Mühsam nährt sich ja das Eichhörnchen. Eigentlich wissen alle, dass eine transparente Politik auch bei den Bürgern Vertrauen schafft. Und trotzdem verschwindet nicht nur der größte Teil der Verwaltungsarbeit hinter dicken Mauern, verschlossenen Türen und in abgeschotteten Gremien. Auch ein Großteil der Stadtratsarbeit findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das ist nur zum Teil begründbar, stellt die Grünen-Fraktion jetzt in einem Antrag fest.
Es geht um die Arbeit der Ausschüsse des Stadtrates. Einige wenige – wie der Jugendausschuss – tagen öffentlich. Die Tagesordnung wird auch öffentlich bekannt gemacht. Aber die meisten Ausschüsse tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Oft aus gutem Grund, nicht nur, weil hier oft auch sensible Daten verhandelt werden und Informationen, die eine Stadt wie Leipzig nicht öffentlich machen darf.
Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn tatsächlich sind die Ausschüsse der Ort, an dem sich auch die Positionen klären, die dann später in der Ratsversammlung noch einmal in Reden und Abstimmungsverhalten sichtbar werden.
In den Ausschüssen sitzen die von den Ratsfraktionen entsandten Stadträtinnen und Stadträte, die meist kompetent auf dem jeweiligen Fachgebiet sind. Ihnen gegenüber sitzen die ebenso fachlich zugeordneten Vertreter der Verwaltung, die hier nicht nur Rede und Antwort stehen und den Stadträt/-innen erläutern und erklären müssen, was in den Vorlagen steht. Sie stellen hier auch die Anliegen der Verwaltung vor, die einer Zustimmung des Stadtrates bedürfen.
Da wird dann oft heftig und gründlich diskutiert. Hier finden oft genau jene Auseinandersetzungen statt, von denen Demokratie lebt, wird sachlich gestritten, werden Positionen deutlich und man könnte zuschauen, wie sich die Ratsfraktionen ihre Meinung bilden.
Aber das kann man nicht. Leider, sagt das Journalistenherz. Zum Glück, sagen die Stadträtinnen und Stadträte. Denn gerade weil die Öffentlichkeit nicht zuschauen kann und die Boulevardzeitungen der Stadt daraus nicht gleich wieder Skandale und Zoffgeschichten machen am nächsten Tag, sind diese Diskussionen überhaupt möglich. Denn meistens stehen die Positionen der Fraktionen noch gar nicht fest, müssen auch die kompetentesten Stadträt/-innen erst mal nachfragen, sich ins Thema einarbeiten, aber auch die Verwaltung zum Nacharbeiten auffordern.
Deswegen wandern einige Vorlagen oft mehrmals durch die Ausschüsse, bis sie zur Entscheidung in der Ratsversammlung freigegeben werden.
Klar: Für Journalisten wäre das ein gefundenes Fressen. Für manche ist es das auch, wenn zum Beispiel einzelne Ratsfraktionen die Verschwiegenheitspflicht nicht ernst nehmen und mit ihrer eigenen Position aus der Ausschussdiskussion heraus an die Presse herantreten und damit versuchen, die öffentliche Meinungsbildung in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Das ist natürlich unfair. Und es zerstört auch die Vertrauensbasis dieser Ausschüsse, auf die sich alle Teilnehmer verlassen. Sonst kämen einfach keine wirklich sachlichen und wichtigen Diskussionen in Gang, würde jeder doch nur auf seinen parteilichen Vorurteilen hocken und von demokratischen Debatten wäre nichts zu sehen.
Aber was wollen jetzt die Grünen?
Sie wollen wenigstens eins öffentlich machen, was nicht ganz unwichtig ist für Presse und Öffentlichkeit: „Der Leipziger Stadtrat beschließt, dass die Tagesordnung der Fachausschüsse, sofern sie die öffentlich zugänglichen Stadtratsangelegenheiten (öffentliche Vorlagen und Anträge) betreffen, auch öffentlich zur Verfügung gestellt und im Allris abgebildet werden.“
Und als zweiter Beschlusspunkt: „Die Tagesordnungen der Dienstberatungen des Oberbürgermeisters sollen dem Stadtrat zur Verfügung gestellt werden.“
Letzteres macht ein klein bisschen Frust darüber öffentlich, dass der Oberbürgermeister in der Bürgermeisterrunde oft Beschlüsse fasst und sofort öffentlich verkündet, die auch für den Stadtrat überraschend und wie eine kalte Dusche kommen. Immerhin arbeitet man in derselben Stadt und am selben Projekt Zukunft. Da wäre es nur fair, einander auf dem Laufenden zu halten, woran man gerade arbeitet. Immerhin müssen auch viele Vorlagen aus der OBM-Runde danach im Stadtrat beschlossen werden.
Die Grünen-Fraktion erläutert ihr Anliegen natürlich auch: „Der Stadtrat hat eine Doppelfunktion. Im rechtlichen Sinne ist er Teil der Verwaltung und damit betraut, diese zu kontrollieren und Arbeitsaufgaben zu formulieren. Im politisch- demokratischen Sinne ist er das demokratisch legitimierte Teilorgan der Verwaltung mit der Aufgabe gemeinsam mit den Einwohner/-innen von Leipzig die Entwicklung der Stadt voranzutreiben. Dazu gehört die Kommunikation von Beschlüssen und die Erarbeitung von Anträgen zusammen mit Vereinen, Initiativen, Einwohner/innen der Stadt.“
Aber wie weit bedeutet das, dass Ausschusssitzungen öffentlich sein müssen oder können?
„Ausweislich der sächsischen Gemeindeordnung finden die Fachausschusssitzungen nicht öffentlich statt. Geschützt werden soll dabei die Meinungsbildung der Fachausschüsse, ohne dass diese zur öffentlichen Bühne werden“, stellen die Grünen fest.
„Im rechtlichen Sinne sind davon die Tagesordnungen nicht betroffen. Die Zurverfügungstellung der Tagesordnung von Fachausschüssen vereinfacht die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungswegen für die Einwohner/-innen der Stadt. Insbesondere weil es auch Aufgabe der Stadträt/-innen ist, in den Prozess der Meinungsbildung die Einwohner/-innen, Initiativen und Vereine der Stadt mit einzubeziehen.“
Ob und wann eine Vorlage im Ausschuss beraten wird, kann man derzeit nur feststellen, wenn man jedes einzelne Dokument im Allris aufruft. Natürlich bekommt man mehr Transparenz, wenn man erfährt, über welche Themen etwa der Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau am heutigen 2. Juni um 17 Uhr diskutiert. Kann damit gerechnet werden, dass eine wichtige Vorlage bald im Stadtrat auftaucht? Ist ein wichtiger Stadtratsantrag endlich auch auf Verwaltungsebene angekommen und wird jetzt bearbeitet?
Und so ähnlich ist das auch mit den OBM-Sitzungen, stellen die Grünen fest: „Für die Dienstberatungen des Oberbürgermeisters gilt, dass dort die Vorlagen, die den Ausschüssen zugehen, vorbesprochen werden. Gerade in jüngerer Vergangenheit ist es mehrfach dazu gekommen, dass Vorlagen für den Stadtrat, trotz gesetzlicher Fristen, sehr spät eingereicht wurden. Um die Nachvollziehbarkeit und damit auch das System von ,Checks and balances‘ zu stärken, soll die Tagesordnung der Dienstberatung öffentlich sein.“
Dann können nämlich auch die Stadträte nachschauen, ob der Oberbürgermeister ihre Anträge und Arbeitsaufträge ernst nimmt. Oder ob er doch lieber sein eigenes Ding zuerst durchzieht, weil er es für wichtiger hält.
Gab es überhaupt mal Geheimhaltungsschulungen für Leipzigs Stadträte?
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