Die Diskussion um die Umbenennung der ArndtstraรŸe in der Leipziger Sรผdvorstadt schlรคgt immer neue Volten. Erst beschloss der Stadtrat deren Umbenennung auf Antrag des Stadtrats Thomas KumbernuรŸ (Die PARTEI), dann grรผndete sich um den Borsdorfer Lehrer Kai-Uwe Arnold eine Bรผrgerinitiative, um die Umbenennung zu verhindern, massiv unterstรผtzt durch die LVZ. In seiner jรผngsten Sitzung ist nun der Petitionsausschuss des Leipziger Stadtrates umgekippt und befรผrwortet Arnolds Petition.

Das wรคre verstรคndlich, wenn es รผberhaupt die vom Stadtrat beschlossene Diskussion gegeben hรคtte. Denn da der Streit um die ArndtstraรŸe so heftig war und auch weitere StraรŸennamen inzwischen zur Debatte stehen, weil den so Geehrten Antisemitismus, Rassismus oder Kolonialismus vorgeworfen werden, beschloss der Stadtrat im Juni die Einsetzung einer Historikerkommission, die beabsichtigte StraรŸen(um)benennungen wissenschaftlich prรผfen und den Stadtrat beraten soll. Und auรŸerdem bei kรผnftigen Umbenennungen eine richtige Bรผrgerbeteiligung.

Das wรคre auch fรผr die ArndtstraรŸe das richtige Konzept.

Aber nun kippte der Petitionsausschuss um, obwohl er diese Entscheidung kennt, und gab der Petition von Kai-Uwe Arnold umfassend recht und schlรคgt dem Stadtrat zur Entscheidung vor: โ€žDie ArndtstraรŸe in 04275 Leipzig wird nicht in Hannah-Arendt-StraรŸe umbenannt. Der Beschluss des Stadtrates Nr. VII-A-00420 vom 22.01.2020 wird aufgehoben.โ€œ

Da ist ein Stadtratsgremium vรถllig ohne Grund eingeknickt. โ€žSeit รผber 150 Jahren gibt es die ArndtstraรŸe in Leipzig. Weder in der Kaiserzeit, der NS-Zeit oder in der DDR stand sein Name jemals zur Debatte. Auch 30 Jahre Deutsche Einheit รคnderten daran nichts. Als furchtloser Kรคmpfer gegen die Leibeigenschaft, gegen Krieg und Tyrannei, als Dichter der Befreiungskriege war sein Andenken bis heute geachtet. Das muss so bleiben!โ€œ, hatte Arnold in seiner Petition geschrieben.

Das klingt wortgewaltig, ist aber โ€“ vorsichtig formuliert โ€“ genauso einseitig wie die Begrรผndung zur Umbenennung der StraรŸe. Ob es historisch in dieser Plakativitรคt รผberhaupt haltbar ist, sollte wohl wirklich eine kompetente Historikerkommission bewerten. Der Vorschlag des Petitionsausschusses unterminiert nun ausgerechnet den zielfรผhrenden Beschluss des Stadtrats vom Juni.

Was die Grรผnen so nicht stehenlassen wollen. Wozu beschlieรŸt man die Einsetzung so einer Kommission, wenn man sich dann doch wieder vom nรคchsten Wind umpusten lรคsst? Hat die Mehrheit im Petitionsausschuss kein Rรผckgrat?

โ€žAufgrund der anhaltenden Diskussionen um die Umbenennung der ArndtstraรŸe in Hannah-Arendt-StraรŸe, die der Stadtrat in seiner Sitzung am 22.01.2020 getroffen hat, sollte man diese Entscheidung einer entsprechenden Bewertung mithilfe des beschlossenen Verfahrens einer unabhรคngigen Prรผfung unterziehenโ€œ, schreibt die Grรผnen-Fraktion deshalb in einem ร„nderungsantrag zum Vorschlag des Petitionsausschusses.

โ€žEine Aufhebung der damaligen Umbennenungsentscheidung ohne Einbeziehung der neuen Kommission und ohne Einleitung dieses Verfahrens wรผrde dem Grundsatzbeschluss des Stadtrates widersprechen. Der Stadtrat hat am 17. Juni 2020 beschlossen, die historische Verantwortung wahrzunehmen und die Namen von StraรŸen- und Platznamen auch unter Gesichtspunkten von Einstellungsmustern der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und der kolonialen Vergangenheit zu bewerten. Es wird eine die AG StraรŸennamen und den Stadtrat beratende, wissenschaftliche Kommission gebildet.โ€œ

Beides ist noch nicht passiert. Genauso wenig wie eine fundierte Bรผrgerbeteiligung, die tatsรคchlich die direkt Betroffenen einbezieht.

โ€žDie Kommission soll nicht รผbergreifend bzw. grundsรคtzlich alle Leipziger StraรŸennamen evaluieren, sondern nur mit Auftrag des Stadtrates auf Namensรผberprรผfung tรคtig werden. Dabei ist weiterhin sicherzustellen, dass die Anwohner/-innen bei StraรŸenumbenennungen in geeigneter Form (z. B. รผber die Stadtbezirksbeirรคte und Ortschaftsrรคte) miteinbezogen werdenโ€œ, betonen die Grรผnen.

โ€žDie AG StraรŸennamen kann sich bei StraรŸenbenennungen und der Erarbeitung von Erlรคuterungstafeln der Expertise der wissenschaftlichen Kommission bedienen. Die Entscheidung รผber den Wortlaut auf diesen Tafeln obliegt weiterhin der Verwaltung, die der StraรŸenbenennungen dem Stadtrat.โ€œ

Einmal ein etwas geharnischter Kommentar zum Benennungs-Wirrwarr im Leipziger โ€žStadtgedรคchtnisโ€œ

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Es gibt 2 Kommentare

Im Petitionsausschuss sitzen die selben Fraktionen wie im Stadtrat. Ist schon amรผsantโ€ฆ

Warum gibt es den Stadtrat, wenn seine Entscheidungen einfach wieder gekippt werden? Irgendwie habe ich Demokratie immer anders verstanden.

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