Jahrelang war es ein Streitthema im Stadtrat: Die Kosten für die Hilfen zur Erziehung stiegen Jahr für Jahr genauso wie die Fallzahlen. Immer mehr Kinder und Jugendliche wurden stationär untergebracht, das geplante Budget um Millionen Euro überschritten. Im Dezember beantragten die Grünen deshalb, das undurchschaubare System endlich zu ändern.

Das Drama gehe eigentlich seit 2013 so, merkte am Mittwoch in der Online-Ratsdebatte CDU-Stadtrat Karsten Albrecht an. Doch der damalige Sozialbürgermeister habe nicht reagiert. Was unter anderem wohl auch daran lag, dass das Sozialdezernat eigentlich in seiner Struktur nicht mehr zu überschauen war. Gerade das für Jugend und Familie zuständige Amt war zu einem Riesenkoloss mit immer mehr Mitarbeiter/-innen geworden, ohne dass sich die Arbeit aus Sicht des Stadtrates tatsächlich verbessert hätte. Im Gegenteil, die Kosten liefen immer weiter aus dem Ruder.Was dann die Ratsversammlung 2020 dazu brachte, die Dezernatsstrukturen deutlich zur Umstrukturierung anzumelden und das riesige Sozialdezernat aufzusplitten in zwei Dezernate. Was dann auch so passierte. Ergebnis war dann auch die Schaffung des neuen Dezernats Jugend, Schule und Demokratie mit der von den Grünen zur Wahl gestellten neuen Bürgermeisterin Vicky Feldhaus. Als die Grünen im Dezember ihren Antrag stellten, war sie gerade mal ein halbes Jahr im Amt und gerade dabei, sich überhaupt erst einmal einen Überblick zu schaffen in ihrem neuen Arbeitsbereich.

Tatsächlich rannten die Grünen offene Türen ein, auch wenn sie im Antrag monierten, dass im Dezernat noch nichts geschehen sei.

Tatsächlich übernahm das Jugenddezernat den Grünen-Antrag in großen Teilen und machte schon eine ganze Reihe Vorschläge, wie man gerade den Bereich Hilfen zur Erziehung künftig neu strukturieren wolle. So wird auch der von mehreren Stadtratsfraktionen geäußerte Wunsch nach einer Bündelung der Hilfen zur Erziehung in einer Stabsstelle umgesetzt: „Weiterhin ist die Implementierung einer dem ASD gegenüber weisungsbefugten Stabsstelle im Amtsleiterbereich vorgesehen. Diese begleitet und überwacht die bedarfsgerechte Ausrichtung des Gesamtprozesses der Hilfen zur Erziehung sowie die Integration der Aufgaben des BTHG, entsprechend der Steuerungsvorgaben der Amtsleitung.“

In seinem Einführungsbeitrag in der Ratsversammlung ging Grünen-Stadtrat Michael Schmidt noch genauer darauf ein, dass der ungeregelte Ausbau der stationären Unterbringung für teuer Geld die Probleme der Jugendlichen nicht wirklich löst. Der Fokus müsse dringend wieder auf direkten Hilfen für die Familien liegen.

So sieht es auch das Jugenddezernat, auch wenn die genaue Strukturierung der Prozesse jetzt Arbeitsaufgabe für das Jahr 2021 ist: „Bis Ende 2021 ist eine Bedarfsanalyse zur Angebotsweiterentwicklung vorgesehen, um passgenaue Hilfeangebote als Voraussetzung zeitlich eng begrenzter Prozesse der Befähigung von Klient/-innen vorhalten zu können. Grundlage der Bedarfsanalyse ist die Integrierte Kinder- und Jugendhilfeplanung sowie die Erkenntnisse aus dem Fachcontrolling. Ein Schwerpunkt der Steuerung liegt auf dem Bereich Stationäre Hilfen und dort im Besonderen auf der Rückführung sowie der Intensivierung der Elternarbeit. Die Einhaltung der Sozialraumbudgets wird über die Benennung weiterer Steuerungsansätze auch im Bereich der stationären Hilfen operationalisiert.“

Die Stellungnahme des Dezernats war dann schon so detailliert, dass Schmidt dann auch den Alternativvorschlag der Verwaltung zur Abstimmung stellte. Und der wurde dann auch kurzerhand ohne Gegenstimmen vom Stadtrat angenommen.

Wie der Umbau am Ende aussehen wird und welche ersten Ergebnisse er bringen wird, das will das Jugenddezernat erstmals im Spätsommer berichten: „Erste Ergebnisse der Analyse von Aufgaben und Prozessen sowie der fachlichen Steuerung der HzE, auch unter Einbeziehung der angrenzenden Fachbereiche, werden im dritten Quartal 2021 erwartet. Die derzeit laufende Überarbeitung der Stellenbeschreibung der Stabsstelle Organisationsentwicklung soll im ersten Quartal 2021 abgeschlossen werden. Zum weiteren Vorgehen wird von der Stabsstelle anschließend eine Zeitschiene erstellt.“

Die Debatte vom 21. April 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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