Spätestens seit dem Wochenende sind die Einschränkungen im öffentlichen Leben durch die Verbreitung des Coronavirus‘ deutlich spürbar. Nahezu jede Veranstaltung wurde abgesagt, jedes Konzert wurde verschoben, die Museen haben ihre Türen geschlossen. In Berlin sind die Schotten für Clubs und Bars schon seit Samstag dicht. In Leipzig bestand bis zum gestrigen Montag, 16. März 2020, kein Verbot, nur ein Deckel von maximal 75 Gästen. Dennoch gab es in den vergangenen Tagen nicht mehr so viel zu feiern für das Leipziger Partyvolk, da viele Clubs freiwillig zurücksteckten, um die Ausbreitung des Erregers einzudämmen.
In dem Bemühen, eine größere Katastrophe abzuwenden, schlittert der Kultursektor selbst in das Bangen um die Existenz. Die Interessengemeinschaft Livekommbinat, ein Zusammenschluss von Leipziger Musikclubs, Kulturgastronomieeinrichtungen und Kulturereignisveranstaltern, warnt vor dem Aus für viele Akteure der Leipziger Kulturszene.
„Durch die jetzigen temporären Schließungen sind die vielen Clubs und Live-Musik-Spielstätten ganz real von der Insolvenz bedroht. Für nicht Wenige heißt das, dass in den nächsten Wochen offene Rechnungen nicht mehr beglichen werden können. Die Folgen davon werden die gesamte Gesellschaft treffen und sind für eine Stadt wie Leipzig nicht tragbar“, beschreibt Almuth Wagner vom UT Connewitz die Situation.
„Es droht nicht nur der Verlust von Kultur, sondern auch mittelfristig der Bankrott kleiner Unternehmen und damit ein Einbruch der Gewerbesteuerzahlungen in Leipzig und ein deutlicher Verlust auch in der touristischen Attraktivität der Stadt.“, so Jörg Kosinski, Vorstandsmitglied des Vereins. Was von der vielfältigen Club- und Livemusikszene nach einer mehrmonatigen Zwangspause noch übrig ist, kann niemand sagen.
„Natürlich wären die Clubs und Live-Musik-Spielstätten nichts ohne ihre Künstler*innen und Mitarbeiter*innen. So würde mit dem Verschwinden der Clubs auch der Musikveranstaltungssektor und der musikalische Nachwuchs Leipzigs nachhaltig Schaden nehmen“, heißt es weiter in der Mitteilung.
Schnelle und unkomplizierte Hilfe nötig
In einem Forderungskatalog hält die IG fest, welche Maßnahmen nun durch die Stadt ergriffen werden sollten. Am wichtigsten sei jetzt die schnelle und unbürokratische Hilfe, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Schnell bedeutet in dem Fall innerhalb der nächsten zwei Wochen, da sonst bereits die ersten Insolvenzen drohen. Außerdem seien vereinheitlichte Regelungen für alle Veranstaltungen zwingend notwendig, um für Klarheit zu sorgen.
Bereits bewilligte Fördermittel für nun ausfallende Veranstaltungen sollten laut der IG für den Aufbau eines Fonds zur Unterstützung sächsischer Clubs, Musikspielstätten, Künstler und sonstiger Kulturschaffender genutzt werden. Auch aus den Einnahmen der Gästetaxe könnte ein Rettungsschirm für Leipziger Clubs- und Musik-Spielstätten, Künstler und Soloselbstständige im Veranstaltungssektor gebildet werden. Eine weitere Forderung ist die Aussetzung fälliger Steuern und Beiträge und Entschädigungszahlungen für entgangene Einnahmen.
Die Forderungen der IG Livekommbinat gehen vor allem auch über den kommunalen Tellerrand hinaus.
So solle das Land Sachsen einen Unterstützungs-Fonds einrichten, Ausfallbürgschaften und Mikrokredite gewähren. Und auch auf Bundesebene sei Unterstützung gefordert, wie die Ausweitung der Kurzarbeiterregelungen auf geringfügig Beschäftigte. „Weiterhin ist eine vorübergehende Aufnahme von Selbständigen in die Arbeitslosenversicherung denkbar, um soziale Härtefälle zu vermeiden. Von den Krankenkassen erwarten wir die Möglichkeit, aktuell offene Krankenkassenbeiträge stunden zu können“, heißt es in dem Schreiben.
In der Leipziger Stadtverwaltung ist an Kultur noch nicht zu denken. Man sei sich einig, dass schnellstens konkrete Maßnahmen hermüssten. In welchem Umfang und für welche Fallgruppe diese gelten würden, könne man zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht denken, erklärte ein Sprecher des Kulturdezernats am Montag auf L-IZ.de-Anfrage.
Auch auf Landesebene ist bisher keine konkrete Lösung zu sehen. Gegenüber dem MDR erklärte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bezüglich der wirtschaftlichen Folgen für Unternehmen und Mitarbeiter am Montag: „Wir sind noch nicht soweit.“ Zwar wurden bereits Bürgschaften und Liquiditätshilfen durch die Bundesregierung beschlossen, man müsse sich einzelne Fälle aber auch individuell anschauen, so Kretschmer.
Was kann jeder Einzelne tun?
„Wir sind ganz klar auch auf die Unterstützung nicht nur der Stadt und des Landes, sondern vor allen Dingen derjenigen angewiesen, die mit uns gemeinsam die Läden aufgebaut und jahrelang als Gäste unterstützt haben. Gemeinsam können wir auch diese Krise meistern.“ zeigt sich Vincent Oley, Gesellschafter des Noch Besser Leben, zuversichtlich.
Nun ist jeder Einzelne gefragt: Die IG appelliert an alle, die sich schon auf kommende Konzerte, Parties und Theaterbesuche gefreut hatten, das Geld für ihre bereits erworbenen Tickets nicht zurückzufordern (#AktionTicketBehalten). Außerdem wollen die Livemusikspielstätten ein Soli-Ticket vorbereiten, mit dem konkrete finanzielle Unterstützung geleistet werden kann. Auch der Kauf von Merch-Artikeln hilft jetzt.
Die IG bringt es auf den Punkt: „So wie wir einen – im Moment noch freiwilligen – Beitrag zur Eindämmung des Coronavirus‘ leisten, erwarten wir, dass den Clubs- und Live-Musikspielstätten dieser Stadt ebenso solidarisch und schnell geholfen wird.“
Coronavirus in Leipzig (2): Sachsen macht dicht + Updates ab 16. März, 15:30 Uhr
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