Im Januar beantragte die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat: „Der Oberbürgermeister prüft bis zum III. Quartal 2021, welcher Voraussetzungen es bedarf, um die Orte der Friedlichen Revolution zum UNESCO-Welterbe erklären zu lassen.“ Dem begegnet jetzt das Kulturamt der Stadt mit Wohlwollen, gibt aber auch zu bedenken, dass das Probleme für die Stadtplanung mit sich bringen könnte.
Im Januar hatte die FDP das Anliegen für ziemlich aus der Zeit gefallen erklärt. Jetzt in der Corona-Pandemie hätte die wirtschaftliche Stabilisierung erst einmal oberste Priorität. „Über das Für uns Wider eines Welterbeantrages, für den Geld und Personal gebunden werden, können wir auch im Herbst oder im kommenden Jahr diskutieren. Die Idee ist spannend, aber sie kommt zur Unzeit“, sagte René Hobusch, der auch Mitglied im Begleitgremium Freiheits- und Einheitsdenkmal ist.Denn Leipzig will ja den Versuch neu starten, das Freiheits- und Einheitsdenkmal Realität werden zu lassen. Obwohl natürlich dieser Kern des CDU-Antrages Sinn ergibt: Es gibt in Leipzig genug Orte, die an die Friedliche Revolution erinnern, ohne dass man dafür extra ein Denkmal bauen muss. Das Kulturamt hat schon eine kleine Liste zusammengetragen: Nikolaikirche und Nikolaikirchhof, Runde Ecke, Ring, Reformierte Kirche, Lukaskirche …
Aber es sieht auch ein Problem. Nicht in der Antragstellung, auch wenn die dann einen vier, fünf Jahre dauernden Entscheidungsprozess nach sich ziehen würde.
Aber der dabei zu versammelnde „beachtliche Korpus an Denkmalssubstanz“ könnte zum Problem werden, denn dadurch bekäme Leipzig quasi eine UNESCO-geschütze Denkmalkulisse, so ähnlich wie der berühmte Canaletto-Blick auf Dresden.
Das kann an einigen Orten funktionieren. An anderen würde es zum Problem, so das Kulturamt: „Die Orientierung auf einen UNESCO-Welterbestatus zieht bereits auf dem Weg hin zum Antrag und sehr viel mehr noch im Erfolgsfall weitreichende Verpflichtungen auf eine Erhaltung der Denkmalssubstanz in ihrem breit verstandenen städtebaulichen Umfeld mit sich, die sich im Sinne einer Pufferzone bzw. Veränderungssperre (siehe Folgen des Baus der Waldschlößchenbrücke für den Welterbetitel in Dresden) ganz erheblich auf die Stadtentwicklung der betreffenden Areale auswirken würden.
Ungeprüft erscheint dies im Falle des Nikolaikirchhofes unproblematisch und eventuell gewünscht, müsste aber hinsichtlich des Promenadenrings und insbesondere der Entwicklung des Matthäikirchhofs zu einem ,Forum für Freiheit und Bürgerrechte‘ bzw. der Neugestaltung eines Stadtquartiers grundlegend vorbedacht werden und im Kontext mit dem hier bereits bestehenden Status des Areals als Bestandteil des Bundesprogramms Nationale Projekte des Städtebaus und geltender Beschlusslagen gesehen werden.“
Ansonsten ist sich das Kulturamt sicher: „Die Friedliche Revolution vom Herbst 1989 ist eine Schlüsselepoche der Leipziger Geschichte und ein Ereignis, mit dem Weltgeschichte angestoßen wurde. Es ist zudem ein Thema, das heute in ganz besonderer Weise auch aus internationaler Perspektive mit Leipzig verbunden wird. Insofern ist die Überlegung, dieses Thema zum Gegenstand eines UNESCO-Welterbe Antrages zu machen, inhaltlich nachvollziehbar.“
Nur stellt Leipzig nicht den Antrag, sondern muss das Land und letztlich den Bund davon überzeugen, dass der Antrag Sinn ergibt und die Orte der Friedlichen Revolution tatsächlich so etwas wie ein „unersetzliches Menschheitserbe“ sind. Das sollen Fachleute klären.
„Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass das Prozedere zur Erlangung eines Welterbe-Status sich in den letzten Jahrzehnten in ganz erheblichem Umfang professionalisiert hat“, schreibt das Kulturamt. „Auszugehen ist daher von einem mehrjährigen Vorlauf mit umfangreichen Dokumentationspflichten, Begutachtungsrunden sowie ausgearbeiteten Managementplänen, um eine professionelle Vorbereitung dieses Vorhabens zu gewährleisten. Diese notwendige Professionalität ist mit erheblichen personellen und finanziellen Bedarfen verbunden, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht eingeschätzt aber so konkret wie möglich im Rahmen des Prüfauftrages ermittelt werden sollen.“
Das zu erkunden, würde wohl 2021 nicht ganz zu schaffen sein, weshalb das Kulturamt das Prüfergebnis für Anfang 2022 für realistischer hält: „Der Stadtrat wird über die Ergebnisse im 1. Quartal 2022 informiert. In Abhängigkeit der Ergebnisse der Prüfungen werden durch die Verwaltung Vorschläge zum weiteren Vorgehen unterbreitet.“
Mit der Einschränkung, dass sich tatsächlich eine Stadtratsmehrheit findet. Der Antrag könnte im April in der Ratsversammlung auftauchen.
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