Auf die Worte muss man achten. Das haben mittlerweile einige Ratsfraktionen gelernt. Immerhin steht heute die Entscheidung zum Forstwirtschaftsplan 2021 an, den das Amt für Stadtgrün und Gewässer für notwendig hält, der sich aber trotzdem in der Begründung wieder so liest, als versuche man doch einige Seitentürchen offenzuhalten. Was jetzt die Fraktion Freibeuter mit einer Formulierungsänderung thematisiert.

Denn unübersehbar ist, dass Leipzigs Umweltdezernat im Natura-2000-Gebiet „Leipziger Auensystem“ versucht, zum Teil widersprüchlichste Anliegen umzusetzen und durchzusetzen. Das war ja auch 2020 Thema im Stadtrat, als dort die Erstellung eines Auenentwicklkungskonzepts beschlossen wurde. Da wurde ziemlich heftig über das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK) diskutiert, das insbesondere über den Grünen Ring weitergetrieben wird, obwohl gerade die großen Eingriffe in geschützte Landschaftsräume immer wieder scheitern und zunehmend Protest auslösen.Der Stadtrat folgte dabei mehrheitlich der Haltung der Leipziger Umweltverbände, dass die Revitalisierung der Aue zwingend Vorrang haben muss vor allen Bestrebungen, den Auenwald für irgendwelche touristischen Zwecke zu nutzen.

Doch genau hier fanden die Freibeuter ein Schlupfloch selbst im jetzt vorgelegten Forstwirtschaftsplan, der selbst nach wie vor den Geist des sächsischen Waldgesetzes atmet, nachdem die forstliche Bewirtschaftung selbst da zu bewerkstelligen ist, wo geschützte Waldgebiete eigentlich dringend geschont werden müssen.

Denn eine Revitalisierung der kompletten Elster-Luppe-Aue ist zwingend mit einem umfassenden Schutz der vorhandenen Waldbestände zu verbinden. Mittlerweile leidet ja auch der Auenwald unter Dürreschäden – und zwar meistens genau da, wo fortstwirtschaftlich eingegriffen wurde.

Aber nur langsam ändert sich in Leipzigs Verwaltung das Denken darüber, wie mit dem Auensystem eigentlich umgegangen werden müsste, um es als lebendiges Waldbiotop zu erhalten. Und gerade das Umweltdezernat tut sich schwer damit, von den uralten Planungen für eine wassertouristische Nutzbarmachung Abschied zu nehmen.

Das zumindest liest die Freibeuter-Fraktion aus dem unter „Grundsätze der Bewirtschaftung des Stadtwaldes Leipzig“ zu findenden Sätzen heraus: „Die wichtigste Aufgabe der Bewirtschaftung im Leipziger Auenwald ist die nachhaltige Sicherung des Baumartenreichtums sowie der Strukturvielfalt der Hartholzaue, um dadurch die gesamte Biodiversität (Artenreichtum) zu erhalten. Dabei muss die Bewirtschaftung so erfolgen, dass alle Waldfunktionen, insbesondere die Erholungsfunktion des Leipziger Auenwaldes ausreichend gewahrt werden.“

Gerade dieses „insbesondere“ stößt den Freibeutern sauer auf. Warum soll ausgerechnet die Erholungsfunktion gegenüber dem Artenschutz Vorrang haben? Sollte sie nicht eher genau darauf Rücksicht nehmen und sich zurücknehmen?

Nach den Freibeutern müsste der Satz lauten: „Dabei muss die Bewirtschaftung so erfolgen, dass alle Waldfunktionen, prioritär unter Naturschutz- und Klimaaspekten, aber auch unter Berücksichtigung der Erholungsfunktion des Leipziger Auenwaldes ausreichend gewahrt werden.“

Was sie in ihrem Änderungsantrag auch begründen: „Der ursprüngliche Satz insistiert eine mögliche Abweichung von Umweltschutz- und Klimaaspekten, wenn diese der Erholungsfunktion (die nicht näher definiert ist) entgegensteht. Hier wären z. B. forstwirtschaftliche Maßnahmen zugunsten des wassertouristischen Konzeptes gegenüber dem Auenentwicklungskonzept möglich.“

Denn auch das ist ein Problem des Forstwirtschaftsplans genauso wie der zugrunde liegenden und vom Stadtrat 2015 noch recht gedankenlos beschlossenen Forsteinrichtung: Das Auenentwicklungskonzept, mit dem ja die komplette Auenlandschaft endlich gerettet und wieder zur natürlicheren Flussaue werden soll, liegt frühestens 2023 vor. Was bis dahin im Wald „umgebaut“ wurde, ist irreversibel.

Und es ist mittlerweile eben nicht nur das fehlende Wasser, das den Auenwald hochgradig unter Stress setzt, sondern es sind auch die oft heftigen forstlichen Eingriffe der jüngeren Zeit. Selbst das Amt für Stadtgrün und Gewässer stellt in der Vorlage fest, dass der Forstwirtschaftsplan 2018 laut Oberverwaltungsgericht nicht vollzogen werden darf, „soweit dieser Sanitärhiebe, Femelhiebe, Schirmhiebe und Altdurchforstungen innerhalb des FFH-Gebietes ,Leipziger Auensystem‘ und des Vogelschutzgebietes ,Leipziger Auwald‘ vorsieht, bevor eine Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Grünen Liga durchgeführt wurde.“

Diese Verträglichkeitsprüfung ist bis heute nicht erfolgt. Weshalb sich der neue Forstwirtschaftsplan lieber auf Jungbestandsdurchforstung, Totholzkonzept und Starkbaumkartierung fokussiert.

Was zumindest ein erster Schritt hin zu einer anderen Behandlung des Auenwaldes ist, auch wenn die ganze Vorlage noch immer betont, dass man der Baumartenvielfalt wegen forstwirtschaftlich eingreifen müsse.

Es gibt noch einen zweiten Änderungsantrag aus der SPD-Fraktion: „Der Oberbürgermeister wirkt darauf hin, dass durch das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport künftig eine vorausschauende Öffentlichkeitsarbeit bzgl. der Thematik des Waldumbaus durchgeführt wird.“

Das ist aber schon einmal schiefgegangen, weil sich nun einmal schlecht erklären lässt, warum Schirm- und Femelhiebe gut für den Wald sein sollen, wenn die Schäden dieser Vorgehensweise dann für alle Waldbesucher offen sichtbar sind. Auch das so lang benutzte Wort Mittelwaldbewirtschaftung ist verschwunden. Jetzt ist von Hochwaldbewirtschaftung die Rede, eigentlich deutliches Zeichen dafür, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts in Bautzen zur Klage der Grünen Liga das Wesentliche getroffen hat.

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