Wer bezahlt am Ende die Rechnung dafür, dass in Sachsen in den vergangenen 10, 15 Jahren viel zu wenig getan wurde, um die Gewässer wieder in einen gesunden und naturnahen Zustand zu versetzen? Die Staatsregierung, die das Thema Auenrevitalisierung immer wieder verschoben hat? Kommunen wie die Stadt Leipzig, die ihrerseits an völlig überholten Konzepten festgehalten hat, die schon bei der Beschlussfassung 2004 inakzeptabel waren?
Eine berechtigte Frage, die die Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat mit ihrem jüngsten Antrag zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie thematisiert. Am 26. November soll er im Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung behandelt werden. Und natürlich wird dann das Leipziger Umweltdezernat erklären müssen, warum es immer noch am Integrierten Gewässerkonzept (IGK) von 2004 festhält, das nur eines nicht integriert: die Ziele der von der EU im Jahr 2000 in Kraft gesetzten Wasserrahmenrichtlinie. Und auch wenn der Bau all der darin vorgesehenen Kanäle und Überleiter immer wieder auch unter diesem Aspekt verkauft wird, hat beides nichts miteinander zu tun.
Denn in der Wasserrahmenrichtlinie geht es um einen „Guten Zustand“ der Gewässer, den kein einziges Leipziger Fließgewässer erreicht. Über die Noten 4 und 5 kommen Weiße Elster, Pleiße und Parthe nicht hinaus.
Einen „Guten Zustand“ definiert die Wasserrahmenrichtlinie so: „Gewässer sind dann in einem guten Zustand, wenn ihre Lebensgemeinschaften, ihre Struktur, bei Oberflächengewässern die chemischen Inhaltsstoffe bzw. beim Grundwasser die chemischen Inhaltsstoffe und deren Menge vom Menschen nur gering beeinflusst sind.“
Die Grünen-Fraktion hat deshalb ihren Antrag ins Verfahren gebracht, der die Stadt dazu bringen soll, dass sie endlich ein umfassendes Konzept für umfassende Gewässerrenaturierungen vorlegt. Damit sollen Millionenzahlungen aufgrund schlechter Gewässerqualität vermieden werden. Hintergrund ist die Verpflichtung aus der EU-Wasserrahmenrichtlinie, den Gewässerzustand bis 2027 signifikant zu verbessern.
Daran droht die Stadt allerdings zu scheitern. Die Folge könnten Strafzahlungen in Millionenhöhe sein. Eigentlich war schon das Jahr 2016 ursprünglich das Zieljahr. Die EU hat die Frist schon verlängert. Aber vor 2016 hat Leipzig ebenso wenig Anstalten gezeigt, die Renaturierung systematisch in Angriff zu nehmen.
Die bereits 2000 beschlossene EU-Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet dazu, dass ursprünglich innerhalb von 15 Jahren der Gewässerzustand zu verbessern war. Ein quantitativ und qualitativ guter Zustand aller Oberflächengewässer sollte erreicht werden. Davon ist Leipzig aber noch weit entfernt.
„Stand 2018 befinden sich die Gewässer des Gewässerknotens Leipzig in einem schlechten ökologischen Zustand. Bislang ist nicht erkennbar, wie die Verwaltung innerhalb der nächsten Jahre das ambitionierte Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie umsetzen will. Es entsteht der Eindruck, dass es innerhalb der Stadtverwaltung eine diskutable Prioritätensetzung gibt“, kritisiert Jürgen Kasek, Stadtrat und umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, mit Blick auf das wassertouristische Nutzungskonzept.
Was da diskutabel ist, ist das sogenannte Integrierte Gewässerkonzept von 2004. Doch das spiegelt mit dem Fokus auf Sediment- und Hochwasserproblematiken den Erkenntnisstand von vor 20 Jahren wider und ist auch nach Einschätzung der Grünen „nicht geeignet, den Herausforderungen zur Umsetzung der WRRL, insbesondere vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderungen, ausreichend zu begegnen.“
Das ist noch zurückhaltend formuliert. Denn in Wirklichkeit ist das Integrierte Gewässerkonzept ein Trojanisches Pferd, mit dem Leipzigs Umweltdezernat die Pläne zur Öffnung der Alten Elster vorantreiben will. 2012 hat es dazu extra eine neue Kooperationsvereinbarung mit der Landestalsperrenverwaltung unterschrieben: „Die Vereinbarung beinhaltet die Überleitung der Parthe über die Weiße Elster zur Neuen Luppe (beides Gewässer 1. Ordnung), die Offenlegung des alten Elsterbettes zur Rückverlegung der Weißen Elster (1. Ordnung) sowie die Beräumung und Profilierung des Elsterbeckens im wasserwirtschaftlich zwingend notwendigen Umfang für den künftigen Betrieb als Gewässer im Nebenschluss.“
Die geschätzten Kosten für diese wilden Ausbaupläne, die nichts mit einer Revitalisierung der Flüsse zu tun haben: 160 bis 200 Millionen Euro. Das IKG gehört also eindeutig in den Papierkorb. Mit Klimaschutz und Gewässerverbesserung hat es nichts zu tun.
„Wir fordern, das längst überholte IGK bis 2022 durch einen Integrierten Gewässerentwicklungsplan abzulösen“, erklärt Tobias Peter, Fraktionsvorsitzender der Grünen. „Damit soll gemeinsam mit dem Freistaat eine Grundlage für gewässerspezifische Maßnahmen geschaffen werden. Durch die Renaturierung von Gewässern können Nähr- und Schadstoffeinträge wirksam gesenkt, die Gewässerdynamik verstärkt und die Ausbildung der natürlichen Uferstrukturen ermöglicht werden. Statt in Strafzahlungen sollte entschieden in eine gute Gewässerqualität investiert werden.“
Grüne beantragen: Leipzigs Verwaltung soll bis 2022 einen Integrierten Gewässerentwicklungsplan vorlegen
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