Das kann man jetzt durchaus als Mahnung an einige Verantwortliche in Leipziger Amtsstuben lesen, was der Petitionsausschuss als Kompromissformel zu einer Petition gefunden hat, in der die Stadt aufgefordert wird, sich um die Wiedereinreise der im November abgeschobenen Hebamme Adelina Ajeti zu bemรผhen.
Denn dass die junge Hebamme einfach abgeschoben wurde, obwohl sie in Sachsen lรคngst eine Arbeitserlaubnis und eine entsprechende Aufenthaltsgenehmigung hรคtte haben kรถnnen, hat mit der Untรคtigkeit auch einiger Leipziger รmter zu tun โ wenn man mal von der bรผrokratischen Abwicklung in der Chemnitzer Auslรคnderbehรถrde absieht, die lieber den Abschiebewรผnschen eines erbarmungslosen Innenministers willfรคhrt, als lรคngst integrierten Auslรคnder/-innen in Sachsen auch den Weg zu belastbaren Aufenthaltstiteln zu ermรถglichen.
Die Abschiebung von Adelina Ajeti war ja nicht der erste Fall, in dem in einer รผbernรคchtlichen Abholaktion einfach vollzogen wurde, was sich bรผrokratische Geister in der deutschen Auslรคnderpolitik ausgedacht haben. Da werden Familien auseinandergerissen, Schรผler direkt aus der Schule abgeholt, Auszubildende aus der Werkstatt. Als gรคbe es im Freistaat nichts Wichtigeres, als die Abschiebeflรผge des Innenministers zu fรผllen.
Das Leipziger Ordnungsamt hatte in seiner Stellungnahme zur Petition aus voller Brust erklรคrt: โInnerhalb der Stadtverwaltung sind keine unterschiedlichen fachlichen Beurteilungen aufgetreten.โ
Wobei das nicht die Frage betrifft, ob die junge Hebamme aus dem Kosovo hรคtte abgeschoben werden dรผrfen oder nicht. Diese Entscheidung fiel in der Auslรคnderbehรถrde in Chemnitz. Hier ging es eher um die Frage, ob eine Leipziger Behรถrde รผberhaupt Einfluss hatte auf die letztliche Entscheidung in Chemnitz.
โAus datenschutzrechtlichen Grรผnden sind auch im Rahmen von Petitionsverfahren Auskรผnfte zu Drittpersonen nicht mรถglich. Ohnehin liegt der angefragte Sachverhalt weder im Zustรคndigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern, fรผr Bau und Heimat noch in dem des Sรคchsischen Staatsministeriums des Innernโ, meinte das Leipziger Ordnungsamt, dem auch die Leipziger Auslรคnderbehรถrde angegliedert ist.
โDennoch kรถnnen einige grundsรคtzliche Hinweise gegeben werden. Sofern Personen von einer Wiedereinreisesperre betroffen sind, kann ein Antrag auf Verkรผrzung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gem. ยง 11 Abs. 4 AufenthG bei der Auslรคnderbehรถrde Leipzig gestellt werden.โ
Leipzig hรคtte also durchaus Mรถglichkeiten, mit entsprechender fachlicher Prรผfung die Wiedereinreise von Adelina Ajeti zu ermรถglichen.
โSollte diesem Antrag entsprochen werden, kann nach Ablauf der Frist ein entsprechendes Einreisevisum bei der zustรคndigen deutschen Auslandsvertretung beantragt werdenโ, meint das Ordnungsamt.
โAn dieser Stelle kann auf die vorherige Durchfรผhrung eines beschleunigten Fachkrรคfteverfahrens nach ยง 81a AufenthG verwiesen werden, mit dem Ziel der Ausstellung einer Vorabzustimmung, welche die Bearbeitungszeiten hinsichtlich des Visumverfahrens deutlich verkรผrzt. Im Rahmen des beschleunigten Fachkrรคfteverfahrens wรคre fรผr die spรคtere Beschรคftigung zu prรผfen, ob die im Ausland erworbene Qualifikation einem deutschen Berufsabschluss gleichwertig ist.โ
โIm Falle einer Gleichwertigkeit des auslรคndischen Berufsabschlusses kรถnnte die Prรผfung hinsichtlich einer entsprechenden Beschรคftigung erfolgen. Werden Unterschiede in der Berufsqualifikation festgestellt, mรผssten diese durch Qualifizierungsmaรnahmen ausgeglichen werden. Dies kann durch einen entsprechenden Anpassungslehrgang oder eine Prรผfung geschehen. In beiden Fallvarianten wรคre die Erteilung eines entsprechenden Aufenthaltstitels mรถglich, sofern auch die sonstigen aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen erfรผllt werden.โ
Das klingt erst einmal logisch und ganz so, als hรคtte Leipzig bislang alles richtig gemacht.
Aber das sah dann der Petitionsausschuss des Leipziger Stadtrates ganz und gar nicht so. Er hat die Stellungnahme des Ordnungsamtes nicht รผbernommen, sondern schlรคgt als Alternativvorschlag vor:
โDie Verwaltung wird aufgefordert, im Falle einer erneuten Antragsstellung alle Umstรคnde des Einzelfalls zu prรผfen.โ
Das hรคtte auch schon vor der Abschiebung geschehen kรถnnen, ist es aber nicht. Denn in der Regel brauchen die Antragsteller dafรผr spezielle anwaltliche Beratung. Wenn die Anwรคlte nicht wissen, bei welcher Behรถrde sie wann welche Antrรคge stellen mรผssen fรผr ihre Mandanten, passiert gar nichts. Dann mahlen die Mรผhlen der Bรผrokratie. Und wenn sie abgelaufen sind, kommen die Polizisten und holen den โDelinquentenโ ab. Mittlerweile unter zunehmendem Protest vieler Leipziger, die diese Umgangsweise mit Menschen, die hier lรคngst Fuร gefasst haben, schlichtweg unpassend und inhuman finden.
Aber der zweite Satz hat es in sich, den der Petitionsausschuss formuliert. Denn er besagt, dass die hier versammelten Stadtrรคt/-innen auch den Leipziger รmtern eine gewisse Scheuklappenmentalitรคt attestieren: โDie Zusammenarbeit der stรคdtischen Behรถrden wird verbessert.โ
Was ja auch heiรt: Leipzigs Verwaltung sollte sehr wohl frรผhzeitig aktiv werden, wenn sich solche Vorfรคlle anbahnen. Darauf, dass der Innenminister oder die Behรถrde in Chemnitz die Verfahrensweise รคndern, ist nicht wirklich zu rechnen. Und oft hilft schon eine frรผhzeitige Beratung, ein solches Drama zu verhindern. Nur muss man da frรผhzeitig Hinweise geben und Kontaktstellen nennen.
Der Satz hat wirklich viele Implikationen. Und eine ist auch, dass die gewรคhlten Stadtrรคt/-innen sich nicht mehr damit abspeisen lassen, dass Leipzigs Behรถrdenmitarbeiter/innen in ihrer Arbeit einfach aufhรถren, ihre menschliche Verantwortung gegenรผber ihrer Mitwelt wahrzunehmen. Auch die Verwaltung hat ihren Teil dazu beizutragen, dass in Leipzig Humanismus gelebt wird und nicht nur an Feiertagen mit wohlklingenden Worten beschworen.
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