René Demmler ist seit 1. Februar 2021 der neue Polizeipräsident Leipzigs. Und quasi auf Vorstellungsrunde bei Stadt, Presse und den eigenen rund 4.000 Beamten seiner neuen Arbeitsstätte. Einsatztechnisch kennt man ihn in Leipzig noch nicht, doch in Teil 1 des Gespräches deutete sich eine neue Gangart an. Mehr Prävention, mehr Personal und mehr miteinander reden. Nach innen und außen. In Teil 2 kommt nun etwas Butter zum Fisch: Waffenverbotszone, Verhältnis Polizei und Stadtverwaltung, Kennzeichnungspflicht und Silvester am Kreuz.
Dass Prävention und Gespräche allein nicht genügen, liegt in der Arbeitsplatzbeschreibung René Demmlers. Neben dem Gespräch und der Prävention stehen Kriminalitätsverfolgung und irgendwann auch der erste größere Einsatz in der Messestadt. Noch jungfräulich vor Ort bleibt im zweiten Teil des LZ-Gespräches mit ihm also nur ein Blick zurück und seine Sicht auf den Polizeieinsatz bei der „Querdenken“-Demo am 7. November 2020 in Leipzig.Und eher allgemeine Haltungsfragen, wie die zur Kennzeichnungspflicht von Beamten, Waffenverbotszonen, der Kooperation mit der Stadt Leipzig und zum sagenumwobenen Connewitz im Allgemeinen. (Hier geht es zu Teil 1 des LZ-Gespräches mit René Demmler)
Zur Person
René Demmler (49), Polizeipräsident, war seit Juli 2020 Leiter der Polizeidirektion Zwickau, zuvor ein Jahr lang Leiter im Referat 32 (Organisation, Planung, Controlling und Strategie der Polizei) im Sächsischen Staatsministerium des Innern sowie von Februar 2017 bis Juni 2019 Leiter des Führungsstabes in der Polizeidirektion Dresden.
Herr Demmler, am 7. November 2020 fand in Leipzig mitten im zweiten Lockdown der Coronapandemie eine Demonstration der sogenannten „Querdenker“ mit bis zu 40.000 Teilnehmer/-innen statt. Die Wirkung auf die Leipziger Bevölkerung war nachhaltig und drückte sich in einem hohen Maß an Verärgerung aus.
Wie haben Sie diesen auf Deeskalation ausgerichteten Einsatz, die irgendwie schiefe Situation mit Maskenpflicht einerseits und dem Geschehen andererseits von außen erlebt und wie sehen Sie das Gesamtgeschehen in der Rückschau? Hätte man diese Versammlung auch trotz des hohen Gutes des Versammlungsrechtes „ausfallen lassen müssen“?
Also ich kann bestätigen, dass man so etwas auch mal ausfallen lassen kann, wenn es das Infektionsgeschehen tatsächlich mal nicht zulässt. Dann ist es eben so. Konkret zu der „Querdenker“-Demonstration glaube ich, dass die Situation, die sich dann vor Ort ergeben hat, mit all den Auswirkungen in meinen Augen wahrscheinlich war. Wir handeln als Polizei nicht einfach eine fünfstellige Menschenmenge mit normalen polizeilichen Mitteln ab.
In Bezug auf den Versammlungsort und dem, was da beabsichtigt war, waren wir – Polizei und Stadtverwaltung – im Vorfeld nicht gut genug, den Versammlungsbescheid der Stadt Leipzig gerichtsfest zu gestalten. Dabei schiebe ich ausdrücklich nicht der Stadt Leipzig die Schuld zu. Auch wir müssen da sorgfältiger sein und in die Gefahrenprognose vorab Fakten bringen, damit der Bescheid also revisionsfest ausgestaltet werden kann. Und dann kommen wir gar nicht erst in so eine Situation wie am 7. November.
Wenn es so weit ist, wie hier, dann ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Ab da hat man zwar noch einen gewissen Spielraum, was man dann noch tun kann – aber der wird dann immer enger. Ab dann muss man sich im Sinne der Verhältnismäßigkeit eben fragen, was es im Sinne des Infektionsschutzes noch bringt, hier harte Mittel anzuwenden.
Also war der Einsatz selbst nachher gar nicht mehr anders möglich?
Meiner Meinung nach war das nur im Vorfeld vermeidbar. Egal wie man das alles kontrovers diskutiert: Die Durchsetzung der Corona-Maßnahmen ist wichtig, da hat die Polizei wenig Spielraum und es steht uns nicht zu, die Festlegungen des Gesetzgebers im Infektionsschutzgesetz ewig zu diskutieren. Wir haben sicher ein paar Auslegungsbereiche in der Anwendung, doch im Grunde geht es um Gerechtigkeit und Gleichbehandlung aller.
In der Tat haben wir uns das vor allem gefragt: Die meisten Menschen halten sich an die Maßnahmen, versuchen andere zu schützen und dann findet so eine Demonstration unter den Augen der Polizei statt.
Ja, das versteht dann keiner mehr.
Da dürften sie fast von der gesamten Leipziger Bevölkerung sprechen, die das Treiben reichlich fassungslos verfolgt hat. Die Diskrepanz war einfach zu groß.
Ich weiß, dass es in der Coronapandemie schon etwas Spezielles ist, gerade Versammlungen durchzuführen. Umso mehr muss es zwischen der Polizeidirektion und der Versammlungsbehörde der Stadt richtig gut klappen.
Dann haben wir nicht das Problem, dass am Ende ein Oberverwaltungsgericht noch Möglichkeiten von Eigeninterpretationen und eigenen Zählweisen bei den Versammlungsteilnehmern findet und auch noch eigene Berechnungen durchführt.
Ein OVG Bautzen, welches sich nach unseren Recherchen vom Veranstalter bzgl. der Unmöglichkeit des Bühnenaufbaus auf der Neuen Messe auch noch belügen lässt (dieser hatte behauptet, die Trailerbühne und das restliche Equipment könne da nicht aufgebaut werden, d. Red.).
Aber in der Tat ergab die Nachschau zu diesem Tag, dass in der Abstimmung zwischen Stadtverwaltung und Polizei – im Gegensatz zu den Jahren zuvor – etwas nicht stimmt. Offenbar herrschte auch die Angst, dass Informationen, welche die Polizei an die Versammlungsbehörde gibt, in Kreisen des Gegenprotestes – hier also unter anderem dem zivilgesellschaftlichen Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ – landen.
Haben Sie bereits Ansätze, die Kooperation mit der Stadtverwaltung, eventuell auch über den kriminalpräventiven Rat zu verbessern?
Ich denke schon, dass in Leipzig viel in der Zivilgesellschaft und auch sonst gemacht wird. Mir fehlt aber noch der konkrete Blick darauf, woran es in diesem speziellen Fall gelegen hat. Ich habe den Kontakt zur Stadt bereits gesucht und wir werden darüber sprechen, was wir verbessern können.
Also werden Sie, bevor es zur nächsten Großlage (Demonstration oder Ähnliches) kommt, auch über diesen Vorgang noch einmal mit der Stadt reden?
Ich denke, das ist essenziell. So viele Träger der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gibt es ja hier nicht. Da sollten also die beiden, die die Hauptverantwortung tragen, sich schon darüber unterhalten. Das ist auch mein Grundverständnis, wie ich es sowohl in Dresden erlebt und praktiziert habe, als auch in Zwickau.
Und nun kann man über die „Querdenker“ denken, was man will, aber die erste, die eine Demonstration von denen verboten hat, war die Versammlungsbehörde in Zwickau. Und lassen Sie sich versichert sein: vom Himmel fällt so etwas nicht.
Themenwechsel: Auch wenn Sie das Gebiet Leipzig noch nicht so für sich erkunden konnten, aber was halten Sie von der Waffenverbotszone entlang der Eisenbahnstraße? Oder besser, vom Konzept „Waffenverbotszone“ allgemein und was soll sie für die polizeiliche Arbeit bringen?
Ganz grundsätzlich ist die Waffenverbotszone an der Eisenbahnstraße ja nicht eingerichtet worden, um mal eine Waffenverbotszone einzurichten. Es gab das eine oder andere Ereignis, was dazu geführt hat. Selbstverständlich kann man das infrage stellen. Weiterhin kann ja der Handwerksmeister mit dem Cuttermesser da durch. Zudem denke ich, dass die Waffenverbotszone auch keine 100-prozentige Sicherheit bringen kann.
Ich glaube allerdings schon, dass es durch die expliziten Verbote Waffen zu tragen, die Möglichkeiten zu handeln und das zu unterbinden für die Polizei verbessert. Wir wollen da nicht den normalen Bürger gängeln, aber das Gefährdungspotential und die Menge der Einbringungen von Waffen werden durch die Überwachung natürlich gemindert.
Wissen Sie, warum ich die ganze Zeit so skeptisch schaue? Laut den Gesetzen kann ich doch so oder so in ganz Leipzig nicht mit einem Messer mit feststehender Klinge ab einer bestimmten Länge oder anderen Waffen herumlaufen, also mit mir führen?
Ist denn nicht eigentlich ganz Leipzig eine Waffenverbotszone, was diese in der Eisenbahnstraße ad absurdum führt? Wo also liegt der Unterschied, was nützt diese Regelung?
Die ganze Frage wird ja an der Eisenbahnstraße wissenschaftlich begleitet. Und es ist durchaus eine bundesweite Diskussion, ob das einen Sinn ergibt oder nicht. Ich denke, wir sollten die Evaluierung der Maßnahme abwarten, in der Hoffnung, dass diese dann ein Stück weit diese Frage klärt.
Wir warten also auf die Evaluierung und sprechen dann wieder. Ein ähnlich umkämpftes Thema ist die Kennzeichnungspflicht von Beamten im Einsatz. Wie stehen Sie zur Kennzeichnung konkret?
Wir haben in Sachsen ja eine gruppenweise Kennzeichnung. Damit ist der einzelne Beamte auch identifizierbar. Ich persönlich habe nicht einen Fall erlebt, wo es uns nicht gelungen wäre – wenn es hieß, der und der ist es, den wir suchen, hatten wir eine Gruppe (die kleinste polizeiliche Einsatzeinheit, d. Red.), also sechs oder sieben Leute. Und wenn man es wirklich wissen will, irgendwann wissen wir das.
Sie wollen sagen, es gibt kein Problem?
Meine Erfahrung mit vielen Fremdkräften ist, dass die Brandenburger und Sachsen-Anhaltiner einzeln gekennzeichnet sind und unsere auch gekennzeichnet sind, aber nicht einzeln. Ergebnis: regelmäßig kann uns immer niemand was sagen, während ich bei unseren Einheiten weiß, wer von uns da war und ich dann durchgreife.
Als Beispiel: 2019, 13. Februar in Dresden. Es wurden Journalisten in ihrer Arbeit von Polizeibeamten behindert. Da habe ich eine Runde gedreht und habe mich bei den Journalisten dafür entschuldigt. Und obwohl die betroffenen Beamten alle persönlich gekennzeichnet waren, konnte mir niemand sagen, wer da nun genau gemeint war.
Sie meinen also, es ändert nichts oder nicht viel, wenn jeder Beamte eine persönliche Nummer bekommt?
Ja, das ist mein Argument. Ansonsten halte ich mich in der Diskussion eigentlich zurück, aber bei uns kommt das immer so ein bisschen an wie: Was wollt Ihr denn nun noch alles? Also für mich macht es keinen Unterschied, weil ich davon überzeugt bin, dass wir herausfinden, wer es gewesen ist, wenn falsches Verhalten von Beamten vorliegt.
Letzte Frage: Es gibt seit Jahren Debatten rings um die Silvesternacht am Connewitzer Kreuz. Mal mehr, mal weniger. Davon haben Sie in Dresden oder Zwickau sicher ausreichend mitbekommen. Was hielten Sie aus Polizeisicht davon, wenn die soziokulturellen Zentren rings ums Kreuz eine Silvesterparty mit Bühne, Kultur, Buden usw. auf dem Connewitzer Kreuz veranstalten würden?
Denkbar. Ja.
Wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns auf das nächste, wenn Sie ein halbes Jahr im Amt sind.
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