Es waren die Gemeindemitglieder der Pfarrei Philipp Neri in Lindenau, die im September 2020 eine Petition schrieben, mit der sie ihren Wunsch äußerten, dass die Freifläche innerhalb der Wendeschleife der Straßenbahn der Linie 14 am S-Bahnhof Plagwitz in „Platz der Oratorianer“ umbenannt würde. Der Petitionsausschuss hatte sich nicht durchringen können, die Petition abzulehnen.

Eingereicht hatte die Petition Dr. Karl Placht, der in der Senioren-Union Leipzig aktiv ist. Anlass für die Petition war, dass die Oratorianer, die seit 90 Jahren als Seelsorger in Leipzig aktiv waren, Leipzig im November 2020 verließen.Und während die Petition eine lange Liste dessen aufblätterte, was die Oratorianer in dieser Zeit an Gutem getan hatten, verwies die Verwaltung in ihrer Stellungnahme auch auf die problematischen Stellen, die möglicherweise dazu beitrugen, dass die Oratorianer ihr Leipziger Engagement beendet haben.

„Nun geben die Oratorianer zum Ende des Kirchenjahres 2020 ihre Verantwortung als Pfarreiseelsorge ab und verlassen auch das Pfarrhaus der Pfarrei St. Philipp Neri Leipzig in Leipzig-Lindenau. Hierfür werden von den zuständigen Pfarrern der Pfarrei Philipp Neri verschiedene Gründe angegeben. Thematisiert wurde hierbei auch, dass der Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt nicht angemessen umgesetzt wurde, wobei auch Versäumnisse der Oratorianer thematisiert wurden“, kann man in dieser Stellungnahme lesen, die vom Petitionsausschuss auch übernommen wurde.

Der eingefügte Link freilich (https://www.tag-des-herrn.de/leipziger-oratorianer-entschuldigen-sich-bei-glaeubigen-fuer-fehler) ist inzwischen inaktiv. Entsprechende Stellungnahmen der Pfarrei Philipp Neri findet man hier und hier.

Die Stellungnahme der Stadt schließt mit deutlichen Bedenken: „Bei einer Entscheidung über die Platzbenennung einerseits die vorbildliche Leistung der Oratorianer im Dienste für das Gemeinwohl und beim Schutz von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubensrichtungen unter Inkaufnahme persönlicher Risiken zu verschiedenen Zeiten gewürdigt werden. Andererseits könnte eine Benennung im Kontext von Versäumnissen im Umgang mit dem Schutzerfordernis von Kindern vor sexuellen Übergriffen in jüngerer Zeit auf öffentlichen Widerspruch stoßen. In Abwägung dieser Kriterien wird zunächst eine Ablehnung der Petition im Lichte der jüngeren Vergangenheit empfohlen. Längerfristig sollte eine Auseinandersetzung der Gesamtleistung der Oratorianer in Leipzig erfolgen. Zu diesem Zwecke wird eine Aufnahme in den Straßennamensvorrat empfohlen sowie eine perspektivische Prüfung der Würdigung in Abwägung von beachtlichen Leistungen der Vereinigung ebenso wie deren Versäumnissen.“

Auch das übernahm der Petitionsausschuss so.

Am 20. Januar sprach dazu Dr. Beate Ehms in der Video-Konferenz der Ratsversammlung. Was dann für ein wenig Verwirrung sorgte, denn die Stadträtin der Linksfraktion ist ja auch Vorsitzende des Petitionsausschusses. Aber in ihrem Statement begründete sie nicht den Beschluss des Petitionsausschusses, sondern sprach für die Linksfraktion, die mit Bezug auf die beiden zitierten Stellen gegen die Vorlage des Petitionsausschusses stimmen wollte. Denn es bringe ja nichts, die Sache an ein weiteres Gremium – also die AG Straßenbenennung – weiterzuverweisen, um dann doch wieder kein Ergebnis zu bekommen.

Das Prozedere hat sich in Leipzigs Verwaltung mittlerweile eingebürgert, dass alle problematischen Vorschläge zu Straßen(um)Benennungen erst einmal in diese AG verwiesen werden, von der man freilich noch kein einziges Arbeitsergebnis erfahren hat. Aus der Taufe gehoben wurde die AG im Zuge der Diskussionen um die Umbenennung der Arndtstraße in der Leipziger Südvorstadt, dessen Antisemitismus und Franzosenhass mittlerweile vielen jüngeren Leipziger/-innen sauer aufstößt.

Die Sache mit den Oratorianern bleibt also erst einmal in der Schwebe, denn so konsequent wie die Linksfraktion dachte am 20. Januar die Stadtratsmehrheit noch nicht. 49 Stadträt/-innen unterstützten die Haltung des Petitionsausschusses, die Angelegenheit erst einmal in die AG Straßenbenennung zu verweisen, 16 stimmten dagegen, zwei enthielten sich der Stimme.

Die Debatte am 20. Januar 2021 im digitalen Stadtrat

 

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar