Flucht, Seenotrettung und die Situation in den griechischen Lagern sind mittlerweile fast komplett aus der Berichterstattung verschwunden. Der Stadtrat hat das Thema am Mittwoch, den 14. Oktober, zumindest für eine halbe Stunde wieder auf die Tagesordnung gesetzt und beschlossen, dass Leipzig dem Bündnis „Städte sicherer Häfen“ beitreten soll. Zudem darf sich „Mission Lifeline“ über einen Spendenaufruf freuen.

Leipzig wird dem Bündnis „Städte sicherer Häfen“ beitreten. Das hat die Ratsversammlung am Mittwoch, den 14. Oktober, beschlossen. CDU und AfD votierten gegen die Verwaltungsvorlage. Die Linksfraktion konnte mit Unterstützung der Grünen zudem durchsetzen, dass die Stadt zu Spenden für den Seenotrettungsverein Mission Lifeline aufrufen und sich für die „Entkriminalisierung der zivilen Seenotrettung“ einsetzen soll.

Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) bezeichnete den Beitritt als „unmittelbare, konkrete Hilfeleistung für Menschen in sehr großer Not“ und „politische Signalwirkung“. Eine „europäische Lösung“ sei zwar nötig, doch das sei kein Argument für Kommunen, abzuwarten und nicht zu helfen. Er verwies zudem auf lokale Organisationen wie die „Seebrücke Leipzig“ und die „Stiftung Friedliche Revolution“, die sich dem Thema Seenotrettung widmeten.

Linke-Stadträtin Juliane Nagel bezeichnete den Beschluss als „folgerichtigen Schritt“, nachdem der Stadtrat bereits vor anderthalb Jahren Leipzig zum „sicheren Hafen“ erklärt hatte. Nun ist Leipzig Teil eines Bündnisses deutscher Kommunen, die sich dazu bereiterklären, mehr Menschen aufzunehmen, die aus dem Mittelmeer gerettet wurden.

Sowohl Nagel als auch die nachfolgende Rednerin Katharina Krefft (Grüne) wiesen darauf hin, dass Staaten beziehungsweise die EU zumindest teilweise die Menschenrechte nicht achten würden. „Die Zivilgesellschaft springt dort ein, wo der Staat versagt“, sagte Nagel. Krefft ergänzte: „Als europäische Städte verteidigen wir die europäischen Werte.“

Michael Weickert, CDU. Foto: L-IZ.de
Michael Weickert, CDU. Foto: L-IZ.de

Als „Schaufensterpolitik“ bezeichnete Michael Weickert (CDU) den Beschluss. „Er löst kein Problem, sondern soll nur das eigene Gewissen beruhigen.“ Der Beschluss vor anderthalb Jahren enthalte bereits konkrete Maßnahmen. Zudem solle sich die Verwaltung mit Vorlagen zurückhalten, die das Ziel haben, politische Signale zu senden, so Weickert.

AfD-Stadtrat Roland Ulbrich argumentierte in eine ähnliche Richtung und äußerte, dass die Stadt zur Neutralität verpflichtet sei. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) entgegnete: „Deshalb hole ich mir das politische Mandat aus dem Stadtrat.“

Etwas Uneinigkeit herrschte in der SPD-Fraktion. Der Vorsitzende Christopher Zenker betonte, dass man mit diesem Beschluss zwar nicht die „Flüchtlingskrise“ bewältigen, aber einen Beitrag leisten könne. Heiko Bär enthielt sich seiner Stimme, weil ihm nach eigenen Angaben die „langfristige Perspektive“ fehlt. Er schlug eine „Entwicklungspartnerschaft“ für die kommenden Haushaltsverhandlungen vor. Dann könne Leipzig direkt finanzielle Unterstützung leisten.

Kritik am Spendenaufruf für Mission Lifeline kam aus der Freibeuter-Fraktion. Während Thomas Köhler vorschlug, dass die Verwaltung nicht zum Spenden „aufrufen“, sondern nur darüber „informieren“ solle, fragte Sven Morlok, ob der Verein hinsichtlich der ordnungsgemäßen Verwendung von Spenden ausreichend geprüft wurde. Trotz dieser Bedenken erhielt der Spendenaufruf dank Linken und Grünen eine knappe Mehrheit.

Die Debatte vom 14. Oktober 2020 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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