Immer wieder machte der NABU Leipzig in den letzten Jahren darauf aufmerksam, dass bei Sanierungen und Neubauten in Leipzig auch immer wieder Nistplätze und Bruthöhlen von in der Stadt lebenden Vögeln – oft mutwillig – zerstört wurden. Die Grünen-Fraktion im Rathaus griff das Thema jetzt auf und wollte von der Verwaltung wissen, wie sie eigentlich mit den Anzeigen dieser Verstöße umgeht. Aber das antwortende Dezernat Stadtentwicklung und Bau wundert sich nur: Wir bekommen doch kaum Anzeigen!
Genauer: Es ist das Amt für Umweltschutz, das sich über fehlende Anzeigen wundert.
„Im Einführungstext der Anfrage wird u. a. eine ,Nichtbeachtung des gesetzlich vorgegebenen Artenschutzes für Gebäudebrüter‘ bei ,zahlreichen (nicht)städtischen Gebäudesanierungen‘ ausgeführt, sowie die ,erfahrungsgemäße‘ Feststellung, ,dass der Artenschutz erst Beachtung findet, wenn es bereits zu spät ist‘. Letzteres würde ,häufig [bedeuten], dass Tiere, die sich mitten in der Brut und Aufzucht befinden, zu Tode kommen, Eier oder Jungvögel eingemauert oder entfernt werden.‘“, formuliert die Antwort des Baudezernats auf die Anfrage der Grünen diese Verwunderung.
„Diese Aussagen nimmt die Untere Naturschutzbehörde im Amt für Umweltschutz mit Verwunderung zur Kenntnis, da die Anzahl der ihr angezeigten bzw. selbst festgestellten Verstöße gegen artenschutzrechtliche Verbote im Zusammenhang mit Gebäudesanierungen die getroffene Einschätzung ,zahlreich‘ oder gar ,häufig‘ nicht belegen kann. Gemessen an den Gebäudesanierungen in der Stadt sind solche bedauerlichen Verstöße die Ausnahme. Erlangt die Untere Naturschutzbehörde von einem solchen Verstoß Kenntnis, leitet sie die erforderlichen Maßnahmen wie Baustopp und Ordnungswidrigkeitsverfahren ein.
Anzumerken ist zudem, dass das Einmauern/Töten von Vögeln nach § 17 des Tierschutzgesetzes (unabhängig ihres naturschutzrechtlichen Status) eine Straftat darstellen kann. In einem solchen Fall sollte deshalb auch immer umgehend eine Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden erfolgen.
Zu den ,beiden [nicht konkret benannten] Fällen‘, in denen von der Unteren Naturschutzbehörde eine ökologische Baubegleitung nicht beauflagt worden sei, ist anzumerken, dass die Beauflagung einer ökologischen Baubegleitung immer einer auf jeden Einzelfall bezogenen fachlichen und rechtlichen Prüfung bedarf und nicht a priori festgesetzt werden kann.
Unabhängig davon erteilt die Untere Naturschutzbehörde artenschutzrechtliche Genehmigungen grundsätzlich u. a. nur unter der Bedingung, dass die Arbeiten sofort unterbrochen werden, wenn bei deren Ausführung vom Antragsteller oder von in seinem Auftrag handelnden Personen festgestellt wird, dass sich in/an dem betreffenden Gebäude Fledermäuse aufhalten oder in/an dem Gebäude Vogelnester mit Eiern oder Jungvögeln vorgefunden werden. In diesen Fällen ist die untere Naturschutzbehörde umgehend zu unterrichten und deren Entscheidung abzuwarten.“
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Kann es sein, dass die Bürger, die solche Verstöße feststellen, sich dann doch lieber gleich an den NABU Leipzig wenden, der dann oft auch umgehend Rettungsmaßnahmen einleitet? Und der dann auch Strafanzeigen stellt und immer wieder fragt, ob man es bei zugemauerten Nisthöhlen immer nur mit „Einzelfällen“ zu tun hat?
Wobei die Grünen natürlich auch nach der Prävention fragen. Denn wenn die zuständige städtische Behörde schon vorher die betroffenen Gebäude untersucht, müsste sie ja einen guten Überblick über die gefährdeten Nist- und Bruthöhlen haben und entsprechend handeln können. Aber genau das passiert nicht. Auch nicht prophylaktisch. Das Ganze ist für die Leipziger Stadtverwaltung eine riesige Grauzone. Und das trifft auch auf viele Gehölzbeseitigungen im Zusammenhang mit Sanierungen zu, die der NABU Leipzig ebenso vehement kritisiert – damit aber augenscheinlich allein auf weiter Flur steht.
Die Fragen und Antworten komplett:
Bei welchen Bauvorhaben und Sanierungen von (nicht)städtischen Gebäuden wurden in den Jahren 2017 bis 2019 Artenschutzgutachten für gebäudebewohnende Tierarten durchgeführt (bitte Angaben mit Straße und Hausnummer oder Flurstücksnummer)?
Sofern für Bauvorhaben/Sanierungen von Gebäuden eine bauordnungsrechtliche oder denkmalschutzrechtliche Gestattung im Amt für Bauordnung und Denkmalpflege erforderlich ist, unterliegt das besondere Artenschutzrecht nicht der Konzentrationswirkung dieser Verfahren (kein aufgedrängtes Fachrecht). Die Untere Naturschutzbehörde ist daher an diesen Genehmigungsverfahren vom Gesetz her leider weder zu beteiligen noch beteiligt. Bauvorhaben und Sanierungen von Gebäuden sind zudem nicht bei der Unteren Naturschutzbehörde anzeigepflichtig und das Gesetz sieht in Sachsen auch nicht vor, dass ein Bauherr vor jeder Sanierung ein Artenschutzgutachten (quasi zum Beweis der Nicht-Betroffenheit artenschutzrechtlicher Verbote) erstellen lassen muss.
Die Verwaltung kann somit keine generelle Auskunft zur o. g. Frage geben. Die direkt bei der Unteren Naturschutzbehörde eingereichten Artenschutzgutachten (welche mitunter aber auch keine artenschutzrechtlich relevanten Befunde beinhalten) werden zudem nicht in einer Datenbank erfasst, eine Beantwortung der Frage ist daher auch nicht mit einem angemessenen Aufwand möglich.
Auf welchen Flurstücken (bitte Angaben mit Straße und Hausnummer oder Flurstücksnummer) wurden Nistkästen als Ersatzlebensstätten (siehe Merkblatt Stadt Leipzig „Naturschutzrechtliche Vorschriften für Sanierungen und Abbrüche von Bauwerken“) errichtet?
Nistkästen als Ersatzlebensstätten können in zahlreichen Verfahren und aus unterschiedlichen Gründen (z. B. auch als CEF-Maßnahme) errichtet worden sein, und zwar ohne, dass die Untere Naturschutzbehörde involviert war oder gar einen eigenen Bescheid erlassen hat. Die von der unteren Naturschutzbehörde im Rahmen eines eigenen Verwaltungsaktes festgesetzten Ersatzlebensstätten werden nicht in einer Datenbank erfasst, eine Beantwortung der Frage ist daher nicht mit einem angemessenen Aufwand möglich.
Um die ökologisch-funktionale Einheit für Gebäudebrüter zu gewährleisten, fragen wir an: Wurden auch Strauchpflanzungen im Umfeld der Nistkästen beauflagt und umgesetzt, um die nach BNatschG dazugehörigen Ruhestätten zu gewährleisten? Wenn ja, auf welchen Flächen, bitte mit Angabe der Flurstücksnummer?
Im Zusammenhang mit der Sanierung von Gebäuden ist die Beseitigung von Gehölzen regelmäßig nicht Gegenstand der bei der unteren Naturschutzbehörde eingereichten Anträge. Sofern Gehölze eine gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG besonders geschützte Fortpflanzungs- und/oder Ruhestätte sind, entscheidet die untere Naturschutzbehörde bei Verlust auch über den erforderlichen Ersatz (wie z. B. Strauchanpflanzungen). Eine zentrale Erfassung ist gesetzlich nicht vorgesehen – und erfolgt durch die untere Naturschutzbehörde auch nicht.
Welche Ressourcen nutzt die Stadt Leipzig zum Schutz von gebäudebewohnenden Tierarten? Bitte diese Ressourcen einzeln aufzählen und konkret benennen, z.B. Artdatenbanken, Anwohnerhinweise, Gebäuderichtlinien, Planungsrichtlinien, Personalaufwand etc.
Die Untere Naturschutzbehörde nutzt neben eigenen Feststellungen die Zentrale Artendatenbank Sachsen und die Informationen des ehrenamtlichen Naturschutzdienstes, insbesondere aber auch die Hinweise von anerkannten Naturschutzvereinigungen, von Ornithologen, von Planungsbüros und Gutachtern sowie Hinweise von Bürgern (meist Anwohnern).
Welche (nicht)städtischen Gebäude sind als Lebensstätten für Vogelarten bekannt bzw. registriert oder wurden in der Vergangenheit bereits untersucht?
Der Unteren Naturschutzbehörde sind in der Stadt mehrere Hundert Gebäude bekannt, welche als Fortpflanzungs- und/oder Ruhestätte für Vögel fungieren, die Palette reicht dabei von großen Gebäuden (wie z. B. der Oper und dem Neuen Rathaus) bis zum Einfamilienhaus und der Gartenlaube. Eine zentrale Erfassung ist gesetzlich nicht vorgesehen und erfolgt durch die untere Naturschutzbehörde auch nicht.
Wann (Zeiträume, Zeitabstände) und mit welchen Methoden finden bei den seitens der Stadt bereits als regelmäßige Lebensstätten nachgewiesenen (nicht)städtischen Gebäuden Untersuchungen zu Gebäudebrütern statt?
Die der Unteren Naturschutzbehörde bekannten, regelmäßig von Gebäudebrütern genutzten Fortpflanzungs- und/oder Ruhestätten werden nur anlassbezogen untersucht. Die Untersuchungsmethode hängt dabei von der jeweiligen konkreten Situation und dem Erfordernis ab.
Finden Nachkontrollen bezüglich der Besiedelung und Funktionalität der als Ausgleich geschaffenen Ersatzlebensstätten sowie der dazugehörigen Ruhestätten im Sinne einer ökologisch-funktionalen Einheit statt? Wenn ja, wann, durch wen (u. a. Personalaufwand), mit welchen Methoden und unter welchen Voraussetzungen finden Nachkontrollen statt?
Wie zu Frage 2 ausgeführt, können Nistkästen als Ersatzlebensstätten in zahlreichen Verfahren und aus unterschiedlichen Gründen (z. B. als CEF-Maßnahme) errichtet worden sein und zwar ohne, dass die untere Naturschutzbehörde involviert war oder gar einen eigenen Bescheid erlassen hat. Die Behörde kann daher auch nur eine Aussage bzgl. der im Rahmen eines eigenen Verwaltungsaktes festgesetzte Ersatzlebensstätten geben.
In ihren Bescheiden wird in der Regel die Vorlage eines Lageplanes sowie einer Fotodokumentation zu den realisierten Ersatzmaßnahmen festgesetzt. In Abhängigkeit von der Bedeutung der Angelegenheit und der personellen Kapazitäten erfolgt dann meist die Abnahme und ggf. später auch noch eine entsprechende Nachkontrolle durch die Untere Naturschutzbehörde.
Warum die Alpenfledermaus auf einmal einen Plattenbau in Leipzig toll findet
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Dass die Naturschutzbehörde kaum etwas von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten weiß oder wissen will (denn es gibt unterschiedliche “Rechtsauffassungen”), ist ja Teil des Problems und heißt leider nicht, dass sie nicht stattfinden (www.NABU-Leipzig.de/Wohnungsnot. Was dem NABU bekannt wird, ist aber nur ein kleiner Teil des Problems, und nicht alle diese Fälle kann der NABU auch veröffentlichen, insofern kann man die Ausmaße des Tiermords nur erahnen oder schätzen). Es gibt ein Umsetzungsdefizit des Bundesnaturschutz- und auch des Tierschutzgesetzes, weil artenschutzfachliche Gutachten vor Bauarbeiten nicht vorgeschrieben sind und weil ökologische Zusammenhänge zwischen Bauarbeiten, Lebensräumen und beseitigten Gehölzen nicht gesehen werden. Wer schnell genug baut, kommt oft ungestraft davon, weil die zerstörten Fortpflanzungs- und Ruhestätten nicht mehr zu belegen sind. Wenn die Behörde stets und ständig von Bürgern Beweise und Erläuterung der Rechtslage verlangt, bevor sie tätig wird, wird die Zuständigkeit einfach ignoriert. Die “Kommune der Biologischen Vielfalt (www.kommbio.de) hätte aber die Verpflichtung hier vorzusorgen. Eine nachhaltige Stadtentwicklung würde sogar über das geltende Naturschutzrecht hinaus gehen, aber wenigstens das bestehende Recht sollte die Behörde durchsetzen. Zudem müsste die Stadtverwaltung Leipzig wenigstens bei kommunalen Bauprojekten mit gutem Beispiel voran gehen, auch das ist leider nicht oder nur ausnahmsweise der Fall.
Dass in vielen Fällen Bauarbeiten gar nicht angezeigt werden müssen, ist ein Problem, das man aber durch eine umfangreiche Datenerhebung und Kontrolle lösen könnte. Mehr Personal für die Naturschutzbehörde scheint in der wachsendesn Stadt eine Notwendigkeit zu sein. Zudem sollte man Hinweise von Bürgern und Naturschutzverbänden bereitwillig entgegennehmen, wenn schon das eigene Personal nicht alles kontrollieren kann. Dass die Naturschutzbehörde in vielen Fragen des Biotop- und Artenschutzes gar nicht einbezogen wird, sondern die Verantwortung in anderen Ämtern liegt, ist unbegreiflich und wird vom NABU bereits seit Jahren immer wieder hinterfragt. Weshalb die Stadtverwaltung die Kompetenz in den eigenen Reihen nicht nutzt, ist schwer zu verstehen. Stadtnatur gehört zu einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung, und die Naturschutzgesetze sind keine unverbindlichen Handlungsempfehlungen oder Wunschlisten.
Leider führen selbst gut belegte Fälle, die bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige kommen, kaum einmal zu einem Strafverfahren, beispielsweise mit der Begründung, “Tötung besonders geschützter Tiere ist zwar strafbar, aber der NABU hat die Tiere ja rechtzeitig gerettet, deshalb liegt keine Straftat vor. Der Versuch ist nicht strafbar.” oder “Fassasdenarbeiten finden zwar gewerbsmäßig statt, aber nicht um gewerbsmäßig Tiere zu töten, deshalb ist kein Vorsatz gegeben.” Oder “Es gab die Auflage, die Baumfällungen zu beenden, sobald ein Nistplatz gefunden wird.” Auf einer Strecke von hundert Metern gab es aber mitten in der Brutzeit kein einziges Nest und auch sonst kein geschützes Lebewesen – nicht glaubhaft. So steht Naturschutz im Zweifelsfall nur im Gesetz, und Papier ist geduldig.
Nahezu täglich werden dem NABU ähnliche Fälle von verzweifelten Bürgern gemeldet, aber der NABU ist nicht die Behörde, nur sie kann ahnden, weiß aber von nichts? Sicher sind das nur wenige Fälle, verglichen mit dem Bauboom, aber man muss leider befürchten, dass die meisten Missetaten schlichtweg unbemerkt bleiben. Wenn man eine gemeldete Zerstörung von Lebensstätten gar nicht als rechtswidrig betrachtet, sind es automatisch nur sehr weinge Fälle. Nichtstun ist also ein Problem, nicht vorsorgen aber das viel größere. Der gesetzliche Biotop- und Artenschutz muss bei Bauarbeiten ebenso beachtet werden wie Denkmalschutz und Statik. Eigentlich. Doch in der Praxis ist es anders, denn das eine wird kontrolliert und das andere nicht. Bekenntnisse zu Biodiversität und Stadtgrün bleiben so nur Lippenbekenntnisse.
Gemeinsam haben Leipziger Naturschutzverbände mit einer Petition (www.NABU-Leipzig.de/Petition) ein Umsteuern gefordert. Sie wurde beim Stadtrat eingereicht – die Initiatoren sind gespannt, ob man auf die Forderungen und Verbesserungsvorschläge von mehr als 6.000 Unterzeichnern eingehen wird.
Der NABU befindet sich in einem ständigen Dialog mit den Ämtern, hier und da gibt es auch Positivbeispiele, Dinge verändern sich. Die Notwendigkeit dafür muss man aber offenbar wieder und wieder betonen. Da die Vereinsmitglieder des NABU das alles in ihrer Freizeit realisieren, ist jede Unterstützung dabei sehr willkommen.