Gibt es diesen Leerstand in Leipzig รผberhaupt? Die Stadtverwaltung jedenfalls ist sich sicher, bereits jetzt genug zu tun, um diesem entgegenzuwirken. Aber, und das ist wohl ein dickes Aber, gleichzeitig musste sie vor der heutigen Ratsversammlung in ihrem Standpunkt zum Linkenantrag โspekulativem Leerstand entgegentretenโ einrรคumen, eigentlich keinen echten รberblick รผber leerstehende Hรคuser in Leipzig zu haben. Sei auch nicht nรถtig, denn man erhebe auf anderem Wege Zahlen รผber den Immobilienbestand der Stadt.
Und zwar behelfe sich die Stadt Leipzig โgesamtstรคdtisch mit einem Verfahren, welches den Wohnungsleerstand schรคtzt. Dies erfolgt รผber den Abgleich der Fortschreibung des Gesamtwohnungsbestands mit den im Haushaltegenerierungsverfahren ermittelten Haushalten. Dabei werden keine adressbezogenen Leerstandsdaten fรผr einzelne Gebรคude ermittelt.โ Mit einzelnen Projekten wรผrde man sich jedoch bereits um leerstehende Hรคuser fortlaufend kรผmmern.Darรผber hinaus steht laut Verwaltung ein neuer Zensus ins Haus. 2022 wird eine neue โGebรคude- und Wohnungszรคhlung durchgefรผhrt โ welche voraussichtlich mehr Informationen bereitstellen wird.โ Dann habe man aufgrund der Auskunftspflichten seitens der Wohnungseigentรผmer oder -verwalter Ergebnisse zur Hand, welche 2023 /2024 Licht in den Bestand und den Leerstand Leipzigs bringen soll.
Die Idee einer Kartierung zum jetzigen Zeitpunkt hingegen sei personell nicht leistbar, bringe auch keine Erkenntnisse รผber die Wohnraumgrรถรen und den genaueren Zustand der leerstehenden Immobilien.
Dass das Interesse an einem รberblick nicht erst 2024 hoch ist, zeigt jedoch ein weiterer Antrag der Grรผnen, welche ebenfalls eine Erfassung beantragt haben und auf bis zu 400 leerstehende Hรคuser hoffen, welche gemeinsam mit den Eigentรผmern wieder instand gesetzt werden kรถnnten.
Schwierig wird auch dies allemal โ die meisten der Hรคuser, welche seit letztem Jahr Stรผck um Stรผck durch die LZ und ihre Leser gesucht und hier in eine Karte eingetragen werden, sind in einem teils sehr kritischen Zustand. Viele sehen zudem so aus, als ob sie eher keine Zeit mehr bis zu ihrer Entdeckung durch die Stadt in den kommenden Jahren hรคtten.
Die Linke will eine Lรถsung bis zum Frรผhjahr 2021
Dagegen klingt natรผrlich der Antrag der Linksfraktion ein wenig zupackender und ist mit mehr Aufwand verbunden. So soll die Verwaltung โab sofort stรคndig leerstehende Mietwohnungen erfassen und abrufbar machen. Die systematische Erfassung soll neben der Lage, der Grรถรe auch zwischen marktaktiven und nicht-marktaktiven leerstehenden Wohnungen differenzieren kรถnnen. Das Prรผfergebnis ist bis Ende des I. Quartals 2021 dem Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau vorzulegen.โ
Zudem wรผnscht man sich mehr Druck auf jene Hauseigentรผmer, die bei einem Leerstand von lรคnger als drei Monaten, also wohl deutlich eher als heute, bereits etwas von der Stadt hรถren sollen. Bei lรคnger als sechs Monaten Leerstand soll der Oberbรผrgermeister prรผfen, ob es Sanktionsmรถglichkeiten gibt.
Das Prรผfergebnis darรผber und ob es Mรถglichkeiten gibt, mit Unterstรผtzung der Handwerkskammer mehr Personal fรผr Instandsetzungen von Hรคusern zu finden, ist dem Stadtrat bis zum Ende des I. Quartals 2021 vorzulegen.
Die Debatte
In der Einbringung wies Mathias Weber (Linke) darauf hin, dass man im Stadtbild noch zu viele Hรคuser sehen wรผrde, die leerstehen. Unser Antrag โrichtet sich gegen den spekulativen Leerstandโ, zentral ginge es erst einmal um die Erfassung und einem stรคrkeren Fokus auf die Lรถsungen.
Zudem habe sich herausgestellt, dass auch komplett ausgebuchte Handwerksfirmen ein Problem seien. Eines, welches man mit der Handwerkskammer klรคren kรถnnte.
โUnd wenn man die schwarze Schafe findet, muss man eben auch gucken, welche Druckmittel man hat.โ, so Weber. โDer Verwaltungsstandpunkt ist uns zu schwach ausgefallen.โ Tobias Peter signalisierte erwartungsgemรคร die Zustimmung seiner Grรผnen-Fraktion, stellte aber die Fertigstellung des Konzeptes bis zum Ende des I. Quartals infrage. Man sei einfach im Zeitrahmen durch die Sitzungen im Rรผckstand.
Dr. Sabine Heymann (CDU) sah einen Widerspruch zwischen dem Druckpotential des Antrages und der Notwendigkeit, dann doch miteinander reden zu mรผssen. โWas ist denn spekulativer Leerstandโ, fragte Heymann und wie kann man das von auรen sehen. Dazu fรผhrte sie alle anderen mรถglichen Grรผnde wie zerstrittene Hauseigentรผmergemeinschaften oder finanziell schwache Hauseigentรผmer an, wie sie auch im Sozialreport der Stadt zu finden waren. So gesehen, scheint es fรผr die CDU keine Spekulationsobjekte in Leipzig zu geben.
Sven Morlok (FDP, Freibeuter) stellte ein Rechtsproblem in Aussicht, sollte sich der Antrag der Linken darin mรผnden, dass Namen und Adressen leerstehender Immobilien und Wohnungen durch die Stadt bekannt gemacht wรผrden. โDie Stadt darf keine leerstehenden Wohnung mit Adresse รถffentlich machen, dies ist rechtswidrig.โ, so Morlok.
Roland Ulbrich hingegen fuhr offenbar mangels tieferer Befassung fรผr die AfD die Sozialismus-Schiene und verwies ohne weiteren Sinn auf die DDR und das damalige Staatsbausystem, welches marode Hรคuser ergeben hรคtte. Er รผbersah offenbar, dass niemand in diesen Zusammenhรคngen eine Enteignung der Hauseigentรผmer beantragt oder eine Verstaatlichung des Wohnungsbaus in Leipzig ins Auge gefasst hatte.
Mathias Weber bestรคtigte anschlieรend, dass die mรถglicherweise ermittelten Spekulationsobjekte nicht รถffentlich abrufbar sein sollten, sondern nur fรผr involvierte รmter der Stadt Leipzig. Statt dem ersten Quartal 2021 mรผsste nun natรผrlich das zweite Quartal, also bis Ende Juni dieses Jahres, fรผr eine Konzeptvorlage durch die Verwaltung gelten.
Frank Tornau (CDU) stellte in Aussicht, dass sich die CDU dem Verwaltungsstandpunkt anschlieรen wรผrde.
Die Verwaltung kann knapp รผberzeugen
Baudezernent Thomas Dienberg (Grรผne) erlรคuterte zum Abschluss, dass das Anliegen klar sei und dass spekulativer Leerstand von niemandem gewรผnscht sei. Gleichzeitig stellte er noch einmal klar, dass die jetzigen Regularien, zumal in den Erhaltungssatzungsgebieten, bereits ausreichen wรผrden. Zudem habe die Verwaltung die rechtlich mรถglichen Maรnahmen wie den Zensus und die Schรคtzungen sowie den Kontakt zu Hauseigentรผmern in ihrem Standpunkt klargemacht.
Langfristigem spekulativem Leerstand kรถnne man hingegen sehr wohl begegnen und dies geschรคhe auch bereits ab einem halben Jahr und bei klar nachgewiesenen Spekulationen.
Die erste Abstimmung erfolgte zum Verwaltungsstandpunkt und ergab 26 Ja- und 21 Neinstimmen bei 19 Enthaltungen. Damit war das vorgeschlagene Vorgehen der Verwaltung mit einiger Skepsis im Stadtrat angenommen.
Zur Vorlage der Stadt Leipzig (PDF)
Die Debatte vom 18. Februar 2021 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
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