Im Grund hatte Stadträtin Jessica Heller (CDU) ja recht, als sie anmerkte, dass letztlich das Thema nicht ganz richtig bei der Leipziger Verwaltung, dem Rechtsamt oder anderen Dezernaten der Stadt Leipzig aufgehoben ist. Ob sie damit auch meinte, dass das derzeitige unter Strafe stellen des sogenannten „Containerns“ oder eben „Lebensmittel retten“ in Deutschland grundfalsch ist, blieb offen. Das hingegen prangerte Michael Neuhaus für die Linksfraktion deutlich an. Die Frage ist: Findet Leipzig einen eigenen Weg der legalen Umverteilung von Lebensmitteln?
Den Auftrag zumindest will sich die Stadtverwaltung sogar selbst stellen. Schon in seiner Einführung in das Thema wies Michael Neuhaus auf den Umstand hin, dass es selbst laut höchstrichterlicher Entscheidung in Karlsruhe verboten ist, noch verwertbare Lebensmittel aus den Tonnen und Müllcontainern großer Handelsketten zu retten.12 Millionen Tonnen Lebensmittel werden allein in Deutschland für die Mülltonne produziert, gekauft oder bleiben in den Regalen liegen, so auch Stadträtin Jessica Heller für die CDU. Je nach Perspektive ist es sogar noch mehr, auch „Abfälle“, wie sie bereits in der Produktion anfallen, wurden in Zeiten, als Tiere noch umfänglich verwertet wurden, verkonsumiert.
Der entscheidende Ansatzpunkt – neben der Reduktion der Überproduktion – ist seit Jahren die Verwertung wenigstens all dessen, was da so in den Großmärkten an Obst, Gemüse und sonstigen Esswaren ausliegt. Noch immer um – vom Verbraucher aufgrund kleinster Druckstellen oder auch nur kurioser Formen liegen gelassen – am Ende nicht einmal bei jenen zu landen, die sich frische Lebensmittel kaum leisten können.
Gehen diese dann jedoch los, um in den Abfallcontainern der Ketten zu stöbern, handelt es sich um Diebstahl.
Darauf verwies Michael Neuhaus, als er forderte, dass der Stadtrat dem Verwaltungsstandpunkt zustimmen solle, auch wenn dieser nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“ sei. Dennoch könne er dazu führen, dass am Ende wenigstens ein paar Menschen davon partizipieren oder „weniger Menschen eine Vorstrafe in der Akte stehen haben, nur weil sie Lebensmittel gerettet haben“.
Bei der Verwaltung selbst bedankte sich der Linke gleich noch, denn natürlich hätte die Stadtverwaltung auch sagen können: Das ist ein Bundesthema, geht uns nichts an, da können wir nichts machen.
Denn wenigstens will man sich mit dem Thema jetzt einmal lokal befassen und „eine konzeptionelle Vorstudie zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung und Umverteilung geretteter Lebensmittel (…) erarbeiten. Diese beinhaltet die inhaltliche Recherche und Vernetzung relevanter Akteure mit dem Ziel der gemeinsamen Konzepterstellung zur Maßnahmenumsetzung innerhalb der Stadtbevölkerung“, so die Verwaltung.
Relevante Akteure gibt es bereits in Leipzig, denn in der Messestadt werden mehr und mehr Lebensmittel gerettet, verkonsumiert oder gar bereits an andere weiterverteilt. Der Vorteil gegenüber der „Tafel“ ist dabei, dass die soziale Herabwürdigung passiver Hilfebedürftigkeit einer gemeinsamen Aktivität weicht, die auch noch als hochsolidarisches Handeln im Sinne einer guten Sache verstanden wird.
Gelänge es der Stadtverwaltung bei ihren Recherchen, diese wachsende Szene in eine Verbindung mit freiwillig mitmachenden Ladengeschäften und wohl eher regionalen Handelsketten, Bäckereien und anderen Anbietern zu bringen, könnte etwas wirklich Neues in Leipzig entstehen. Dass sich da einige finden könnten, zeigte die Wortmeldung von Stadtrat und Bäckermeister Andreas Geisler (SPD). Er wies bereits proaktiv darauf hin, dass es wichtig sei, einen Nachweis über gespendete Lebensmittel zu erhalten, da man auch diese Mengen gegenüber den Behörden nachweisen müsse.
Was letztlich Zustimmung mit der Idee signalisierte, die von der großen Mehrheit im Rat dann bei der Abstimmung geteilt wurde.
Nun heißt es warten, was die Verwaltung kreiert. Man kann natürlich auch als Handelsunternehmen auf sie zugehen und selbst Vorschläge machen.
Die Debatte vom 24. März 2021 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
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