Es wird eine ziemlich verzwickte Kiste, die Leipzigs Stadträtinnen und Stadträte am heutigen 24. März zu lösen haben, wenn sie jetzt über den neu vorgelegten Forstwirtschaftsplan bestimmen sollen. 2019 und 2020 hatte es ja keinen gegeben und der von 2018 war gestoppt worden, nachdem die Grüne Liga beim Oberverwaltungsgericht erfolgreich Einspruch erhoben hatte. Und weil die Sache nicht endgültig geklärt ist, hat der NuKLA e. V., Mitglied der Grünen Liga, einen Offenen Brief an alle Ratsfraktionen geschrieben.
Das Problem steckt schon in der Einleitung der Vorlage zum Forstwirtschaftsplan 2021, wo es heißt: „Der forstliche Wirtschaftsplan 2021 enthält nur Teile aus der Planung des Jahres 2019. Neue Maßnahmen sind nicht enthalten. Der Plan für das Jahr 2019 wurde u. a. zusammen mit der unteren Naturschutzbehörde geprüft, um Kollisionen mit naturschutzrechtlichen Vorschriften auszuschließen.“
Der Stand im Verfahren
Das Amt für Stadtgrün und Gewässer schildert den Verfahrensstand in der Vorlage selbst so:
„Am 16.11.2018 hat die Grüne Liga Sachsen e. V. vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Leipzig wegen Unterlassens von Maßnahmen zum Vollzug des Forstwirtschaftsplanes 2018 beantragt. Der Antrag bezog sich auf das Unterlassen von Sanitärhieben, Femelhieben/Femelungen, Schirmhieben, Räumungshieben und Altdurchforstungen innerhalb des FFH-Gebietes ,Leipziger Auensystem‘ und dem Vogelschutzgebiet ,Leipziger Auwald‘, den beiden Natura-2000-Schutzgebieten im Leipziger Stadtgebiet.
Zielsetzung dieses Antrags war, vor Durchführung dieser forstlichen Maßnahmen eine Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung sowie eine strategische Umweltprüfung unter Beteiligung der Grünen Liga Sachsen e. V. durchzuführen. Beantragt wurde auch eine Zwischenverfügung, mit der das sofortige Unterlassen der Maßnahmen herbeigeführt werden sollte.
Im Verfahren legte die Stadt Leipzig dar, dass ihre forstlichen Maßnahmen vollständig den Zielen der Managementpläne der Natura-2000-Gebiete entsprechen. Eine Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung sowie eine strategische Umweltprüfung unter Beteiligung der Grünen Liga Sachsen e. V. vor Durchführung dieser forstlichen Maßnahmen war daher nicht erforderlich.
Die Stadt Leipzig verdeutlichte darüber hinaus, dass sie ihre Verantwortung für den Leipziger Auwald und dessen dauerhaften Erhalt sowie Entwicklung zum Wohle der Einwohner der Stadt im Bewusstsein für das ,Natura-2000-Netz‘ wahrnimmt
Das Verwaltungsgericht Leipzig hat mit Beschluss vom 09.04.2019 (Az.: 1 L 1315/18) den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgewiesen. Dagegen hat die Grüne Liga Sachsen e. V. beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht Bautzen am 18.04.2019 Beschwerde eingelegt. Am 9. Juni 2020 beschloss das Sächsische Oberverwaltungsgericht, den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Leipzig vom 9. April 2019 zu ändern.
Der Stadt Leipzig (Antragsgegnerin) wurde im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, es zu unterlassen, den Forstwirtschaftsplan 2018 zu vollziehen soweit dieser Sanitärhiebe, Femelhiebe, Schirmhiebe und Altdurchforstungen innerhalb des FFH-Gebietes ,Leipziger Auensystem‘ und des Vogelschutzgebietes ,Leipziger Auwald‘ vorsieht, bevor eine Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Grünen Liga durchgeführt wurde.“
Aus Sicht des NuKLA e. V. bedeutet das, dass es auch keinen neuen Forstwirtschaftsplan geben darf, bevor diese umfassende Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung nicht erfolgt ist. Die vom Amt für Stadtgrün und Gewässer (dem die Abteilung Stadtforsten untergeordnet ist) erwähnte, vom Umweltbund Ökolöwe erarbeitete „Maßnahmenliste zur Herstellung der Schutzgebietsverträglichkeit als Anlage 2 zur Information für den jährlichen forstlichen Wirtschaftsplan 2021“, genügt dem nicht. Was der NuKLA e. V. schon in der Einleitung seines sehr umfangreichen Offenen Briefes betont.
Der Einstieg in den Offenen Brief
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
unseres Wissens nach werden Sie bei der kommenden Stadtratssitzung über den Forstwirtschaftsplan 2021 abstimmen. Aus vielerlei Gründen bitten wir Sie, diesen Plan abzulehnen.
Vor allem durch die Brisanz des Klimawandels ist der bisherige forstliche Umgang mit dem Leipziger Auwald dringend auf den Prüfstand zu stellen. Zahlreiche der Flächen, die in den Vorjahren im Rahmen forstlicher Eingriffe „bearbeitet“ worden sind, zeigen heute gemäß der Analyse von Satellitenbildern durch den Staatsbetrieb Sachsenforst schwere Dürreschäden.
Es ist nur zu hoffen, dass sich diese Dürreschäden im Auwald nicht im kommenden Sommer auf diesen Flächen ausweiten werden, denn die Gefahr, dass auf manchen dieser Flächen als Folge der forstlichen Maßnahmen der Vorjahre langfristig Wald verloren geht, ist durchaus gegeben.
Wir sind der Auffassung, dass es keine weiteren derartigen Eingriffe geben darf, und auch wenn im Forstwirtschaftsplan 2021 nur Maßnahmen zur sogenannten Jungbestandspflege konkret angedacht sind, sind die invasiven bisherigen Maßnahmen wie Mittelwald und Femellöcher Bestandteil der „Handlungsrichtlinie Biotopbaum und Totholz“, welche dem Forstwirtschaftsplan 2021 als Anhang beigefügt ist und über welche daher automatisch ebenfalls entschieden wird. Diese Handlungsrichtlinie soll außerdem über 2021 hinaus gelten!
Überdies enthalten Forstwirtschaftsplan 2021 und die „Handlungsrichtlinie Biotopbaum und Totholz“ nicht evaluierte Behauptungen sowie nicht-evidenzbasierte Aussagen, diverse Fehlschlüsse, zahlreiche Widersprüchlichkeiten und viele Unklarheiten.
Der komplette Offene Brief zum Nachlesen.
Es geht um die Bewahrung geschlossener Waldgebiete
Im Februar veröffentlicht der Staatsbetrieb Sachsenforst ja auch erstmals Satellitenkarten mit den Dürreschäden in sächsischen Wäldern. Darin zu finden sind auch Dürreschäden im Leipziger Auensystem. Diese Satellitenbilder des Kompetenzzentrums für Wald und Forstwirtschaft von Sachsenforst betreffs der Dürreschäden im Leipziger Auwald hat der NuKLA e. V. selbst noch einmal genauer untersucht und die Schäden vor Ort besichtigt. Unter anderem mit dem Ergebnis, dass die Schäden meist gerade dort auftreten, wo in der jüngeren Vergangenheit forstwirtschaftlich in den Wald eingegriffen und zusammenhängende große Waldgebiete gestört wurden.
Die Auswertung kann man auf der Website des NuKLA e. V. nachlesen.
Der NuKLA e. V. fasst seine Position zur Neuvorlage des Forstwirtschaftsplans so zusammen: „Angesichts dramatischer Klimaprognosen können wir nur warnen und Sie um größte Vorsicht bitten bezogen auf weitere Eingriffe: Der Leipziger Auwald braucht Schutz und ein Revitalisierungskonzept, keine Forstwirtschaft. Sie hingegen werden die Entscheidung treffen – und wir hoffen, dass unsere Informationen Ihnen helfen, bei dieser komplexen Thematik im Interesse unseres Auwaldes abzustimmen.“
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