Auch dieses Thema beschäftigt den Leipziger Stadtrat schon länger. Den ersten Vorstoß aus den Ratsfraktionen zu einem Zweckentfremdungsverbot von Wohnungen gab es 2015, als erstmals Meldungen für Aufmerksamkeit sorgten, wie die Geschäftsmodelle digitaler Ferienwohnungsvermittler den Wohnungsmarkt auch in deutschen Großstädten beeinflussten. Leipzigs Verwaltung sah damals noch keinen Handlungsdruck. 2018, als SPD und Grüne nachlegten, dann schon.
Da stimmte die Verwaltung dann auch dem Anliegen zu, das Ausmaß der Zweckentfremdung von Wohnungen erst einmal zu ermitteln. Das dauerte dann freilich auch wieder seine Zeit. Am Mittwoch, 13. Mai, legte die Stadt nun erstmals Zahlen vor, die zeigen, wie viele Wohnungen nicht als Wohnraum zur Verfügung stehen.
Die Ergebnisse der jetzt vorgelegten Datenerhebung sowie die daraus resultierenden Schlussfolgerungen werden dem Freistaat Sachsen übergeben, um die im Jahr 2018 durch den Stadtrat beauftragte Gesetzesinitiative für kommunale Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Wohnraumzweckentfremdung näher zu begründen.
Dabei soll der Schwerpunkt darauf liegen, die Umnutzung ganzer Wohngebäude in Ferienwohnungen und spekulativen Leerstand zu verhindern. So könne perspektivisch bezahlbarer Wohnraum erhalten werden. Die Daten der Erhebung werden in einem Bericht auch dem Stadtrat vorgelegt, kündigt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau an.
Der Untersuchung im Auftrag des Stadtplanungsamtes zufolge dienten in Leipzig im Jahr 2019 rund 600 der stadtweit etwa 340.000 Wohnungen dauerhaft als Ferienwohnungen, circa 8.400 wurden – beispielsweise als Kanzleien oder Büros – gewerblich genutzt; rund 12.000 standen leer.
Nicht alle diese Wohnungen sind relevant für die Anwendung von Zweckentfremdungsverboten: Wohnungen werden dann zweckentfremdet, wenn sie nicht zum Wohnen verwendet werden, etwa wenn daraus eine Kanzlei oder ein Büro wird oder sie länger als drei Monate unbewohnt sind. Nicht aber, wenn eine Wohnung wegen eines Umzugs kurzzeitig leersteht.
Aus einem möglichen Zweckentfremdungsverbot können sich Konflikte mit gewerblicher und freiberuflicher Nutzung ergeben, beispielsweise, weil Arztpraxen oder soziale Einrichtungen in umgenutzten Wohnungen die Lebensqualität in den Quartieren erhöhen. Auch aus den Anforderungen des Tourismus entstehen Widersprüche, denen Rechnung getragen werden muss.
Jährlich kommen laut Gutachten schätzungsweise 500 neue Zweckentfremdungen im engen Sinn hinzu, stellt die Verwaltung fest. Hierbei handelt es sich überwiegend um Bestandswohnungen, die im Vergleich zu neu errichteten Wohnungen im Mietpreissegment deutlich günstiger angesiedelt sind.
Dabei werden durch die Ferienwohnungsnutzung vor allem kleine Appartements, für die stadtweit eine große Nachfrage besteht und die nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe vergleichsweise preisgünstig sind, der Wohnnutzung entzogen. Von Zweckentfremdungen sind insbesondere die innenstadtnahen, stark nachgefragten Ortsteile betroffen. Hier registriert die Verwaltung auch vermehrt Anträge auf Nutzungsänderungen ganzer Wohngebäude hin zu Ferienwohnungen.
Der „Markt“ funktioniert also, denn mit der Vermietung als Ferienwohnung können die Eigentümer deutlich mehr Geld verdienen als mit einer Vermietung als Wohnung. Die Preise liegen nach dieser Untersuchung bei rund 60 Euro pro Tag für eine komplett vermietete Wohnung. Im Zentrum liegen sie mit 70 bis 90 Euro sogar noch deutlich darüber. Damit wird die Zweckentfremdung natürlich lukrativ, stört aber den eh schon knappen Leipziger Mietwohnungsmarkt erheblich.
Seit 2016 ist vor allem das Angebot an Wohnungen, die dauerhaft als Ferienunterkunft zur Verfügung stehen, massiv gestiegen. Sie werden also nicht mehr als zeitweilig nicht genutzte Wohnung vermietet, sondern sind oft professionelle Angebote, die nur noch vortäuschen, dass es hier sonst dauerhafte Mieter geben könnte.
Der Anteil der Wohnungen, die länger als sechs Monate derart per Inserat angeboten werden, beträgt mittlerweile über 60 Prozent. Nur noch 18 Prozent der angebotenen Wohnungen genügen tatsächlich dem ursprünglichen Denkansatz von Airbnb.
Nicht überraschend, aber dennoch verblüffend ist der mit 14,3 Prozent sehr hohe Anteil dauerhaft als Ferienwohnung durch Airbnb vermietete Bestand aller Wohneinheiten in der Innenstadt, dort, wo eigentlich auch genug Hotel- und Hostelplätze zur Verfügung stehen und weitere gebaut werden. Aber auch in den angrenzenden Vorstädten liegt der Wert zwischen 4 und 7 Prozent.
Spannend ist die Erhebung noch aus einem anderen Grund: Sie zeigt nämlich, dass gar nicht alle Wohnungen, die jedes Jahr neu gebaut werden, tatsächlich dem Wohnungsmarkt zugute kommen.
Die Untersuchung stellt dazu fest: „Angesichts der beschriebenen Dynamik wird geschätzt, dass pro Jahr ca. 500 zusätzliche Wohnungen zweckentfremdet werden. Dieser Wert entspricht rund 30 % der statistisch erfassten Baufertigstellungen des Jahres 2017 bzw. etwa 20 % der zu erwartenden Baufertigstellungen der kommenden Jahre.“
Kommunen brauchen Handlungsspielraum, um Umnutzungen zu Ferienwohnungen oder Büros zu untersagen
Kommunen brauchen Handlungsspielraum, um Umnutzungen zu Ferienwohnungen oder Büros zu untersagen
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