Da hat ja die CDU-Fraktion etwas angerichtet, als sie beantragte, einen neuen Standort für das Schulmuseum Leipzig zu suchen. Oder hat die CDU-Fraktion da nur auf einen Verwaltungsvorgang reagiert, der ebenso unabgesprochen war? Denn beiläufig teilte OBM Burkhard Jung mit, dass künftig ein anderes Dezernat für das Schulmuseum zuständig sein soll.

In der Ratsversammlung am 24. Februar beantwortete Oberbürgermeister Jung die Frage nach der Zuweisung des Antrages der CDU „Das Schulmuseum als moderner Ort für lebendiges Lernen“ federführend zum Dezernat Kultur damit, dass das Schulmuseum ab 1. März 2021 in die Zuständigkeit des genannten Dezernates wechsle. Abgesprochen war das nicht, auch wenn es Folge des vor einem Jahr beschlossenen neuen Dezernatszuschnitts ist.Aber es klingt sofort seltsam, wenn es gerade dann passiert, wenn die CDU-Fraktion eine Verlagerung des Museums beantragt – weg vom künftigen Demokratie-Campus. Als wäre nicht ausgerechnet Schule ein ganz zentrales Thema bei der Bildung von Demokraten.

Mit seiner Auskunft vom 24. Februar informierte Jung den Stadtrat erstmalig über die Neuzuordnung.

Grundsätzlich war mit der neuen Dezernatsstruktur auch eine Neuzuweisung verschiedener Referate diskutiert worden, jedoch nie abschließend, kritisieren nun die Grünen. In den zuständigen Gremien hätte es zu keinem Zeitpunkt eine Information gegeben.

„Tatsächlich hatte ich im Fachausschuss Jugend, Schule und Demokratie am 18. Februar 2021 darum gebeten, uns in der nächsten Ausschusssitzung zu informieren“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Krefft dazu. „Auch wenn die Organisationsstruktur der Verwaltung in der Hoheit des OBM liegt, übergeht Herr Jung bei dieser sensiblen Angelegenheit alle Beteiligten, wie den wissenschaftlichen Beirat des Museums, den Vertrag zum Schulmuseum (hier insbesondere Art. 9) und die Fraktionen im Stadtrat.“

Der Artikel 9 des Kooperationsvertrages vom 10. Juni 1999 lautet: „Das Schulmuseum wird vom Schulverwaltungsamt der Stadt Leipzig verwaltet.“

„Es handelt sich dabei um keine Lappalie“, betont Krefft. „Immerhin ist das Schulmuseum Teil der Planung zum Demokratiecampus. Es gibt ein neu geschaffenes Demokratiereferat, das aktuell aufgebaut wird. Und das Schulmuseum, mit seiner Werkstatt für Schulgeschichte, Ort der Jugendbeteiligung und durch die Sachgebietsleitung Demokratische Bildung mit der Fachstelle für Extremismusprävention, ist mehr als ein musealer Ort. Es ist tatsächlich aktiver Partner in der Demokratiearbeit in Leipzig und somit eng am Demokratiereferat zu führen.“

Es ist eben nicht nur ein Museum, das man vielleicht irgendwie noch dem Stadtgeschichtlichen Museum anhängen kann, sondern versteht sich explizit als Lernort, gehört also von Natur aus in den künftigen Demokratie-Campus.

Im Leitbild des Schulmuseums heißt es: „Die Werkstatt eignet sich in besonderer Weise als Ort der Demokratie-Erziehung. Die weitreichende gesellschaftliche Bedeutung von Bildung und eine Sensibilisierung gegenüber jeglicher Form von Gleichschaltung wird durch spezielle Rollenspiele in Form von Unterrichtsstunden vermittelt. Den Arbeitscharakter betonen auch generationenübergreifende Zeitzeugenprojekte, Kinder- und Jugendwettbewerbe, Workshops, Filmproduktionen, Lehrerfortbildungsangebote, Theateraufführungen, Zukunftswerkstätten und Podiumsdiskussionen über aktuelle Fragen zu Schule und Bildung.“

Welche politische Sprengkraft in der Entscheidung des Oberbürgermeisters liegt, zeige die Bedeutung der Einrichtung, die von Leipziger Bürgerrechtler/-innen begründet wurde, so Krefft: „Mit dem Schulmuseum auf dem Matthäikirchhof haben wir einen lokalen Akteur und den einzigen Zugang von Interessen der Jugend auf dem Areal.

Es ist irritierend gegenüber den Partnerinnen Universität Leipzig und HTWK, vertreten durch den wissenschaftlichen Beirat, sowie in außerordentlichem Maße fahrlässig, das Schulmuseum aus dem Prozess organisatorisch zu entfernen. Wir befürchten, dass das Schulmuseum als junger und breit aufgestellter Akteur der Demokratiearbeit aus der Konzipierung des Matthäikirchhofes vertrieben wird, weil der Oberbürgermeister unachtsam mit der Situation vor Ort jongliert. Dies ist inakzeptabel.“

Der CDU-Antrag selbst war ein Schmuckstück der Widersprüchlichkeit. Einerseits behauptete er: „Das Schulmuseum leistet eine wertvolle Arbeit für die Vermittlung pädagogischer Inhalte. Unser Ziel ist es, diese Arbeit weiterzuqualifizieren.“ Und wenige Zeilen weiter forderte er praktisch etwas völlig anderes: „Um diese Facetten intensiver zu beleuchten, ist ein grundlegender Neustart mit neuem Standort, empfehlenswerter Weise nahe einer Schule, und einer neuen konzeptionellen Ausrichtung notwendig.“

Das Ganze zielt einerseits tatsächlich darauf, das Museum mit seinem Bildungskonzept vom Matthäikirchhof zu entfernen. Gleichzeitig versucht der Antrag die seit Jahrzehnten bewährte konzeptionelle Arbeit des Museums einfach vom Tisch zu wischen.

Am Donnerstag, 4. März, soll der Antrag erstmals im Fachausschuss Jugend, Schule und Demokratie behandelt werden.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 2 Kommentare

Nein, für mich ist das nicht neu, dass der OBM ein Erfüllungsgehilfe der Industrie und auch der Wirtschaft ist. Ihm geht es nur darum, Geld in die Stadt zu lenken – koste es der Stadtgesellschaft, was es wolle.

@Christian: Beim ersten Querlesen Ihres Kommentars habe ich den verlängerten Arm der Industrie mit dem OBM verbunden – ganz psychologischer Lapsus meinerseits.^^

Ich sehe voraus, dass der OBM Jung wegen Affären am Matthäikirchhof zurücktreten wird.

Leipzig wird sonst langsam zu einer westlichen Retortenstadt mit bisschen Gründerzeitanstrich. Kann man sich in Stuttgart schon lange anschauen.

Die CDU bereitet die Ankunft einer neuen Konzernzentrale auf dem Matthäikirchhof vor.
Nichts anderes habe ich von diesem verlängerten Arm der Industrie erwartet.

Neu ist der Herr OBM als Erfüllungsgehilfe.
Wenngleich er ja die Bürgerverdrossenheit bereits andeutete…

Schreiben Sie einen Kommentar