Es ist der ungewöhnlichste Doppelhaushalt, den der Leipziger Stadtrat jetzt berät. Geprägt von Corona-Mehrausgaben und coronabedingten Mindereinnahmen. Und das auch noch unter den Bedingungen erhöhter Inzidenzzahlen auch in Leipzig, die Stadtrat und Verwaltung zu Video-Beratungen zwingen. Aber den Zusammenhalt dürfen wir nicht gefährden, fordert die größte Fraktion im Stadtrat.

Der Doppelhaushalt für die Jahre 2021/2022 soll am 31. März im Leipziger Stadtrat beschlossen werden. Mit jeweils über 2 Milliarden Euro hat er einen bis dato noch nicht erreichten Umfang, der auch das starke Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahre spiegelt, das im Corona-Jahr zwar gebremst war, aber trotzdem weiterging. Und Bevölkerungswachstum bedeutet eben nicht nur wachsende Personalausgaben, sondern weiterhin hohe Investitionen in all das, was eine Stadt zum Funktionieren braucht.

Und genauso wie bei der Diskussion um den sächsischen Landeshaushalt wurden auch in Leipzig wieder Stimmen laut, jetzt doch lieber die Schere anzusetzen. Aus Sicht der Spar-Experten wäre es viel gefährlicher, wieder Schulden anzuhäufen als in der Coronakrise die Investitionen hochzuhalten.

Aber wie teuer kommt es eine Stadt eigentlich, wenn nach Abflauen der Pandemie reihenweise Betriebe und Einrichtungen in Konkurs gegangen sind und tausende Menschen mehr auf staatliche Unterstützung angewiesen sind? Kann es sein, dass die scheinbar so wirtschaftskompetenten Parteien nicht die geringste Ahnung von Wirtschaft haben und die Welt gern so verwalten würden wie eine kleine Krauterbude?

Kann wohl sein. Auch deswegen klingt die Mahnung der Linken nach Solidarität so unwirtschaftlich, obwohl sie den Kern all unseres Wirtschaftens trifft: die Fähigkeit aller Bürger, wirtschaftlich teilzuhaben am Leben. Wirtschaft muss man vom Menschen her denken, nicht von der guten Laune der shareholder.

Was die Linksfraktion jetzt mit Blick auf den neuen Doppelhaushalt fast in einem kleinen Manifest zusammenfasst, auch wenn es nur eine Presseerklärung ist:

„Für uns als Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat liegt die Priorität in den nächsten beiden Jahren darin, die Verlierer/-innen der Coronakrise, Menschen mit geringem Einkommen, sozial Schwache und ihre Kinder vor dem gesellschaftlichen Abstieg zu schützen.

Es ist nun wichtig, dass die durch die Pandemie entstandenen Ausfälle und verbundenen Haushaltsdefizite mindestens für die Jahre 2021–2022 mit langfristig gesicherten Darlehen (aktuell: Negativzinsen) ausgeglichen werden. Dies schließt die Finanzierung der geplanten sowie der schon beschlossenen, aber nicht umgesetzten Investitionen ein (Stand 31.12.2019 ca. 426,2 Mio. EUR).

Essenziell ist dabei aber auch, dass der Bund sowie der Freistaat Sachsen den finanziellen Schutzschirm – u. a. die Mindereinnahmen der Gewerbesteuer – aus 2020 auch für die Jahre 2021 und 2022 ff. mindestens fortschreiben. Für uns stand und steht eine Haushaltsplanung für die Jahre 2021/2022 zum Ziel, die auf der Basis der Haushaltsplanung 2020 fußt und keine Kürzungen vorsieht.

Leider ist diese in einigen Bereichen, beispielsweise den Investitionsplanungen mit 100 Mio. EUR weniger (Minus 15,8 % im Vergleich zu 2019/2020) nicht zu erkennen. Unserer Ansicht sollte hier antizyklisch vorgegangen werden. Auch bei den Personalplanungen sieht der Haushalt 2021 eine Kürzung von ca. 3,0 Mio. EUR (Minus 0,6 %) vor, bevor es in 2022 einen Aufwuchs geben wird.“

Was sich dann auch in entsprechenden Anträgen der Linksfraktion niederschlagen wird.

Wie die aussehen könnten, deutet die Liste mit Forderungen schon einmal an, die die Linksfraktion für die Haushaltsverhandlungen formuliert hat. (Hier sind sie zu finden.)

Darin kommt auch der so wichtige Punkt „Beteiligung“ vor: „Um die Leipziger/-innen an der Stadtentwicklung besser einzubinden, fordern wir seit eineinhalb Jahrzehnten die Einführung eines Bürgerhaushalts. Dieser Prozess soll nun mit einem Beschluss zum Verfahren Mitte dieses Jahres endlich abgeschlossen werden und damit für die Haushaltsplanungen 2023/24 erstmalig Gültigkeit erlangen. Für die Haushaltsjahre 2021/2022 soll aber jetzt schon gelten (Entscheidung im SR am 20.01.2021): Jedem Stadtbezirk wird zukünftig ein Budget zugeteilt; der jeweilige Stadtbezirksbeirat soll nach Anhörung der Verwaltung über die Verwendung des Geldes entscheiden können.“

„Grundsätzlich galt und gilt es mit den Haushaltsplanungen und unseren maßvollen Haushaltsänderungen den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft zu sichern“, fassen Sören Pellmann, Fraktionsvorsitzender der Linken, und Steffen Wehmann, der finanzpolitische Sprecher, das Anliegen der Linksfraktion zusammen.

Für die Umsetzung des Bürgerhaushalts hat das Finanzdezernat übrigens am 15. Dezember eine Neufassung der Verwaltungsvorlage ins Verfahren gegeben. Immerhin muss dafür die Haushaltssatzung geändert werden, weil Stadtbezirksbeiräte bislang über kein eigenes Budget bestimmen durften.

Künftig sollen sie es – in Abstimmung mit der Verwaltung – dürfen: „Jeder Stadtbezirk, für den die Stadtbezirksverfassung gemäß § 27 Abs. 1 der Hauptsatzung eingeführt ist, erhält ein pauschales Budget i. H. v. jeweils 50.000 EUR in den Haushaltsjahren 2021 und 2022. Zum jeweiligen Geltungsbereich der Stadtbezirksverfassung gehören alle Ortsteile des Stadtbezirkes gemäß § 26 der Hauptsatzung, ausgenommen diejenigen, in denen gemäß § 29 der Hauptsatzung eine Ortschaftsverfassung gilt“, heißt es in der Vorlage.

„Über die Verwendung des Stadtbezirksbudgets beschließt der jeweilige Stadtbezirksbeirat nach Anhörung der Verwaltung. Über Maßnahmen bis zu einer Wertgrenze von 1.000 EUR (inkl. MwSt.) kann der Stadtbezirksbeirat ohne Beteiligung der Verwaltung entscheiden.“

Der Finanzausschuss wird sich am heutigen 18. Januar mit dieser neugefassten Vorlage beschäftigen. Und wenn der Stadtrat am Ende zustimmt, werden Stadtbezirkssitzungen, auf denen über die Verwendung der Budgets entschieden wird, künftig auch für die Bürger aus dem Stadtteil deutlich interessanter.

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