Natürlich gibt es sie noch: die Leerstandspotentiale in Leipzig. Häuser stehen leer, Wohnungen, aber auch viele Ladenlokale. Und das, obwohl es genug Interessenten gibt in Leipzig, die sich in Sanierung und Neunutzung hineinstürzen würden, wenn sie nur könnten. Das könnte, so die Grünen, eine Stadtwerk(statt)Wohnungsleerstand beheben helfen. Denn oft müssen die Hausbesitzer nur erst einmal mit den möglichen Nutzern an einen Tisch kommen.
Eigentlich ist es ein Doppelantrag, den die Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat da jetzt gestellt hat. Der erste Teil ist im Grunde ein Versuch, die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft LWB in die Pflicht zu nehmen, ihre Wohnungsbestände auch in den höherpreisigen Lagen möglichst so zu sanieren, dass am Ende doch noch KdU-kompatible Mieten dabei herauskommen, sich also auch Leipziger/-innen, die sich in diesen Wohnvierteln die marktgängigen Mieten von 7 Euro und höher nicht leisten können, trotzdem nicht verdrängt werden und die soziale Durchmischung nicht verloren geht.
Wie die LWB in die Pflicht genommen werden soll
Die LWB soll also direkt vom OBM beauftragt werden, „eine Vorbildwirkung für den Immobilienmarkt einzunehmen und verstärkt einfache Instandsetzungen und Modernisierungen vorrangig in Gebieten mit geringem Anteil an KdU-Haushalten und überdurchschnittlich hohen Mieten umzusetzen, um damit KdU-fähigen Wohnraum zu schaffen“.
Denn augenblicklich ist es so, dass auch das Mietniveau in den Altbaugebieten steigt, weil die Neuvermietungen oft mit mehreren Euro über der eigentlichen „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegen. Wenn Häuser saniert werden, dann meist aufwendig und mit dem Ziel, eine zahlungskräftigere Klientel zu gewinnen.
Dabei beherrscht die LWB auch die Modernisierung im bestehenden Mietrahmen, betont Grünen-Fraktionsvorsitzender Tobias Peter.
Und im Antrag führen die Grünen dann auch aus: „Der Leerstand von geschätzt 12.000 Wohnungen zeigt zudem ein erhebliches Potential auf, um dem angespannten Immobilienmarkt entgegenzuwirken. Die Wohnungsmarktentwicklung der letzten Jahre zeigt, dass Leerstand insbesondere durch die Schaffung von Wohnraum im hochpreisigen Segment geschaffen wird, jedoch zunehmend ein Mangel an niedrigpreisigem Wohnraum, insbesondere im Bereich der KdU-fähigen Mieten zu verzeichnen ist. Einen entsprechenden Zustand der Immobilien vorausgesetzt, sind einfache Instandsetzungen und Modernisierungen geeignet, Leerstandspotentiale zu heben und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, so die Grünen.
Und da könnte die LWB auch im Altbaubestand eine Vorbildrolle spielen, so, wie sie es in einem Wohnensemble in der Brandvorwerkstraße in der Südvorstadt schon einmal gezeigt habe.
„Ein wesentlicher Beitrag zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums im niedrigpreisigen Segment sind einfache Instandsetzungen und Modernisierungen. Dabei können auch durch die LWB erhebliche Leerstandspotentiale von 4 % stadtweit und stadtteilspezifisch bis zu 12,5 % in Südvorstadt und Connewitz gehoben werden“, so die Grünen.
„Die bisherigen Ansätze der LWB in diesem Bereich konzentrieren sich auf die Großwohnsiedlungen. Beispiele wie die LWB-Objekte Brandvorwerkstraße, Hardenbergstraße oder Gerberstraße zeigen, dass mit einfachen Instandsetzungen und Sanierungen anstelle der letztlich verfolgten höherwertigeren Sanierung auch in Lagen mit höherem Mietniveau durchaus Mietsätze im KdU-Bereich realisierbar gewesen wären.
Indem die LWB ausgehend von den bisherigen Ansätzen stärker als bisher in ihrem Bestand auf einfache Instandsetzungen und Modernisierungen setzt, kann sie dazu beitragen, das hoch nachgefragte Segment an Wohnungen in Höhe der Kosten der Unterkunft zu bedienen. Um dem Ziel sozialer Vielfalt in den Quartieren zu entsprechen, ist darauf zu achten, dass Instandsetzungen und Modernisierungen insbesondere in den Gebieten vorgenommen werden, wo ein geringer Anteil an KdU-Haushalten und überdurchschnittlich hohen Mieten festgestellt werden kann. Da sich Eigenleistungen von Mieter/-innen kostenmindernd auswirken, sind diese grundsätzlich zu ermöglichen.“
Neue Räume für Kultur, Vereine und Kleingewerbe
Die steigenden Mieten und zunehmenden Sanierungen haben freilich auch einer Gruppe die Freiräume genommen, die einmal regelrecht gefeiert wurde in Leipzig: den Kreativen, die einst Läden, Häuser und Fabriken besetzten und damit jene „Szene“ erschufen, die Ortsteile wie Plagwitz oder Lindenau für Investoren und Besserverdienende erst interessant gemacht haben. Doch je mehr sich die Viertel füllten, umso mehr schrumpften die Freiräume.
Und das, obwohl es überall nach wie vor freie Räume gibt, die man nutzen könnte. Hausbesitzer müssten freilich bereit sein, diese Räume auch an nicht so zahlungskräftige Nutzer zu vermieten.
Aber irgendwie fehlt der Stadt derzeit das Instrument, beide Seiten an einen Tisch zu bekommen. Eine Stadtwerkstatt könnte den Anfang machen, die – so beantragen die Grünen im zweiten Teil ihres Antrages – bis zum Ende des I. Quartals 2021 durchgeführt wird.
„Die Vielfalt kultureller, sozialer und kleingewerblicher Freiräume trägt maßgeblich zur Lebensqualität und Attraktivität Leipzigs bei. Projekte, die Räume für Veranstaltungen, Austausch, Kultur und Stadtteilarbeit, z. T. in Kombination mit niedrigschwelligen gastronomischen Angeboten und Wohnen bieten, sind in den letzten Jahren in vielen Stadtteilen entstanden und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Stadtteilkultur“, betonen die Grünen in ihrem Antrag.
„Es ist gerade die Formenvielfalt, Nutzungsmischung, zeitliche Begrenzung und nicht gewinnorientierte Arbeitsweise, mit denen diese Projekte eine besondere Ausstrahlung in den Stadtteilen entfalten. Eine wesentliche Voraussetzung für ihr Entstehen waren vergleichsweise niedrige Mieten. Ein Teil der Projekte konnte sich aus einer Zwischennutzung heraus dauerhaft etablieren. Andererseits sind angesichts der Immobilienmarktentwicklung viele der Projekte zunehmend bedroht, neue Projekte sind oft kaum noch möglich. Dem steht ein erheblicher Leerstand von geeigneten Wohnungen und Ladenlokalen gegenüber.“
Da genügt ein Spaziergang durch all die alten Leipziger Geschäftsstraßen. Oft reiht sich ein leeres Ladengeschäft an das andere, weil sich Vermieter nicht auf das Risiko einlassen, auch nicht so umsatzstarke Mieter hineinzunehmen, oder weil sie immer noch davon träumen, dass dann doch wieder ein prächtiger Laden aufmacht. Dabei könnte eine Vermietung die ganze Straße wieder mit Leben erfüllen, womit sie auch für Mieter wieder attraktiver wird.
Aber um beide Seiten an einen Tisch zu holen, braucht es wohl – wie in den 1990er Jahren – wieder logistische Unterstützung durch die Stadt.
„Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist eine aktive Unterstützung dieser Projekte notwendig, die über das bisherige vereinzelte und fallweise Agieren hinausgeht und angesichts der bestehenden Herausforderungen systematischer vorgeht. Leipzig kann dabei auf vielfältige Erfahrungen bei der Zwischennutzung von Immobilien sowie bestehende Unterstützungsstrukturen wie den Quartiersmanagements, dem Netzwerk Leipziger Freiheit, aber auch von Vereinen wie Haushalten e.V. oder dem Haus- und Wagenrat e. V. zurückgreifen“, zählen die Grünen jene Strukturen auf, die es eigentlich längst gibt.
„Im Rahmen einer Stadtwerkstatt können mit den betroffenen Akteuren geeignete Unterstützungsmaßnahmen diskutiert und entwickelt werden. Zu diskutieren ist dabei insbesondere, wie eine Inwertsetzung der betroffenen Immobilien erfolgen kann. Zugleich sind auch Eigentümer nicht genutzter Immobilien hinsichtlich der Möglichkeiten von Zwischennutzungen zu beraten. Bei der Unterstützung von Projekten ist auch zu prüfen, in welchem Rahmen eine finanzielle Förderung z. B. im Rahmen der Kultur- und Wirtschaftsförderung möglich ist.“
Auch das von der Stadt gegründete Bündnis für Wohnen könne hier als Unterstützer eine Rolle spielen.
„Wir müssen die Mischung hinkriegen“, so Peter. Denn die innerstädtischen Ortsteile verlieren ihre Vielfalt, wenn all jene, die das steigende Mietniveau nicht bezahlen können, immer weiter in die Ortsteile am Stadtrand abgedrängt werden. Eine konkrete Lösung hätten die Grünen auch noch nicht, so Peter. Der Antrag sei ein Vorschlag, wie man das Thema vielleicht angehen könnte.
Linke-Stadträtin kritisiert den Verlust preiswerten Wohnraums in der Leipziger Südvorstadt
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