Wer sich die Aufzeichnung der Stadtrats-Debatte vom 17. Juni 2020 anschaut, wird leicht feststellen, dass die neuen sozialen Erhaltungssatzungen für sechs Leipziger Stadtgebiete bis zur finalen Abstimmung schwer umkämpft waren. Sollen sie doch unter anderem in die Rechte von Vermietern bei Sanierungen eingreifen und dadurch Mieter vor sogenannten Luxussanierungen, stark steigenden Mieten und Vertreibung aus der angestammten Wohnumgebung schützen. Stadtrat Falk Dossin (CDU) stellte in den Raum, dass es zu Massenentmietungen, sogenannte „Leerzüge“ kommen könnte. Dem widersprach nun die Amtsleitung des Leipziger Bauamtes.
Darüber hinaus wollte so manche Stadträt/-in noch über den sogenannten „Kriterienkatalog“ abstimmen. Die im „Bündnis für bezahlbare Wohnen“ erarbeitete Richtlinie für die Verwaltung zu den einzelnen Bauvorhaben wie Videogegensprechanlagen, Balkonan- oder Fahrstuhleinbauten sah man noch nicht ausreichend im Fachausschusses Stadtentwicklung und Bau besprochen und eine Abstimmung im Stadtrat darüber sei nötig.
Dem drohenden Leerzug durch die Erhaltungssatzungen und der Abstimmungsnotwendigkeit des Kriterienkataloges widerspricht in einem Schreiben an die L-IZ.de nun Dr. Frank Amey, Amtleiter des Amtes für Wohnungsbau und Stadterneuerung der Stadt Leipzig. Bei der Lektüre des L-IZ-Artikels zu den Erhaltungssatzungen sei, „sicherlich basierend auch auf den Aussagen der Stadträte, nicht alles Gesagte richtig“.
Immerhin gehe es um zirka „48000 Wohneinheiten“, weshalb es hier einer Klarstellung in diesen „sehr wichtigen Aspekten“ bedarf.
So sei es nicht so, dass Vermieter sich einen Vorteil verschaffen könnten, wenn sie Häuser „leerziehen“, also entmieten, denn „zu genehmigen sind nach § 172 BauGB Veränderungen an bewohnten als auch an leerstehenden Wohnungen, die den Bestand, die Größe oder die Ausstattung von Wohnraum ändern. Jeder Genehmigung geht dabei eine Einzelfallbetrachtung voraus.“
Heißt auch, die Erhaltungsatzungen ändern laut Amey nichts an der Frage, ob Immobilien in den Gebieten Eisenbahnstraße, Connewitz, Lindenau, Alt-Lindenau, Eutritzsch und rings um den Lene Voigt-Park mit existenten Mietern oder ohne sie saniert wird.
Der Kriterienkatalog
In der Stadtratsdebatte monierten vor allem CDU-Vertreter, dass der Kriterienkatalog nicht mehr im Informationssystem Allriss der Stadt Leipzig zu finden sei. (Hier ist er wieder im Netz zu finden)
Wichtig ist dieser als Verwaltungsrichtlinie deshalb, weil hier all jene vermieterseitigen Baumaßnahmen – von der Vergrößerung oder Verkleinerung einer Wohnung, über Fahrstuhleinbauten bis hin zu Fragen der Anzahl von Bädern und Toiletten – geregelt werden. Eine Abstimmung im Stadtrat wird es über diese Kriterien nicht geben, so Bauamtsleiter Dr. Frank Amey, denn: „Der Beschluss von Genehmigungskriterien für Gebiete mit einer Sozialen Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB wurde seitens des OBM unter der Vorlagennummer VI-DS-08248 in der Dienstberatung am 05.05.2020 gefasst.“
Bei Lektüre des angegebenen Paragrafen 172 des Baugesetzbuches finden sich die grundlegenden rechtlichen Regelungen über die Eingriffsmöglichkeiten einer Kommune in sogenannten Erhaltungsgebieten.
Hierzu habe eine „rechtliche Prüfung des Rechtsamtes (…) ergeben, dass für den benannten Beschluss eine eigene Zuständigkeit des Oberbürgermeisters im Rahmen der Geschäfte der laufenden Verwaltung gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 Var. 1 SächsGemO besteht. Eine Beschlusszuständigkeit der Ratsversammlung besteht dann nicht.“, so Amey zur rechtlichen Bewertung der Verwaltung, dass der Kriterienkatalog nicht noch einmal im Stadtrat behandelt werden muss.
Darüber hinaus wurden laut des Bauamtsleiters „in mehreren Sitzungen des Fachausschusses Stadtentwicklung und Bau sowie des zeitweilig beratenden Ausschusses (…) im Vorfeld die Sachstände zu den Kriterien seit Anfang des Jahres eingebracht.“ Die Gespräche im „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ hätten zum Katalog einen weitgehenden Konsens ergeben.
Wie bereits berichtet, seien überdies die dargestellten Kriterien des Leipziger Wohn- und Ausbaustandards in den Erhaltungssatzungsgebieten „eine Handlungsanweisung für die Verwaltung und eine Orientierung für Antragsteller-/-innen“. Und Amey weiter, sie sind „nicht rechtsverbindlich und bilden nicht jeden Einzelfall ab“.
Mit Veröffentlichung der Erhaltungssatzungen in der nächsten Ausgabe des Leipziger Amtsblattes gilt demnach für die Gebiete an der Eisenbahnstraße, in Connewitz, Lindenau, Alt-Lindenau, Eutritzsch und rings um den Lene Voigt-Park: wer in seinen Immobilien Sanierungen vornehmen möchte, muss (wie bereits seit dem Aufstellungsbeschluss im Jahr 2019) im Sinne des Kriterienkataloges seine Bauanträge stellen.
Das Gutachten zum Kriterienkatalog & die Erhaltungssatzungen im Allriss
Die Debatte zu den Erhaltungssatzungen am 17. Juni 2020 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
Der Stadtrat tagt: Soziale Erhaltungssatzungen für sechs Leipziger Gebiete beschlossen + Video
Der Stadtrat tagt: Soziale Erhaltungssatzungen für sechs Leipziger Gebiete beschlossen + Video
Der Stadtrat tagt: Wie wirken soziale Erhaltungssatzungen in Leipzig? + Video
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