzeit erreichen kann.

Aber auch das Insistieren von Sven Morlok (FDP), Andreas Geisler (SPD) und Karsten Albrecht (CDU) bestätigte, dass die Stadt sehr wohl bereit ist, mit dem Punkwerxxkammer e. V. einen Mietvertrag für das von der Stadt vorgeschlagene Gebäude abzuschließen – auch wenn es nicht glücken konnte, das bisherige Gebäude bis zum 31. März schon zu räumen.

Das Gebäude der Punkwerkskammer an der Berliner Straße. Foto: LZ
Das Gebäude der Punkwerxxkammer an der Berliner Straße. Foto: LZ

Auf den Antrag von Grünen und Linken hatte die Verwaltung entsprechend einen eigenen Vorschlag gemacht, der dann am 31. März so auch zur Abstimmung gestellt wurde.

„Das Grundstück Berliner Str. 66, das derzeit von dem Verein Punkwerxxkammer e. V. genutzt wird, wird durch den Eigentümer ab dem 01.04.2021 einer anderen Nutzung zugeführt. Der Eigentümer hat seit Beginn der Nutzung durch den Punkwerxxkammer e. V. darauf hingewiesen, dass die Nutzung der auf dem Grundstück befindlichen Immobilie nur befristet ist. Eine dauerhafte Nutzung durch die Mitglieder des Punkwerxxkammer e. V. ist ausgeschlossen. Die Nutzer/-innen wurden im Herbst 2020 aufgefordert, das Objekt zum 31.12.2020 zu räumen“, hieß es darin.

Aber wie Juliane Nagel immer wieder betonte: So amtlich kann man mit Menschen, die ihr gesamtes Leben auf der Straße organisieren, nicht umgehen. Da braucht es wohl einen etwas geduldigeren Einsatz der Streetworker.

„Das im Antrag als Alternativstandort vorgeschlagene Gebäude ,Stellwerkhäuschen‘ (Flurstück 2733 in der Gemarkung Leipzig, die Anschrift Roscherstraße 37 ist unzutreffend) befindet sich ebenso wie die Berliner Straße 66 in Privatbesitz und ist in einem desolaten Zustand. Außerdem liegt das Grundstück im Bereich des Aufstellungsbeschlusses zum Bebauungsplan 416 ,Freiladebahnhof Eutritzscher Straße / Delitzscher Straße‘. Eine Überplanung der Immobilie sieht der Masterplan jedoch nicht vor“, betonte die Verwaltungsvorlage noch.

Das war also kein praktikabler Ausweichstandort.

„Weitere konkrete Standortalternativen im Umfeld des Leipziger Hauptbahnhofs sind der Stadt Leipzig nicht bekannt. In dem Gebiet verfügbare Immobilien werden aufgrund der zentralen Lage und der möglichen hohen Bebauungsdichte zu besonders hohen Preisen am Markt gehandelt“, so die Verwaltung.

Was zumindest wieder einen kleinen Einblick gibt in die Welt, in der die wertvollsten Grundstücke einer wachsenden Stadt zu immer höheren Preisen auf dem Markt gehandelt werden. Da bleibt für nicht-betuchte Menschen irgendwann kaum noch eine Nische über.

Aber: „Die Stadt Leipzig hat daher den eigenen Immobilienbestand auf aktuell ungenutzte Liegenschaften geprüft, die für eine Nutzung durch die Mitglieder des Punkwerxxkammer e. V. zu Wohnzwecken geeignet erscheinen. Als Alternative zu der derzeitig genutzten Immobilie Berliner Str. 66 und dem im Antrag benannten ,Stellwerkhäuschen‘ kann das im Eigentum der Stadt Leipzig befindliche Objekt Zschortauer Str. 40 in 04129 Leipzig angeboten werden.

Bei der Liegenschaft Zschortauer Straße 40 handelt es sich um ein großes Einfamilienhaus mit Garten. Das Gebäude wurde vor ca. 100 Jahren errichtet und Ende der 1990er-Jahre teilsaniert. Es verfügt über eine zeitgemäße Anlage zur Heizung- und Warmwassererzeugung. Die letzte Nutzung wurde im Jahr 2018 beendet. Seitdem steht das Gebäude leer und kann in Eigeninitiative mit überschaubarem Aufwand wieder für eine Wohnnutzung hergerichtet werden.“

Und so kommt auch der Vorschlag entsprechend: „Eine Vermietung der Liegenschaft ist bei Interesses des Vereins Punkwerxxkammer e. V. kurzfristig möglich.“

Auf die weiter in der Vorlage des Sozialdezernats genannten Schwierigkeiten gingen ja dann mehrere Stadträte in der Ratsversammlung ein. Wozu übrigens auch gehört, dass einige der Wohnungslosen die Angebote der Stadt annahmen, in eigene Wohnungen zu ziehen: „Das wiederholte Angebot des Sozialamtes, die Nutzer/-innen der Liegenschaft Berliner Str. 66 in Wohnraum zu vermitteln, wurde von zwei Mitgliedern des Punkwerxxkammer e. V. angenommen. Beide konnten in eine eigene Wohnung vermittelt werden.“

Schwerer dürfte es mit dem letzten Punkt sein: „Vor Aufnahme des Projektes bei der Fortschreibung des Fachplans Wohnungsnotfallhilfe ist durch den Punkwerxxkammer e. V. ein Konzept vorzulegen, aus dem die Arbeit und die Gemeinwohlorientierung des Projektes hervorgehen.“

Verwaltungen lieben solche Konzepte, an die sich nach Erstellung halten können. Wahrscheinlich werden gerade die Mitglieder des Punkwerxxkammer e. V. hierbei eher echte Hilfe brauchen, um ein wirklich tragfähiges Konzept zu Papier zu bringen.
Aber in einem Punkt war sich die Stadtratsmehrheit (bis auf die eine übliche Fraktion) einig: dass dieser besondere Verein ein Obdach braucht.

Dem zur Abstimmung gestellten Verwaltungsstandpunkt stimmten denn auch 49 Stadträt/-innen zu, nur acht stimmten dagegen, einer enthielt sich der Stimme.

Update, 6. April: Ergänzender Kommentar von Andreas Geisler: “Herr Morlok und ich haben bereits im GVA über den Antrag diskutiert und festgestellt das man den Verwaltungsstandpunkt so nicht beschließen kann am 31.3.2021, weil es dann die Wirkung hätte das wir nichts beschlossen haben so wie es formuliert war. Also bitte lesen Sie gern mal den VSP nach und Sie werden feststellen der Wortlaut des VSP war nicht beschlussreif zumindest nicht in dem Wortlaut mit dem Ablauf der Fristen. Das war es was Herr Morlok und ich bereits seit dem GVA der Verwaltung und den Antragstellern mitgegeben hatten. Erst die Feststellung des OBM das wir Recht haben und die daraus formulierte Protokoll Notiz haben den Inhalt gerettet.”

Der Mitschnitt Stadtrat 31. März 2021

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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