Seitdem der Stadtrat entschieden hat, die Arndtstraße in Hannah-Arendt-Straße umzubenennen, gibt es in Leipzig wieder eine Diskussion über die Namensgeber/-innen von Straßen und Plätzen. Einige dieser Personen haben sich beispielsweise rassistisch oder antisemitisch geäußert. Auf Initiative der Grünen-Fraktion soll es in diesen Fragen künftig mehr wissenschaftliche Beratung für den Stadtrat geben.

In Leipzig wird künftig eine wissenschaftliche Kommission den Stadtrat bei Benennung und Umbenennung von Straßen beraten. Das hat die Ratsversammlung am Mittwoch, den 17. Juni, entschieden.

Ausgangspunkt war ein Antrag der Grünen-Fraktion, die alle derzeitigen Straßen- und Platznamen durch eine solche Kommission bewerten lassen wollte. Aktuell gibt es beispielsweise Kontroversen zur geplanten Umbenennung der Arndtstraße in Hannah-Arendt-Straße. Das hatte der Stadtrat beschlossen; Bürger/-innen wollen sich mittels Petition und möglicherweise Klage nun dagegen wehren.

Bert Sander (WVL) und Norman Volger (mitte) aus der Grünen Fraktion im Stadtrat Leipzig. Foto: Michael Freitag
Bert Sander (mitte) und Norman Volger (rechts) aus der Grünen Fraktion im Stadtrat Leipzig. Foto: Michael Freitag

Stadtrat Bert Sander – der als Mitglied der Wählervereinigung in der Grünen-Fraktion sitzt – verwies in der Debatte auf die aktuelle Situation nach dem Tod des US-Amerikaners George Floyd. Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland gebe es vieles aufzuarbeiten: Rassismus, Kolonialismus und Antisemitismus zum Beispiel. Der Stadtrat und die bereits bestehende AG Straßennahmen seien keine wissenschaftlichen Kommissionen, die das wirklich beurteilen könnten.

Linken-Stadtrat Marco Götze begrüßte die Initiative aus der Grünen-Fraktion. Die AG Straßennahmen habe „wertvolle Arbeit“ geleistet, aber es sei auch sinnvoll, auf das Wissen von Universität und Stadtgeschichtlichem Museum zurückzugreifen. Der Stadtrat würde trotzdem in der Pflicht bleiben, Benennungen und Umbenennungen zu debattieren und politisch zu betrachten.

Kritik an dem Vorhaben kam aus AfD und CDU. AfD-Stadtrat Karl-Heinz Obser warf den Grünen vor, dass es ihnen darum ginge, politisch unliebsame Personen aus dem Straßenbild zu entfernen. Andreas Schultz aus der CDU-Fraktion verglich die Umbenennung von Straßen in Leipzig mit einer „Hexenjagd“. Seiner Fraktion sei der Zustand von Straßen wichtiger als die Person, nach der sie benannt sind. Straßen sollten nur „im höchsten Notfall“ umbenannt werden.

Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek betonte abschließend, dass im Zuge der weltweiten „Black Lives Matter“-Bewegung jetzt der passende Moment sei, über Sprache, Denkmäler und ähnliches nachzudenken. An die Adresse der AfD sagte er, dass diese zum ersten Mal „nicht daran interessiert ist, Menschen zu entsorgen“. Das war eine Anspielung auf eine Äußerung von Alexander Gauland, der über die Entsorgung einer Person in Anatolien gesprochen hatte.

Am Ende standen mehrere Anträge zur Wahl: unter anderem ein Verwaltungsstandpunkt, den die Grünen-Fraktion übernommen hatte, und ein Änderungsantrag von Bert Sander. Letzterer war besonders weitreichend, weil er die eingangs erwähnte Kommission beinhaltete.

Vor allem mit den Stimmen aus Linksfraktion und Grünen-Fraktion gab es für diesen Antrag eine knappe Mehrheit. Dieser sieht auch eine umfassende Beteiligung von Bürger/-innen vor. Die finale Entscheidung über Straßennamen liegt weiter beim Stadtrat.

Die Debatte vom 17. Juni 2020 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Leipzigs Jugendparlament erklärt sich für die Umbenennung der Arndtstraße

Leipzigs Jugendparlament erklärt sich für die Umbenennung der Arndtstraße

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