Es ist eine Art Vorspiel zur kommenden Erhaltungssatzung, welches am 17. August 2019 in Leipzig startete. Da hatte die Stadt den Ratsbeschluss zur Erarbeitung von (auch) sogenannten Milieuschutzsatzungen fรผr gesamt 10 Stadtteile Leipzigs im Amtsblatt verรถffentlicht. Seither mussten die Baubehรถrden bereits entscheiden, ob Bauvorhaben bis zu 12 Monate zurรผckgestellt werden mussten oder inwieweit sie dem gewรผnschten Effekt der Neuregelungen widersprechen. Gleichzeitig erarbeitete das โ€žBรผndnis fรผr bezahlbares Wohnenโ€œ einen Kriterienkatalog zu nรถtigen und รผbertriebenen Sanierungen dafรผr. Zu beidem hatten heute CDU und Freibeuter eine Menge Fragen.

Im Kern geht es beim Gedanken einer sozialen Erhaltungssatzung um Wohnungen, welche im Standard eher am unteren Rand angesiedelt sind. Betroffen sind davon 12 Prozent des Leipziger Gesamtbestandes, wie Baudezernentin Dorothee Dubrau (parteilos) in ihren Antworten heute im Stadtrat prรคzisierte. Und deren schlagartige Aufwertung zur Vertreibung der entsprechenden Mieter fรผhren kรถnnte. Die Befรผrchtung bei manchem Vermieter hingegen: der Staat greife hiermit in das freie Spiel des Marktes ein, hemme Investitionen und fรผhre zu schlechten Wohnungsstandards in Leipzig.

Deshalb mรผht sich nunmehr seit fast einem Jahr das Baudezernat auf damaligen Antrag der Linken eine Satzung und โ€“ unter Leitung OB Burkhard Jungs โ€“ im โ€žBรผndnis fรผr bezahlbares Wohnenโ€œ einen Kriterienkatalog zu erarbeiten. Wichtigste Punkte bei den heutigen Nachfragen der CDU und FDP: was ist bei Sanierungsvorhaben nun genau betroffen, wie soll der Kriterienkatalog aussehen? Und welche Auswirkungen habe bereits das Vorlaufjahr bei den Wohnungsvermietern gehabt, wie verlaufen wohl die Prรผfungsverfahren und die Fallzahlen?

Fragen, die aus Sicht Burkhard Jungs speziell beim sogenannten Kriterienkatalog in einer โ€žausgesprochen konstruktiven Debatte zwischen Vermietern, Haus und Grund e. V., Mieterschutzvereinen im โ€žBรผndnis fรผr bezahlbares Wohnenโ€œ besprochen wurdenโ€œ. Er sei glรผcklich, dass ebenda offen um teure Sanierungen, Fahrstuhleinbauten, Zweitbalkone und โ€“ man hรถre und staune โ€“ wohl mehrfach um Videogegensprechanlagen und damit verbundene Mieterhรถhungen im Sinne aller Seiten gerungen wurde.

Bei Videoanlageneinbauten seien noch Probleme zu erkennen, gab Jung zu, wie auch bei mรถglichen Zuschnittverรคnderungen von Wohnungen.

Behindert der Sinn der Erhaltungssatzung Investitionen?

Die vor allem angefragte Baudezernentin Dorothee Dubrau (parteilos) hatte hingegen erste Praxiserfahrungen dabei. Und verwies auf Nachfrage noch einmal darauf, dass auch der Kriterienkatalog zukรผnftig nicht per se rechtsverbindlich sei โ€“ jedes Bauvorhaben mรผsse dennoch einzeln geprรผft werden. Dabei sei aus Erfahrung aus anderen Stรคdten klar, dass meist Mietereinwรคnde zu Prรผfungen fรผhren wรผrden.

Seit der amtlichen Bekanntmachung zur entstehenden Erhaltungssatzung seien bislang 153 Bauantrรคge durch die Stadt Leipzig im Sinne der kommenden Erhaltungssatzungen bearbeitet worden, mit deutlichem Schwerpunkt im Gebiet innerer Osten mit 55 Prรผfungen von Sanierungsvorhaben oder Neubauten, gefolgt von Plagwitz mit 53 Stรผck.

Die noch 2019 im Stadtrat vermutete Verwaltungsรผberlastung lieรŸ sie dabei nicht erkennen, die Mehrzahl der Fรคlle seien binnen von zwei Wochen geprรผft und beschieden worden, 28 Bauantrรคge oder Bauvorantrรคge mussten aus sozialen Gesichtspunkten mit den Vorhabentrรคgern besprochen und verรคndert werden.

10 Projekte, hier laut Dubrau bei Anbauideen von Zweitbalkonen oder die Umwandlung von Miet- in Ferienwohnungen wurden nach Zurรผckweisungen neu und deutlich verรคndert eingereicht, nur vier Vorhaben bleiben bis zum Beschluss der Erhaltungssatzungen zurรผckgestellt und werden danach entschieden. Bis dahin mรผssten dann auch die gesamt sechs neuen Personalstellen besetzt sein, bislang haben vier Mitarbeiter ihre Arbeit bereits aufnehmen kรถnnen, zwei โ€“ darunter offenbar eine juristische Leitungsposition โ€“ fehlen noch.

Offene Probleme

Wenn die Erhaltungssatzung heute tatsรคchlich beschlossen sein sollte (wurde sie, siehe Bericht), sieht Dorothee Dubrau zukรผnftig vor allem beim Thema Fahrstuhleinbauten den Widerspruch zwischen dadurch relativ deutlich steigende Mieten und altersgerechtem Wohnen fรผr Senioren in Leipzig.

Auf Nachfrage von Sven Morlok (FDP) wurde dann noch ein weiteres Problem deutlich. Bei endgรผltig abgelehnten Fรคllen nach der Erhaltungssatzung ist zwar dann noch ein Widerspruch und auch ein Gang vor diverse Gerichte mรถglich. Wird hier der Klรคger jedoch abgewiesen und die Stadt gewinnt, stรผnde Leipzig in der Verpflichtung, die Immobilien oder Bauflรคchen anschlieรŸend zu kaufen. Dazu bereite das Baudezernat noch eine Einschรคtzung fรผr den Stadtrat vor, so Dubrau.

Einen kommunalen Etat fรผr solche Kรคufe gรคbe es jedoch noch nicht.

Die Anfragen der CDU und Freibeuter am 17. Juni 2020 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Der Stadtrat tagt: Soziale Erhaltungssatzungen fรผr sechs Leipziger Gebiete beschlossen + Video

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Nach รผber einem Jahr kommen die Leipziger Milieuschutzsatzungen am 10. Juni im Stadtrat zur Abstimmung

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