Wenn man doch nur Zeit hätte. Aber auch ein Leipziger Stadtrat muss galoppieren, um seine Themenlisten abzuarbeiten. Das wird sich wohl auch nicht mehr ändern in einer wachsenden Stadt, die immer mehr Themen zu bewältigen hat. Seit Mittwoch, 21. April, nun auch die Bewerbung um ein Jüdisches Museum in Leipzig. Das hat der Stadtrat einstimmig so beschlossen.

Auch wenn es in der Debatte am Mittwoch dann eine kurze Hakelei gab, weil sich AfD-Stadtrat Christian Kriegel verschnupft gab, weil nicht der Kulturausschuss den Antrag eingereicht hatte, sondern nur Bert Sander für die Grünen und Andrea Niermann für die CDU. Haben die beiden da also einfach den Kulturausschuss ausgetrickst, obwohl doch der den Antrag im Stadtrat einreichen wollte? Und damit auch die beiden dort vertretenen AfD-Stadträte?Aber hier ging es wohl um Fristen, die eingehalten werden mussten. Und auf die Eile, so Sander, hätte man nicht die Zustimmung aller Ausschussmitglieder zusammenbringen können. Also hätten Andrea Nierman und er den Antrag zu zweit eingebracht. Was übrigens nicht verboten ist. Jeder Stadtrat darf eigene Anträge einbringen.

Hier war wohl eher die Kränkung spürbar, dass Bert Sander den AfD-Änderungsantrag reineweg für überflüssig erklärt hatte. Die hatte extra beantragt, die Leipziger Partnerstadt Herzliya unbedingt mit einzubeziehen, wenn es um die Gestaltung des Museums geht.

Aber das, so Sander, stünde ja auch schon im Standpunkt der Verwaltung. Es sei also überflüssig, das noch einmal extra zu beschließen. Denn zur Abstimmung stellte er nicht den Antrag, den er mit Andrea Niermann zusammen eingereicht hatte, sondern den schon deutlich differenzierteren Verwaltungsstandpunkt.

Insofern war das eine erstaunliche, aber mal wieder völlig schräge Debatte, die letztlich völlig zu entgleiten drohte, weil sich nun immer mehr Stadträte in den Streit einzuklinken versuchten. Da ging es überhaupt nicht mehr um das Museum, das von allen Leipziger Fraktionen unterstützt wird, auch von der AfD-Fraktion.

Dass Leipzig zwar einzigartig dasteht mit seinem einst blühenden jüdischen Leben, bestritt niemand. Wobei Linke-Stadtrat Marco Götze zu Recht darauf hinwies, dass Leipzig auch die dunklen Seiten der Geschichte zwingend mit thematisieren sollte. Denn es waren auch Leipziger und Leipzigerinnen, die nach 1933 mithalfen, eben diese einzigartige jüdische Gemeinde in Leipzig, ohne die viele Ruhmesblätter der Stadtgeschichte (Kultur, Buchstadt, Wissenschaft, Wirtschaft, Handel) überhaupt nicht denkbar sind, zu vernichten.

Das Museum soll ja eben deswegen genau daran erinnern, was für ein reiches jüdisches Leben Leipzig einmal hatte. Und nicht nur Leipzig. Denn auch da hat Götze recht: Der Blick in andere mitteldeutsche Städte mit eigener reicher jüdischer Geschichte wie Dessau, Erfurt, Halle oder Dresden, dürfte nicht unterlassen werden.

Man lernt also zumindest ein wenig über die Wichtigkeit dieses Themas und darüber, dass Leipzig gut daran tut, seinen Handschuh in den Ring zu werfen, auch weil es zentral gelegen ist und durchaus in der Lage, auch die jüdische Geschichte der anderen Städte mitzuvernetzen.

Ob da vielleicht in der Abstimmung im Kulturausschuss etwas schiefgelaufen ist, das muss der Kulturausschuss selbst klären. An der Stelle musste die Diskussion ganz folgerichtig abgebrochen werden. Eine Diskussion, die immerhin zeigt, dass Leipzig doch einen sehr streitbaren Stadtrat hat.

Den Änderungsantrag der AfD-Fraktion befürworteten dann freilich nur 20 Stadträt/-innen, 39 stimmten dagegen.

Aber im Kern steckt er ja im Verwaltungsstandpunkt, der dann eine einstimmige Mehrheit im Stadtrat fand. Leipzig wird sich jetzt also um dieses Museum bewerben.

Die Debatte vom 21. April 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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