Autoarm werden die neuen Wohnquartiere am Eutritzscher Freiladebahnhof oder am Bayerischen Bahnhof nicht wirklich. Auch hier werden Stellplätze entsprechend der Leipziger Stellplatzsatzung von 2019 gebaut, auch wenn die SPD-Fraktion in einer Anfrage schon das Wort „autoarm“ benutzte und ihre Befürchtung laut werden ließ, durch die zu wenigen Stellplätze könnte der Parkdruck in den Nachbarquartieren steigen. Da kam natürlich auch das Dezernat Stadtentwicklung und Bau ins Grübeln.

Denn was ist der Sinn so einer Anfrage? Hat denn nicht der Stadtrat selbst beschlossen, dass in Leipzig der Umweltverbund – also ÖPNV, Rad- und Fußverkehr – deutlich wachsen soll? Das heißt doch nun einmal, dass die Leute weniger Autos brauchen, also auch weniger Stellplätze. Und dann muss man doch neue Stadtquartiere zwangsläufig mit weniger Stellplätzen planen. Denn für wirklich autofreie Wohnquartiere ist ja auch der Leipziger Stadtrat noch nicht zu haben.

Aber welche Auswirkungen hat es nun, wenn einmal ein paar Stellplätze in Tiefgaragen weniger gebaut werden?

Dabei sollte doch gerade das ein richtiger Schritt sein, um in Leipzig wirklich mal eine Veränderung im Mobilitätsverhalten zu erreichen, meint das Dezernat Stadtentwicklung und Bau in seiner Antwort auf die Fragen der SPD-Fraktion: „Vor dem Hintergrund des prognostizierten Bevölkerungswachstums und der erwarteten anhaltenden wirtschaftlichen Dynamik Leipzigs unterliegt nicht nur die Stadt selbst großen Veränderungen, sondern auch die Mobilität und der Verkehr in der Stadt vollziehen einen stetigen Prozess der Veränderung. Mit der vom Stadtrat verabschiedeten Mobilitätsstrategie 2030 und dem ihr zugrunde liegenden Nachhaltigkeits-Szenario wurden die entsprechenden Weichen für die städtische Verkehrspolitik der nächsten 10 Jahre gestellt.“

Und das sollte doch eigentlich in den neu entstehenden Stadtquartieren mitbedacht werden, findet das Dezernat.

„Im Ergebnis erwarten wir verdichtete Erkenntnisse zu den verkehrlichen Anforderungen an das jeweilige Quartier und seine Umgebung. Das bedeutet für die unterschiedlichen Verkehrsarten vom Fußgänger, Radfahrer, Motorisierten Individualverkehr oder Nutzer des ÖPNV u. a., welche straßenseitige Infrastruktur für den ruhenden sowie den fließenden Verkehr erforderlich wird, welche Fahrzeuge, Vertrags- und Bewirtschaftungsmodelle für das zukünftige Mobilitätsbedürfnis in den einzelnen Quartieren zugrunde zu legen sind und welche verkehrsorganisatorischen Maßnahmen erforderlich werden. Jedes Quartier ist dabei in der Planung gesondert hinsichtlich seiner Spezifika zu betrachten und die Infrastruktur entsprechend zu dimensionieren“, kündigt das Planungsdezernat entsprechende Untersuchungen an.

Dass man dabei zumindest davon ausgeht, dass auch die neuen Bewohner dieser Quartiere sich nicht unbedingt so verhalten, wie man es bei der Planung erwartet, scheint Leipzigs Planern durchaus Bauchschmerzen zu bereiten.

„Aufgabe einer geordneten Quartiersentwicklung ist daher, diese neuen Einflüsse, ausgelöst vom Mobilitätsverhalten der neuen Bewohner, planerisch mit dem Mobilitätsverhalten der Bestandsbewohner so abzustimmen, dass Konflikte vermieden oder minimiert werden. Nicht auszuschließen sind in diesem Zusammenhang aber auch beispielsweise Änderungsanforderungen an das bisher gewohnte Parkverhalten von Bestandsbewohnern, um den vorhandenen Verkehrsraum gerecht zwischen vorhandenen Nutzern und zukünftigen Nutzern aufzuteilen“, versucht das Dezernat das Problem zu umreißen.

Aber in der Diskussion wird auch bislang kaum berücksichtigt, dass in den neuen Wohnquartieren auch verstärkt Mobilitätskonzepte verankert werden sollen, die den Verzicht auf den Privat-Pkw erleichtern.

„Für die geplanten Quartiere werden im Rahmen der Aufstellung der entsprechenden Bebauungspläne gemeinsam mit den Investoren darüber hinaus Maßnahmen entwickelt, die Anreize für die Nutzung alternativer Verkehrsmittel schaffen sollen. Hierzu gehören u. a. die Nutzung von Carsharing, Errichtung von Fahrrad-Verleih- und Mobilitätsstationen, Maßnahmen der äußeren Erschließung (z. B. durch neue Haltestellen), usw.“, so das Planungsdezernat.

Und während die SPD-Fraktion mehr Parkdruck in angrenzenden Wohnviertel befürchtet, kündigt das Planungsdezernat schon mal an, dass das Parken im Stadtgebiet demnächst sowieso Thema wird. Denn so, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben mit all den wild zugeparkten Kreuzungen, Geh- und Radwegen. Nicht nur das Waldstraßenviertel hatte ja darunter zu leiden.

„Auf der Grundlage der Mobilitätsstrategie 2030 soll dem Stadtrat bis Anfang 2022 ein langfristiges Konzept zum ruhenden Verkehr vorgelegt werden, welches Leitlinien und Empfehlungen für bestehende Stadtstrukturtypen und Entwicklungsgebiete enthält“, umreißt das Planungsdezernat diese Aufgabe.

„In einem ersten Schritt unterbreitet die Verwaltung dem Rat dafür einen Vorschlag, wie und in welchen Schritten die Erarbeitung des Konzeptes konkret erfolgen kann und welche Ressourcen dafür benötigt werden. Aufbauend auf diesem Konzept wäre anschließend zu prüfen, welche Empfehlungen und Prioritäten für die einzelnen Stadtquartiere abzuleiten sind. Hierbei wäre auch zuerst die Parkplatzsituation im öffentlichen Verkehrsraum konkret zu untersuchen. In das langfristige Konzept sollen die bisher erarbeiteten Verkehrsuntersuchungen und Mobilitätskonzepte der einzelnen Quartiersentwicklungen integriert werden.“

Petition zum Bayerischen Bahnhof setzt jetzt die künftige Verkehrsorganisation auf die Tagesordnung

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