Es ist der berühmte Pelz, der da im Norden vor den Toren der Stadt Leipzig liegt. Nicht das Bärenfell, das verteilt werden soll, sondern der Pelz, der gewaschen werden soll, ohne dass Leipzig dabei nass wird. Das wird deutlich, wenn das Leipziger Amt für Wirtschaftsförderung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion antwortet, die durchschimmern lässt, warum Leipzigs Verwaltung sich hütet, beim Thema Fluglärm besonders laut auf den Tisch zu hauen.

„Seit spätestens Mitte 2019 ist offiziell bekannt, dass der Flughafen mit Unterstützung der Landesregierung Sachsen in den nächsten drei Jahren 500 Millionen Euro in den Ausbau des Leipziger (Militär- und) Frachtflughafens investieren will“, stellten die Grünen in ihrer Anfrage fest.

„Der mit dem bundesrepublikanischen GroKo-Projekt ,zentrales europäisches Frachtdrehkreuz‘ im Zusammenhang stehende weitere Ausbau bedeutet nicht nur eine Vervielfachung der gesundheitlichen Belastung der Bevölkerung durch Lärm, Stickoxide und Feinstaub, sondern überhaupt eine Vervielfachung des CO2- Ausstoßes.“

Insbesondere die Frachtfluggesellschaft DHL will ihre Vorfeldkapazitäten um 50 Prozent erweitern, was natürlich bedeutet, dass künftig noch mehr Frachtflüge starten und landen – und zwar vorrangig in der Nacht, wo der Hauptteil des Frachtgeschäfts abgewickelt wird.

Als die Grünen anfragten, hatte dazu aber erst eine öffentliche Informationsveranstaltung in Schkeuditz stattgefunden. Wollte DHL also die kritischen Bürgermeinungen in Leipzig klammheimlich umgehen? So sah das zumindest aus.

Das Dezernat Wirtschaft, Arbeit und Digitales erklärt nun, nachdem tatsächlich noch eine weitere Veranstaltung nach dem gleichen Muster in Lützschena stattgefunden hat: „Eine vergleichbare Informationsveranstaltung im Vorfeld des Planänderungsverfahrens zur Vorfelderweiterung im Bereich des DHL-Drehkreuzes erfolgte am 31.01.2010; 18:00–20:00 Uhr in der Hallesche Straße 190 (Lützschena-Stahmeln). Die Mitglieder des Fachausschusses Umwelt und Ordnung wurden kurzfristig über den Termin informiert.“

Schon das bestätigt ja die Bedenken der Grünen, die das Wirtschaftsdezernat auch dadurch zu zerstreuen versucht, dass es auf einige vorhergehende Veranstaltungen verweist: „Eine ,sehr frühe‘ Informationsveranstaltung erfolgte am 09.04.2019 im Gartenverein Lindenthal Südwest im Rahmen einer öffentlichen Ortschaftsratssitzung. Vertreten waren Bürger, Gemeinde- und Stadträte, Bundes- und Landtagsabgeordnete sowie Vertreter von Bürgerinitiativen (insgesamt etwa 70–80 Personen).

Die Geschäftsführer von Flughafen (J. Jähn) und EAT (M. Otto) haben über die Ausbauvorhaben berichtet und sich anschließend Fragen aus dem Publikum gestellt. Darüber hinaus wurde das Vorhaben in einer nicht-öffentlichen Sitzung am 05.03.2019 dem Fachausschuss Umwelt und Ordnung vorgestellt. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens wird die weitere Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen. Die Stadtverwaltung hat sich mit dem Wunsch an Flughafen und DHL gewandt, bei der zukünftigen Öffentlichkeitsbeteiligung Fragen und deren Beantwortung auch im Plenum zu ermöglichen.“

Denn genau das war bei den Bürgerveranstaltungen in Schkeuditz und Lützschena nicht möglich gewesen.

Wobei die Frage bleibt, warum die Veranstaltungen am 9. April 2019 und 5. März 2019 so wenig Echo gefunden haben. Wussten die Teilnehmer nicht, um welche Dimension es geht? Oder wurde gar nicht über den geplanten Umfang informiert?

Zur Ortschaftsratssitzung Lindenthal am 9. April gibt es ja wenigstens ein Protokoll, in dem zwar steht, wie DHL sein Frachtaufkommen steigern will. Aber bei der konkreten Nachfrage wurde ausgewichen.

Im Protokoll steht: „Herr Otto von der Geschäftsführung DHL erklärte anhand von Grafiken das Portfolio des Unternehmens. Kerngeschäft von DHL ist der Nachtflug vorrangig nach Asien und Amerika mit Verteilerfunktion für ganz Europa. Die Taktung der Lieferketten ist der Grund, dass DHL fast nur nachts fliegen kann. Einige Waren haben spezielle Voraussetzungen und sind z. B. zeitkritisch oder temperaturstabil zu befördern. Zurzeit werden am Standort pro Nacht 350. 000 Sendungen durch DHL umgeschlagen. Planungen gehen zukünftig von 850.000 Sendungen aus.“

Als CDU-Ortschaftsrat Claus-Uwe Rothkegel nachfragte, wie dieses erhöhte Frachtaufkommen eigentlich abgewickelt werden sollte, lautete die ausweichende Antwort: „Es ist ein Planänderungsverfahren in ca. 6 Monaten mit öffentlicher Auslegung vorgesehen. Zum jetzigen Zeitpunkt können noch keine Details vorgestellt werden.“

Eine Ortschaftsratssitzung im April 2018

Was dann schon an eine Ortschaftsratssitzung ein Jahr zuvor, am 10. April 2018, erinnert, als die Leipziger Stellungnahme zum neuen Regionalplan Westsachsen diskutiert und vom Ortschaftsrat einhellig abgelehnt wurde. Tenor: „Der OR Lindenthal lehnt das Papier ab, ,solange wir nicht entsprechend berücksichtigt werden!‘“

Dabei ging es vor allem um die geplante Vergrößerung des Siedlungsbeschränkungsgebietes rund um den Flughafen Leipzig/Halle, was ja mit dem Ausbau des Frachtflughafens direkt zusammenhängt.

Das Protokoll macht deutlich, wie sehr sich die Vertreter der Ortschaft von diesen Plänen überrumpelt und übertölpelt fühlten.

„Herr Zimmermann: Es gab einen Planfeststellungsbeschluss. Lärmberechnung wurde erstellt, man will jetzt Südlandebahnnutzung legitimieren.

Herr Kuhnert: Anliegen ist, dass Stellungnahme der Stadt LE erfolgen soll. Auf Südlandebahn gibt es Narrenfreiheit, Gutachten soll abgelehnt werden. Das Wohl der Bürger wird geschädigt!

Herr Hoffmann: Das Siedlungsbeschränkungsgebiet soll in nördliche Richtung verschoben werden!

Frau Wiederanders: Wie sollen die geschützt werden, die bereits hier wohnen?

Frau Pätzold: Es geht um die Formulierung der Stellungnahme der Stadt LE; ist so gewichtet, dass Interessen des Flughafens vertreten werden. Es geht leider nicht um den Schutz der Bürger.

Herr Dr. Bothur: Wir wurden betrogen! Fordert Festschreibung der Auslastung der Südlandebahn.“

Die Ortschaftsräte stimmten übrigens 5:0 gegen die Verwaltungsvorlage. Sollte es tatsächlich die vom Amt für Wirtschaftsförderung benannte Information durch den Flughafen und die DHL-Tochter EAT gegeben haben, hat sie an dieser Entscheidung jedenfalls nichts geändert.

Wie fürsorglich agiert Leipzigs Stadtverwaltung?

Nur zu berechtigt also ist die Frage der Grünen-Fraktion: „Wann endlich bzw. wie will die Leipziger Stadtverwaltung ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Anrainern des Leipziger Flughafens nachkommen?“

„Der Flughafen Leipzig/Halle und die Vorfelderweiterung des DHL-Drehkreuzes erfolgen auf der Gemarkung Schkeuditz. Da der Flughafen eine überörtlich bedeutsame Infrastruktur darstellt, erfolgt das Planfeststellungsverfahren bei der Landesdirektion Sachsen. Im Rahmen der dort vorgeschriebenen Beteiligung bringt sich die Stadtverwaltung ein und plant nach kritischer Durchsicht der Unterlagen, eine Stellungnahme zum Antrag des Flughafens Leipzig/Halle abzugeben“, betont nun das Wirtschaftsdezernat und findet: „Die Leipziger Stadtverwaltung kommt ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Anrainern des Leipziger Flughafens nach.“

Und dann wird aufgezählt, was die Stadt Leipzig so alles macht: „Als Mitglied in der Fluglärmkommission für den Flughafen Leipzig/Halle hat sich die Stadt Leipzig in der Vergangenheit u. a. für eine gleichmäßigere Nutzungsverteilung beider Start- und Landebahnen, für die Umfliegung des Leipziger Stadtgebietes im Nachtzeitraum, den Wegfall bzw. die Verschiebung von Starts und Landungen von besonders lauten Flugzeugmodellen in den Tagzeitraum, die Abschaffung der Kurzen Südabkurvung und die Überprüfung des Fluglärms in Leipziger Ortsteilen eingesetzt. Die Einforderung von Maßnahmen zur Reduzierung von Lärm- und Luftverunreinigungen in der Fluglärmkommission erfolgte regelmäßig und wird auch weiterhin fortgesetzt.“

Wer die Meldungen zu den letztlich fruchtlosen Sitzungen der Fluglärmkommission verfolgt hat, weiß, wie regelmäßig diese Wortmeldungen der Stadt Leipzig von den Flughafennutzern überstimmt werden. Weder werden die Startbahnen gleichmäßig genutzt, noch wird das Leipziger Stadtgebiet umflogen, noch die Kurze Südabkurvung abgeschafft.

Die Liste der Leiden ist lang.

Und das Wirtschaftsdezernat lässt sich die Gelegenheit auch nicht entgehen, durchblicken zu lassen, warum die große Stadt Leipzig in allen Flughafenbelangen so handzahm agiert und lieber nicht laut auf den Tisch haut: „Andererseits profitiert die Stadt Leipzig vom internationalen DHL-Luftdrehkreuz durch die Zahl an direkt und indirekt Beschäftigten am Flughafen sowie von besseren Wirtschaftsbedingungen für Unternehmen im Umfeld des Flughafen Leipzig/Halle. In einer Abwägung der Argumente möchte die Leipziger Stadtverwaltung die weitere Entwicklung des Flughafens unterstützen, ohne dass dadurch eine vermeidbare Erhöhung der Lärm- und Immissionsbelastung der nördlichen Teile von Leipzig entsteht.“

Nur ist das Eine eben nicht ohne das Andere zu haben. Das ist Pelzwaschen auf die sächsische Art.

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Bürgerinitiative hofft jetzt auf eine baldige Abschaffung der Kurzen Südabkurvung

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