Eigentlich sollte am Donnerstag, 9. Juli, Tim Elschner reden zum Änderungsantrag der Grünen-Fraktion zum Bebauungsplan Nr. 452 „Bahnbogen Leutzsch“. Da er verhindert war, sprach Kristina Weyh für ihn und warb für eine Neuaufnahme des Bürgerbeteiligungsprozesses in Leutzsch, der nach zwei Workshops zu den Georg-Schwarz-Brücken abgebrochen worden war. Und wenn man den Grünen-Antrag liest, steht das auch nicht anders darin.

Doch diesmal sahen es die Linken anders. Für die sprach Franziska Riekewald und meinte, die Grünen würden über ihren Antrag die Beschlüsse zum Bau der Georg-Schwarz Brücken (ein Mammutprojekt für die Jahre 2023 bis 2030) wieder aufdröseln wollen.

Wenn man den Grünen-Antrag liest, erscheint einem eigentlich als Kern: „Unter Berücksichtigung vorhandener gewerblicher Angebote sind Standorte für soziale Einrichtungen bzw. Gemeinbedarfseinrichtungen (z. B. Kita, Schule) zu sichern. Stadträumliche Strukturen sind zu entwickeln. Wohnen ist anzusiedeln. Direkte Wegebeziehungen für Fußgänger/-innen und Radfahrer/-innen sind mit zu planen, um die Stärkung des ÖPNV-Knotenpunktes vor Ort auch zielführend umzusetzen. Öffentliche städtische Grünflächen, größere wie kleinere (,Pocket-Parks‘), sowie öffentlich zugängliche Sportfreiflächen sind abzusichern.“

Denn was einem beim Blick auf die Karte nicht gleich auffällt, ist, dass das Plangebiet sogar fünf Hektar größer ist als das am Freiladebahnhof Leutzsch, wo es eine recht intensive Bürgerbeteiligung gab. Es macht also Sinn, hier mehr soziale Infrastruktur zu planen, als bisher existiert.

Doch nachdem Franziska Riekewald so vehement den Grünen-Vorschlag ablehnte, bekam er an diesem Tag auch keine Mehrheit im Stadtrat.

Die Linke hatte ja selbst einen Antrag zu mehr Sportflächen gestellt. Den übernahm Burkhard Jung mit in den Verwaltungsvorschlag, der dann mit 50 Ja-Stimmen die fast volle Zustimmung des Stadtrates bekam.

Und noch deutlicher war die Zustimmung bei der nächsten, direkt dazu gehörenden Vorlage, zu der es nicht einmal eine Debatte gab, obwohl sie für Leipzig eigentlich eine kleine Revolution darstellt: die „Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht für das Gebiet ,Bahnbogen Leutzsch‘“.

Nur mit einem solchen Satzungsbeschluss hat die Stadt das Vorkaufsrecht auf all jene Flächen, die sie für wichtige soziale und andere Infrastrukturen dringend braucht. Ein Recht, das Leipzig eindeutig bei den so wichtigen Baugebieten am Bayerischen Bahnhof, am Freiladebahnhof Eutritzsch und an der Westseite des Hauptbahnhofes nicht wahrgenommen hat. Die Begründungen aus dem Liegenschaftsamt lauteten dazu immer, es wäre zu unsicher gewesen, ob die Stadt ihr Vorkaufsrecht juristisch hätte durchsetzen können.

Das Blamable ist nicht der unterlassene Kauf, sondern der unterlassene Versuch, das Vorkaufsrecht wenigstens anzumelden. Denn an allen drei Standorten brauchte und braucht Leipzig zentrale Infrastrukturen wie Schulen, Kitas, Radwege, Parks …

Denn so wie das Liegenschaftsamt die rechtliche Lage beurteilte, hätten große Städte praktisch überhaupt keine Chance, ihr Vorkaufsrecht überhaupt wahrzunehmen. Denn dann würde nicht mal der drängende Bedarf an Bauplatz für notwendige Infrastrukturen so ein Vorkaufsrecht begründen. Was aber dann?

Am „Leutzscher Bahnbogen“ sieht es das Dezernat Stadtentwicklung und Bau jetzt anders und geht natürlich den ersten, wichtigen Schritt (der bei den anderen Baugebieten unterlassen wurde): Es hat eine Satzung formuliert. So eine Satzung ist notwendig, um die städtischen Bedarfe im Gebiet deutlich zu machen. Aufgrund dieser Satzung kann dann das Vorkaufsrecht angemeldet werden.

Das Dezernat formuliert hier, was die Stadt an der Stelle alles an (Bau-)Land benötigt: „In Verbindung damit steht weiterhin die Berücksichtigung insbesondere einer Gemeinbedarfsfläche, Zweckbestimmung: z. B. Schule, und die Anlage von integrierten Grün- und Freiflächen. Damit wird das Ziel einer Balance zwischen Freiraum und Verdichtung, d. h. einer besseren Ausnutzung von vorhandenen Flächenreserven und einer Verbesserung der Grünversorgung im Sinne einer doppelten Innenentwicklung, umgesetzt.

Entlang der Franz-Flemming-Straße sollen überwiegend gewerbliche Bauflächen gesichert und damit ein Beitrag zur Entwicklung einer vielfältigen und stabilen Wirtschaftsstruktur geleistet werden. Mit der Sicherung einer Gemeinbedarfsfläche z. B. für eine weiterführende Schule wird dem Ziel der Schaffung eines zukunftsorientierten, bedarfsgerechten Kita- und Schulangebotes entsprochen.“

Ganz Ähnliches hätte die Stadt auch bei den anderen Baugebieten formulieren können.

„Auf die Sicherung, Entwicklung und Vernetzung von Freiräumen im Sinn der doppelten Innenentwicklung, die Qualität und Intensität der Flächennutzung, sowie den Schutz von Gewerbegebieten ist ein hohes Augenmerk zu legen“, betonte das Planungsdezernat.

„Mehrfachnutzungen von öffentlichen Gebäuden und Freiflächen spielen eine wichtige Rolle.“ Und es betonte, wofür alles Flächen gesichert werden müssen: „Sicherung und Profilierung innerstädtischer Gewerbeflächen (zwischen Merseburger Straße und Franz-Flemming-Straße), Ausbau der Bildungsinfrastruktur, Ersatzneubau der Brücken Georg-Schwarz-Straße, Prüfung der Anwendung des Instrumentensets für bezahlbaren Wohnraum.“

Das enthält dann einige Forderungen der Grünen. Und ganz gewiss ist die Verwaltung gut beraten, bei der Innenentwicklung des Gebietes eine gute Bürgerbeteiligung zu organisieren, auch wenn der Grünen-Antrag dazu abgelehnt wurde.

Dass es zu der Vorlage nicht noch eine Debatte gab, lag auch daran, dass hinter diesem Schritt der gesamte Stadtrat steht. Die Vorlage zur Satzung wurde mit 56 : 0 Stimmen angenommen.

Die Debatte vom 9. Juli 2020 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Grüne und Linke vermissen in den Plänen zum Bahnbogen Leutzsch fast alles, was eine Stadt zum Leben braucht

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