In den vergangenen Jahren hat Sachsens Regierung ja emsig am Polizeigesetz herumgedoktert, hat „gefährliche Orte“ erfunden und eine „Waffenverbotszone“ eingerichtet. Die Videoüberwachung öffentlicher Räume wurde ausgebaut und immer öfter dröhnen Polizeihubschrauber zur Überwachung über der Stadt, als hätte sich da in aller Stille etwas Gefährliches aufgebaut. Obwohl es eigentlich nur politische Show ist, die mit der wirklichen Sicherheitslage in Sachsen gar nichts zu tun hat. Für Leipzig thematisieren das jetzt Grüne und Linke.
Im Juli haben die beiden Ratsfraktionen einen gemeinsamen Antrag gestellt, der insbesondere die dröhnenden Hubschraubereinsätze und die Videoüberwachung thematisiert.
Auf den Antrag hat inzwischen auch das Ordnungsdezernat reagiert. Das schlug vor, die Sache im Kriminalpräventiven Rat zu besprechen, in dem die Stadt und die Polizeidirektion Leipzig sich über solche strittigen Fragen abstimmen.
Das Spannende an der Antwort ist die nüchterne Feststellung, dass Videoüberwachung zwar punktuell helfen kann, Straftaten aufzuklären, aber augenscheinlich keinen Einfluss auf das eigentliche Kriminalitätsniveau hat.
Als nützlich erweise sich die Videoüberwachung zum Beispiel am Hauptbahnhof, betont das Ordnungsdezernat: „Im Jahr 1996 wurde der Leipziger Hauptbahnhof zum Pilotprojekt in der Bundesrepublik Deutschland für die Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Noch heute werden die Ergebnisse der polizeieigenen Begleitstudie als Beleg für die Zweckmäßigkeit der Videographie angeführt.“
Doch auch dort hat die Überwachung mit Kameras ihre Grenzen, so das Ordnungsdezernat: „Der wissenschaftliche Nachweis eines allgemein kriminalitätsreduzierenden Effekts der Videoüberwachung konnte in jüngeren Untersuchungen allerdings nicht überzeugend geführt werden. Auch was den Nutzen für die polizeiliche Ermittlung und Aufklärung betrifft, ist die Befundlage nicht eindeutig. Ursächlich hierfür ist nicht zuletzt, dass in den einschlägigen Untersuchungen wissenschaftliche Standards nicht eingehalten wurden.“
An der Stelle darf man sich ruhig vor Lachen im Sessel kringeln. Da wird seit 24 Jahren systematisch öffentlicher Raum überwacht – aber wenn dann mal eine Untersuchung zum Sinn und Nutzen des Projektes durchgeführt wird, beauftragt man keine kompetenten Wissenschaftler, die möglicherweise Ergebnisse bekommen, die sich die Auftraggeber so nicht gewünscht haben. Also halten die Studien einer simplen Zweitprüfung nicht stand. Und man macht weiter wie zuvor.
Und belässt dann auch die anderen Kameras im öffentlichen Raum, die Leipzigs Polizei nach dem Vorbild Hauptbahnhof installiert hat, stets mit der Begründung, sie würden die Zahl der Straftaten an den beobachteten Orten mindern.
Seit 1999 wird das Connewitzer Kreuz durch eine stationäre Kamera der sächsischen Polizei überwacht. Zwischen 2000 und 2003 wurde sie, nachdem es massive Proteste gegen die Maßnahme gegeben hatte, kurzzeitig deinstalliert. Inzwischen hat die Polizei Sachsen jedoch wieder ein (Kamera-)Auge auf das Kreuz. Auch an Standorten in der Eisenbahnstraße, auf dem Bahnhofsvorplatz und am Roßplatz sind Kameras zur Überwachung installiert. Zahlen, was diese Kameras dann tatsächlich bei der Kriminalitätsbekämpfung bringen, gibt es nicht.
Anfang Juli haben die Stadtrats-Fraktionen Die Linke und Bündnis90/Die Grünen ihren Antrag gestellt, diese Maßnahme zu prüfen und entsprechende Ergebnisse kritisch auszuwerten. Weiterhin fordern sie die Überprüfung der Einsatzflüge von Polizeihubschraubern; im gemeinsamen Gespräch zwischen Stadt und Polizeidirektion soll dafür sensibilisiert werden.
Der nun vorgelegte Verwaltungsstandpunkt aus dem Ordnungsdezernat zeigt, dass die Verwaltung die Forderungen der beiden Fraktionen ernst nimmt. So wird der Kommunale Präventionsrat (KPR) sowohl das Gespräch mit der Polizei suchen sowie im Rahmen der nächsten Sitzung des Führungsstabs die Verhältnismäßigkeit der Einsatzflüge von Polizeihubschraubern durch die Stadt Leipzig diskutieren.
„Videoüberwachung im öffentlichen Raum muss allein aus datenschutzrechtlichen Gründen ständig diskutiert werden“, kommentiert das Oliver Gebhardt, Sprecher für Ordnung und Sicherheit der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat. „Überwachte Bereiche umfassen zum Teil Wohngebiete – hier sollte regelmäßig abgeglichen werden, ob diese tatsächlich Kriminalitätsschwerpunkte darstellen.
Selbst die Stadtverwaltung hegt Zweifel, inwiefern Videoüberwachung kriminalitätsreduzierende Effekte hat oder den Ermittlungen und der Aufklärung im entsprechenden Maße hilft. Der Freistaat ist damit deutlich aufgefordert, den Sinn und Nutzen der Videoüberwachung endlich wissenschaftlich fundiert nachzuweisen!“
Und Monika Lazar, Stadträtin aus dem Leipziger Süden, wundert sich über das Phlegma der sächsischen Polizei, die einfach ihren alten Stiefel weiterfährt, ohne die Sache jemals wissenschaftlich untersuchen zu lassen: „Besser wäre gewesen, wenn die zuständigen Behörden selber auf die Idee gekommen wären, die in den Forderungen unseres Antrages enthalten ist. Wir hoffen, dass die zugesagten Überprüfungen schnellstmöglich im Sinne der in den Wohngebieten betroffenen Bürgerinnen und Bürger getroffen und drastisch auf das absolut nötige Maß reduziert werden.“
Und auch Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek wundert sich nur über die fehlenden Belege zum Sinn dieser Überwachungsmaßnahmen: „Die Kosten der Kamera betragen pro Jahr, nach Aussagen der Staatsregierung, 17.000 Euro. Einen Nachweis, wie viele Verfahren mithilfe der Kamera aufgeklärt oder verhindert werden konnten, gibt es nicht. In vielen Fällen sind Bilder der Kamera nicht verwertbar. Auch aus diesen Gründen ist eine Überprüfung angezeigt und ein sinnvollerer Einsatz der finanziellen Mittel notwendig.“
Polizeihubschrauber waren im ersten Halbjahr auch zehn Stunden lang zur Umweltüberwachung in der Luft
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