Umdenken fällt schwer, wenn man sich doch nun seit über zwei Jahrzehnten daran gewöhnt hat, dass es jede Menge Geld zur Inwertsetzung der ehemaligen Braunkohlelandschaft gibt und es einen ideelen Auftrag gibt, die Erschließung der Gewässerlandschaft zu bauen. Seit 2006 mit einem Grundsatzpapier namens „Wassertouristisches Nutzungskonzept“ (WTNK). Das soll nun eigentlich eine Fortschreibung finden. Aber von den Leipziger Umweltverbänden findet es keine Unterstützung mehr. Und von den Grünen auch nicht.
Vor einem Jahr sorgten die Umweltverbände eigentlich für einen Paukenschlag, als sie allesamt den extra organisierten Runden Tisch verließen, an dem vor allem die Vertreter der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland saßen, die nach wie vor die Idee verfolgen, im Neuseenland mit Wassertourismus wesentliche wirtschaftliche Impulse setzen zu können, auch wenn die entstehenden Arbeitsplätze selten mehr als Saisonarbeitsplätze sind und die möglichen Umsatzerlöse – selbst verglichen mit anderen touristischen Angeboten – marginal sind.
Das erste WTNK definierte lauter verschiedene Gewässerkurse, auf denen vor allem das entwickelt werden sollte, was man als touristische Bootsnutzung bezeichnen kann – die Nutzbarkeit für Motorboote und Passagierschiffe.
Doch reihenweise stranden einzelne Bausteine des WTNK mittlerweile an umwelt- und wasserrechtlichen Grenzen, sehen sich die Umweltverbände in ihren Forderungen nach umweltschutzrechtlichen Prüfungen bestätigt.
Doch mit den Vertretern der Steuerungsgruppe fanden sie nicht einmal eine gemeinsame Sprache. Und auch von der angekündigten Bürgerbeteiligung ist nicht viel übrig geblieben.
Verständlich, dass der Kreisverband der Leipziger Grünen nun misstrauisch der Debatte über die neue Vorlage zum WTNK im Leipziger Stadtrat entgegensieht.
Denn nach der parlamentarischen Sommerpause bringt Leipzigs Verwaltung den Aufstellungsbeschluss für die Fortschreibung des sogenannten Wassertouristischen Nutzungskonzeptes (WTNK) in den Stadtrat ein – und hält damit trotz Klimakrise an jahrzehntealten Plänen fest. Die Leipziger Grünen fordern – wie vor einem Jahr schon – erneut ein Moratorium der Maßnahmen des WTNK.
„Bereits im September 2018 haben wir von Bündnis 90/Die Grünen Leipzig ein Moratorium des WTNK gefordert. Die Leipziger Gewässer befanden sich gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie in einem unbefriedigenden bis schlechten Zustand, und wie man sieht, sind zwei weitere Dürrejahre nicht spurlos an den Gewässern vorübergegangen“, erklärt dazu Ulrike Böhm, Sprecherin der Leipziger Bündnisgrünen. Statt eines Wassertouristischen Nutzungskonzeptes bedürfe es vielmehr eines Gewässerentwicklungsprogramms, wie von den Umweltverbänden gefordert.
Das WTNK geht auf die Jahre 2005 bis 2007 zurück, und trotz Klimakrise und zu erwartender – schon heute sichtbarer – rapide abnehmender Wassermengen in den Leipziger Gewässern lasse die Stadtverwaltung nicht von ihrem Ziel einer Intensivierung der touristischen Gewässernutzung ab, so Böhm.
„Und es geht auch um die Zukunft der gesamten Aue“, gibt Wiebke Engelsing, Sprecherin des Grünen-Arbeitskreises Umwelt- und Klimaschutz, zu bedenken. „Unsere Stadtratsfraktion hat bereits Ende des vergangenen Jahres ein gesamträumliches, integriertes Auenentwicklungskonzept in den Stadtrat eingebracht, um die Aue wieder in eine natürliche Dynamik der Gewässer einzubinden. Das Konzept wurde im Mai 2020 mit großer Mehrheit im Stadtrat beschlossen!“
Die in diesem Konzept angestrebten regelmäßigen Überschwemmungen würden vor allem auch dem aktuell massiv unter der Trockenheit leidenden Auwald zugutekommen. Bis Ende 2022 soll ein Plan erstellt werden, um dieses Ziel möglichst schnell zu erreichen.
„Die geplanten Maßnahmen des WTNK sind in diesem Zusammenhang das völlig falsche Signal“, sagt Wiebke Engelsing. „Wir fordern erneut ein sofortiges Moratorium für die Maßnahmen des WTNK. Die Klimakrise und der schlechte Zustand unserer Gewässer zwingen uns zum Umdenken. Die Klimakrise muss auch die Stadt Leipzig und den Grünen Ring zum Überdenken ihrer jahrzehntealten Planungen bringen. Die naturnahe Auenentwicklung, die Revitalisierung des Auwaldes und damit dessen Erhalt als Grüne Lunge Leipzigs sollte das absolute Primat über der Optimierung der touristischen Nutzung bereits stark belasteter und langsam austrocknender Fließgewässer haben.“
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