In der Sitzung des Fachausschusses Stadtentwicklung und Bau am 26. Januar werden zwei Fraktionsantrรคge aufeinanderprallen, die in einer gewissen Konkurrenz zueinanderstehen. Das ist der Antrag der Grรผnen, drei Pilotzonen fรผr flรคchendeckendes Tempo 30 in Leipzig einzurichten. Und es ist ein Antrag der Linken, Tempo 30 fรผrs ganze Stadtgebiet anzustreben.

Was der Leipziger Oberbรผrgermeister ja noch nicht darf. Was aber den Kern der Sache trifft, bei der es eben nicht um Motordrehzahlen und Spritverbrauch geht, auch wenn Leser โ€žSaschokโ€œ meint, dass das wichtig wรคre.

Nein, ist es nicht. Es erzรคhlt nur davon, dass unsere heutigen Automobile nicht fรผr die Stadt gebaut wurden, sondern fรผr schnelle Fahrten รผber gut ausgebaute Autobahnen. Der Autofahrer in einer Stadt wie Leipzig erreicht โ€“ egal wie schnell er unterwegs beschleunigt โ€“ eben doch nur 27 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Immer wieder muss er anfahren und abbremsen, nicht nur an Ampelkreuzungen. Das sind die Vorgรคnge, bei denen besonders viel Sprit verbraucht wird, Emissionen und Abrieb entstehen. Ergebnis: Ein Verkehr, der eben nicht flรผssig ist.

รœbrigens erst recht nicht aus Sicht der FuรŸgรคnger und Radfahrer, die oft deshalb nicht รผber die StraรŸe kommen, weil der eine Autofahrer mit Tempo 30 dahinschleicht, der nรคchste aber mit 50 km/h aufschlieรŸt und die โ€žLรผcke zufรคhrtโ€œ. Und da man meist mit Verkehr aus beiden Richtungen zu tun hat, ist das Ergebnis eine StraรŸe, die man als schwรคcherer Verkehrsteilnehmer minutenlang nicht queren kann.

Flรผssig sieht anders aus.

Und ein Auto fรผr den Stadtverkehr รผbrigens auch. Das wรผrde โ€“ wenn es die Ingenieure ernst nehmen โ€“ bei Tempo 30 seine sparsamsten Leistungen abliefern. Aber die Philosophie im deutschen Autobau lautet noch immer: Schnell, Stark, Schwer. Das hat mit dem Grundlastverkehr in Stรคdten nichts zu tun.

Kleiner Videotipp: Ein Herz fรผr SUVs (extra3 version)

 

Die Linksfraktion schlรคgt nun vor: โ€žDie Stadt Leipzig bekennt sich zum Ziel, als Regelgeschwindigkeit auf allen Leipziger StraรŸen Tempo 30 einzufรผhren. Der Oberbรผrgermeister setzt sich bis zum Ende des 2. Quartals 2021 beim Bundesverkehrsministerium fรผr einen entsprechenden Modellversuch (analog der Stadt Freiburg im Breisgau) ein. In die Prรผfung ist die Mรถglichkeit der Beantragung von Fรถrdermitteln einzubeziehen.โ€œ

Denn eigentlich wรคre das sogar Aufgabe von Burkhard Jung, der ja auch Prรคsident des Deutschen Stรคdtetages ist. โ€žDer Deutsche Stรคdtetag fordert die ,Regelgeschwindigkeit 30โ€˜ im urbanen Raum als Vereinheitlichung der Regeln schon seit Langem, weshalb auch unser Oberbรผrgermeister dieses Ansinnen sicher wohlwollend begleiten wird. Er sollte sich nun auch konkret fรผr dieses Ziel beim Bundesverkehrsminister einsetzen. Die Stadt Freiburg hat bereits einen entsprechenden Antrag beim Bundesverkehrsminister gestellt und Leipzig sollte diesem Beispiel folgenโ€œ, stellt die Linksfraktion fest.

โ€žAus sicherheits-, umwelt- und gesundheitspolitischen Grรผnden halten wir Tempo 30 innerorts fรผr รคuรŸerst unterstรผtzens- und nachahmenswert. Verkehrslรคrm und Unfรคlle kรถnnen reduziert, die Luft- und Aufenthaltsqualitรคt im Freien deutlich verbessert werden. AuรŸerdem wรคre die Einfรผhrung ein Beitrag zur Erreichung der Klimaziele.โ€œ

Die Grรผnen hatten, um die schon existierenden Freirรคume zu nutzen, die Einfรผhrung von drei Pilotzonen beantragt, die dabei auch wissenschaftlich begleitet werden sollen um zu erfassen, ob die flรคchigen Tempo-30-Zonen tatsรคchlich die Effekte bringen, die man sich von ihnen erhofft. Und zwar nicht nur bei Lรคrm und Abgasen, sondern auch bei der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer und bei der Verflรผssigung des Verkehrs.

Stรคdte, in denen Tempo 30 die Norm ist, kรถnnten durchaus auch die Modellpalette der Autobauer verรคndern, die nach wie vor auf PS-starke schnelle Autos setzen, die fรผr die Bedingungen des Stadtverkehrs in der Regel รผbermotorisiert sind. Man kann diese Autos nicht wirklich zum MaรŸstab dafรผr machen, wie Verkehr in einer Stadt organisiert werden sollte.

Die Ratsfraktionen mรผssen nun aushandeln, welcher Antrag mehr Erfolg auf Umsetzung hat. Vielleicht sind es sogar beide. Denn Leipzig wรคre nicht die erste Stadt, die auch die Tempo-Wende beginnt. Siehe Freiburg.

Die Sache mit dem besseren Verkehrsfluss streitet รผbrigens nicht einmal der ADAC ab, der sich vehement gegen die Position des Umweltbundesamtes zu Tempo 30 gestellt hat.

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Es gibt 6 Kommentare

Wenn man wirklich mal รผber Lรคrmbegrenzung im Wohngebiet nachdenkt, wรผrden mir noch drei Vorschlรคge einfallen:

โ€“ mehr Blitzer. Diese auch gern doppelseitig, so dass auch Motorrรคder mit dem Kennzeichen hinten erfasst werden. Orte, die mir dafรผr einfallen wรผrden: DufourstraรŸe Abzweigung August-Bebel-StraรŸe. In beide Richtungen. SchleuรŸiger Weg (fast egal an welcher Stelle). B2 nach Sรผden, bis zur Brรผcke wo 60 gilt. Und Blitzer spielen ihre Investition ja oft selbst wieder ein. Kรถnnen auch geleast werden usw.

โ€“ Geschwindigkeitsbeschrรคnkung fรผr StraรŸenbahnen. Gerade bei einem nicht so optimal gepflegten Rad-Schiene-System (hierzulande umgangssprachlich โ€œLVBโ€ genannt) macht es einen groรŸen Unterschied, ob die Bahn durch eine Langsamfahrstelle oder in voller Fahrt รผber die Gleise fรคhrt. Gut zu hรถren auf der WaldstraรŸe, auf der Karli in den Bereichen ohne Rasengleis oder auf der Lรผtzner, oder auf der Karl-Heine-StraรŸe. Fรคhrt die Bahn langsam, ist es leise, fรคhrt sie normal schnell, brummt und vibriert es in den anliegenden Hรคusern auch bei geschlossenen Fenstern, bis hin zum Drรถhnen.
Besser macht so eine Situation der Einsatz von Rasengleis, gepflegte Schienen und ein gepflegter Wagenpark. Und natรผrlich das Ersetzen von gleisschรคdigenden Fahrzeugen wie dem Leoliner.

โ€“ Einsatz leiser Busse (zum Beispiel mehr Hybridtechnik, oder wie bereits geplant mehr Elektrobusse)

Ich finde, wenn es aufrichtig um Lรคrmschutz geht, sollte man durchaus auch an den ร–PNV denken. Gern auch an aufgemotzte Autos und Motorrรคder, aber die sind bei weitem nicht der einzige Grund, warum die Lebens- und Aufenthaltsqualitรคt an einer StraรŸe leidet.

Die Lรคrmemission dรผrfte viel weniger unterschiedlich zwischen Tempo 30 und Tempo 50 sein, als zwischen verschiedenen Fahrzeugklassen und Reifenarten. Wenn die StraรŸe nass ist, ist sie auch sofort lauter, von Kopfstein ganz zu schweigen.
Der Verbrenner, der mit 50 im 4. Gang bei unter 2.000 tr/min dahinrollt macht im Wesentlichen auch keinen Unterschied zu einem recht schweren Elektroauto. Je nach Modell macht letzteres bei Tempo 30 vielleicht sogar noch kรผnstliche Gerรคusche (bis Tempo 20 MUSS es kรผnstliche Gerรคusche abgeben).

Und was die Lรผcken zwischen den Autos angeht; die sind erfahrungsgemรครŸ doch enger bei langsamerer Geschwindigkeit. Als FuรŸgรคnger wรผsste ich da nicht, warum ich besser durchkomme wenn sich Autos langsam durch eine StraรŸe bewegen und dadurch dichter aufeinander aufschlieรŸen.

Die Autos, die heute verkauft werden, sind ja nicht nur fรผr die Stadt รผbermotorisiert. Wenn man mit diesem Argument anfangen mรถchte (โ€œwelche Leistung reicht um ein, zwei Leute von a nach b zu transportieren?โ€) sind wir beim Krause Duo. Auch ein innovatives Konzept. Vielleicht seiner Zeit vorausโ€ฆ

Der Punkt ist, dieser Hass auf die groรŸen Leistungen, der ist wirklich sehr subjektiv. Man kann einen Polo mit drei Zylindern und 60 PS bekommen, und es gibt ihn mit der doppelten und dreifachen Leistung. Wenn beide Autos mit 50 dahinrollen, dann mรถchte ich gern mal die Person sehen, die vom Gehรถr her einen Unterschied feststellen kann.

zu Mischa Kreutzer: Die Debatte zu Tempo 30-Zonen und einen Tempolimit auf Autobahnen ist so direkt nicht vergleichbar, das eine begrรผndet das andere nicht. Die Begrenzung der Hรถchstgeschwindigkeit auf 130 auf Autobahnen senkt deutlich die Unfallhรคufigkeit und Unfallschwere und insbesondere den SchadstoffausstoรŸ und Lรคrm erheblich , bei Tempo 30 in Innenstรคdten ist das aber nicht automatisch so. Es sind im Wirkzusammenhang zwei unterschiedliche Sachverhalte, die aber analoge Ziele haben sollten.

Sehr gute Initiative! Die Debatte darum wird bisweilen รคhnlich gefรผhrt wie jene, die sich mit einem Tempolimit auf Autobahnen auseinandersetzt โ€“ seit Jahren. Auch bei der Forderung โ€œTempo 30โ€ ist der etwas realitรคtsferne Standpunkt der โ€œFreund*innen der Autoweltโ€ erkennbar. Frei nach der Worthรผlse: โ€œfreie Fahrt fรผr freie Bรผrger!โ€

Da hier im Artikel selbst auf den ADAC verwiesen wird, sollte dann doch besser das Original gelesen (ADAC Tempo 30 Pro und Contra) werden als das was die Liz daraus macht.

Also da es geht nicht um Lรคrm und Schadstoffe sondern um die Sicherheit und Aufenthaltqualitรคt.
Da Aufenthaltqualitรคt so klar und deutlich ist, dass sich jeder darunter objektiv was vorstellen kann, bleiben wir doch besser bei der Sicherheit. Die bisherigen Regelungen zur Einrichtung von Tempo 30 Zonen stellen genau darauf ab. Falls die Unfallhรคufigkeit รผberdurchschnittlich ist, kann jetzt schon die Einrichtung von Tempo 30 Zonen geprรผft werden. Das muss aber vor Ort auch so sein und nicht nur umweltpopulistisch gerade mal passen. Einfach mal im gesetzlichen Regelwerk nachlesen bevor man irgendetwas Innovatives schreibt.

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