Der geplante Ausbau des Frachtflughafens Leipzig/Halle stößt weiter auf scharfe Kritik. Am Montag übergaben Flughafen-Gegner der Landesdirektion im Rahmen einer Kundgebung, an der rund 50 Personen teilnahmen, 7.500 Bürgereinwände gegen die beantragte Änderung des Planfeststellungsbeschlusses. Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung bekannte sich unterdessen zu den Ausbauplänen.

Die Ausbaugegner kritisieren, dass der Flughafen überhaupt noch weiter ausgebaut werden soll. „Es reicht“, sagt Matthias Zimmermann, Sprecher der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“. „Die Geschichte des Ausbaus des Flughafens Leipzig/Halle ist nachweislich eine Geschichte von Lügen, Halbwahrheiten und Versprechungen von Politik und Verwaltung gegenüber den Bürgern.“

Mit dem Ausbau will DHL seine Kapazität am Flughafen um bis zu 67 Prozent erweitern. Das bedeute eine massive Zunahme der Lärm- und Klimabelastung, sowie des Ausstoßes von Ultrafeinstaub, nicht nur für Leipzig, sondern für die ganze Region.

„Statt einer Intensivierung des Frachtflugverkehrs soll der Freistaat eine klimagerechte Verkehrswende einleiten, zum Beispiel durch eine schrittweise Verlagerung der Fracht auf die Schiene“, so Elisabeth Reckmann vom „Aktionsbündnis gegen den Flughafenausbau“. Dieses besteht aus verschiedenen Bürgerinitiativen und Verbänden rund um das Thema Fluglärm, Vertreter der Klimabewegung und Umweltverbänden, sowie aus Mitgliedern einzelner Parteien. Die Aktivisten kritisieren die mangelnde Bürgerbeteiligung zum Ausbauvorhaben. Die seit dem 16. November laufende „öffentliche Auslegung“ der Pläne sei zu kurz, für Laien nicht durchschaubar und durch die Einschränkungen in der Pandemie nicht oder nur mit ungeheurem Aufwand sachgerecht überprüfbar gewesen.

Der Landesdirektion Sachsen, die die Pläne nun prüfen soll, wurde daher eine Protestnote übergeben, verbunden mit der Forderung, dass die über 7.500 Ablehnungen des Flughafenausbaus der derzeit laufenden Petition „Kein weiterer Ausbau des Frachtflughafens Leipzig/Halle“ gemäß dem Petitionstext als reguläre „gleichlautende Einsprüche“ gewertet und bearbeitet werden.

Anna Kaleri, Leipziger Stadträtin und Mitglied des Landesparteirates der Grünen Sachsen, forderte heute parallel zur Demonstration die Neufassung des Planfeststellungsverfahrens, da sie gravierende Mängel bei der Bürgerbeteiligung und den bisherigen Aufstellungen sieht. So enthielten die „rund 3400-seitigen Unterlagen eine Vielzahl von Detailinformationen. Um die komplexe Auswirkung der geplanten Maßnahmen einzuschätzen, wäre Beratung notwendig,“ so Kaleri.

Zudem habe eine im Stadtrat Leipzig am 10. Juni 2020 beschlossene Informationsveranstaltung dazu bis heute nicht stattgefunden. Und es wurde sogar „in der Adressangabe für die Einwendungen nachweislich eine falsche Postleitzahl angegeben, sowohl online als auch im Leipziger Amtsblatt.“

Bis vorige Woche waren trotz einiger Formalfehler bereits über 700 weitere Einwendungen von Anwohnern, Betroffenen und Kommunen bei der Landesdirektion Sachsen eingegangen. Eine hatte es besonders in sich. In dieser legte der 16-jährige David Dzialas auf neun Seiten dar, welche Umweltfolgeschäden eine Erweiterung des Flughafens mit sich bringen – und forderte, dies in die Planungsbeschreibung aufzunehmen und den Ausbau zu stoppen.

Am heutigen Montag endete die Einspruchsfrist im Planfeststellungsverfahren. Die Aktivisten stellen schon heute weitere Proteste in Aussicht. „Was im letzten Jahr der Widerstand gegen die A49 war, könnte in diesem Jahr der Protest gegen Flughafenausbauten werden“, mahnt Reckmann.

Arbeitsplätze contra Umweltschutz?

Die geplante Erweiterung des Flughafens ist ein Politikum. Die Befürworter verweisen vor allem auf die Arbeitsplätze, die rund um das DHL-Hub neu entstehen werden. Hier und da ein seltsames Argument – schon jetzt, vor dem Ausbau, fehlt der DHL genau hier Personal.

Gegenüber MDR Sachsen befürwortete zuletzt Oberbürgermeister Burkhard Jung die Ausbaupläne. Der SPD-Politiker forderte zugleich aber einen besseren Schutz für Anwohner vor den Auswirkungen des nächtlichen Fluglärms. „Wir wollen ein Lärmschutzgutachten auf einem anderen Niveau, wir möchten das Nachtschutzgebiet neu diskutieren, und wir wollen die Kurze Südabkurvung verhindern“, sagte Jung.

Den Flughafen hält der Verwaltungschef „essenziell für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und der Region“. Die Ausbaugegner argumentieren mit schädlichen Einwirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt. In Leipzig/Halle gilt für Frachtflieger kein Nachtflugverbot. Deshalb ist der Flughafen bei Schkeuditz eines der wichtigsten Luftfrachtdrehkreuze in Europa.

Hinzu kommt nun auch noch eine Diskussion über die militärische Nutzung des Flughafens und das geschwundene Vertrauen in die Betreiber. In den vergangenen Jahren erlebten die Anwohner auf ihre Einsprüche stets eine Hinhaltetaktik statt einer gemeinsamen Lösungssuche.

Update: Landesdirektion Sachsen sagt Prüfung der Einsprüche bei „konkreter persönlicher Betroffenheit“ zu

Im Nachgang an die Kundgebung vom 15. Februar 2021 teilte die Landesdirektion Sachen mit: „Vertreter von Bürgerinitiativen gegen die geplanten Erweiterungen des Flughafens Leipzig-Halle haben heute in der Leipziger Dienststelle der Landesdirektion Sachsen (LDS) ein Positionspapier und einen Ordner mit Kommentaren zur (Online-) Petition `Kein weiterer Ausbau des Frachtflughafens Leipzig-Halle` übergeben.“

Die zusammengestellten Papiere habe der Abteilungsleiter Infrastruktur der LDS, Godehard Kamps entgegengenommen. „Er würdigte das Engagement der BI im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zum laufenden Planfeststellungsverfahren bezüglich der Vorfelderweiterung am Flughafen Leipzig-Halle.“

Weiter hieß es: „Soweit die übergebenen Unterlagen konkrete persönliche Betroffenheiten erkennen lassen, sagte er eine Prüfung im Rahmen des laufenden Planfeststellungsverfahrens zu.“

Video-Impressionen von der Kundgebung am 15. Februar 2021

Video: LZ, Martin Schöler

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Es gibt 2 Kommentare

Zugegeben finde ich das auch nicht überwältigend, aber immerhin beachtlich, wenn man bedenkt, dass diese Thematik durch die Politik und Verantwortlichen seit Ewigkeiten verwässert, verschleiert und ausgesessen wird. Ich wünschte, es wäre Massen an Menschen.
Da die rechtliche Handhabe der Betroffenen beschränkt ist / wurde, ist das nun eher ein ungleicher Kampf David gegen Goliath.
Dass dann irgendwann die Puste raus ist, verstehe ich.
Die offensichtlich nicht enden wollende Ungerechtigkeit stärkt den jetzt Rebellierenden noch den Rücken.
Und ich tue es begrenzt, wo ich kann, da ich nicht direkt betroffen bin.

7500 sind eine ungemeine Macht…
Bissel wenig, wenn immer von hunderttausende n von betroffenen die Rede ist.

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