Schon der Blick auf die Karte zeigt, dass all jene Ortsteile im Leipziger Westen, die seit dem Jahr 2000 vom Zuzug junger Menschen profitiert haben, bei der OBM-Wahl zumeist Amtsinhaber Burkhard Jung (SPD) gewählt haben. Zwar nur mit Ergebnissen um die 30 Prozent. Aber gerade das macht deutlich, wie vielfältig und gemischt diese Quartiere sind. Was übrigens mit einem anderen von Medien gern gepflegten Mythos aufräumt: der politischen Homogenität Leipziger Ortsteile.

Gerade dort, wo in den vergangenen Jahren der Zuzug an Studierenden und jungen Familien besonders groß war, ist auch das politische Meinungsspektrum besonders bunt. Und „links“ ist es nur, weil es in Deutschland kaum eine konservative Position gibt, die den Lebensnerv der jungen Stadtbevölkerung tatsächlich trifft. So wirkt auch die sächsische Politik: Sie hält mit einer geradezu verblüffenden Ausdauer an Uralt-Leitbildern fest, egal, ob das die Familien-, die Schul- oder die Energiepolitik betrifft.

Wirklich eigene Konzepte für den zukunftsfähigen Umbau der Großstädte, die schon längst zum Motor der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen geworden sind, hat sie nicht.

Und so konnte Herausforderer Sebastian Gemkow (CDU) auch in Schleußig, Plagwitz, Lindenau, Altlindenau und Kleinzschocher nicht punkten, sammelte zwar 5.365 Stimmen ein. Aber Amtsinhaber Burkhard Jung (SPD) lag hier mit 7.685 Stimmen deutlich vor ihm.

Was keine Überraschung ist. Denn diese Ortsteile nehmen eine ganz ähnliche Entwicklung wie vor 20 Jahren Connewitz und die Südvorstadt. Teilweise fast leergezogen, haben sie sich ab 2010 zusehends gefüllt, zogen vor allem junge Menschen in diese Quartiere, denen Themen wie die Versorgung mit ÖPNV, Schulen, Kitas, Spielplätzen und die Nähe zu Wald und Wasser wichtiger sind als die ganzen Alte-Leute-Themen aus dem Fach „Ordnung und Sicherheit“.

Alles Themen, die bekanntlich eher von „linken“ Parteien aufgenommen werden. Man kann ja das ganze Links-Rechts-Gedröhn schon nicht mehr hören, als wenn soziale Probleme einfach Schmuddelkinderthemen wären, mit denen sich bürgerliche Wohlstandsinhaber nicht beschäftigen wollen.

Aber mit Alte-Leute-Themen holt man die Bewohner der jungen Ortsteile im Westen nicht hinterm Ofen hervor.

Plagwitz wählt Burkhard Jung

Typisch für die eigentliche Interessenlage in diesem Stadtgebiet sind im Grunde die Plagwitzer.

Zwar erreichte Burkhard Jung in Plagwitz nur 31 Prozent der Stimmen, hatte damit aber die Nase vorn. Nicht nur Herausforderer Sebastian Gemkow, der 1.345 Stimmen erhielt (20 Prozent), lag dahinter, er holte nur wenig mehr Stimmen als Katharina Krefft von den Grünen (1.335 Stimmen) und Franziska Riekewald von der Linken (1.282 Stimmen).

Weit dahinter folgt erst AfD-Kandidat Christoph Neumann (293 Stimmen), knapp vor Katharina Subat von Die Partei (221 Stimmen).

Man bekommt also ein sehr buntes Bild im Wahlverhalten. Aber die Verteilung macht deutlich, dass es eben vor allem junge Themen sind es, die die Wählerinnen und Wähler hier wichtig finden – jene berühmten sozialen Themen, um die sich nun einmal eher die linken Parteien kümmern, sei es die Kinderbetreuung, die Versorgung mit Schulen, mit ÖPNV-Verbindungen, Radwegen und bezahlbaren Wohnungen.

Alles Themen, die in der vergangenen Amtszeit von Burkhard Jung auch vermehrt zum Thema der Stadtpolitik geworden sind. Und es wird eben auch deutlich, dass junge Menschen – die ja oft auch noch ihre berechtigten Sorgen mit Arbeitsplatz, Arbeitsweg und Altersvorsorge haben –  auf sämtliche Stadtthemen anders schauen als die gut versorgten Rentner im Speckgürtel der Stadt.

Und auch anders als die Medien der alten Leute, die von Leipzig immer wieder ein Bild zeichnen, bei dem sich nicht nur Oberbürgermeister Burkhard Jung an den Kopf fasst, weil es die Stadt auch in den großen Medien der Republik in ein Licht stellt, als würden hier die randalierenden Horden jeden Tag über die Straßen ziehen.

Ein Bild, das auch der „Spiegel“ einfach nachmalt und dabei auch noch den neuen Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang zitiert, der seine Position ganz ähnlich zur politischen Orakelei missbraucht wie sein Amtsvorgänger. „Im kurz darauf erschienenen Interview mit der ,Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ nannte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang Leipzig einen ,Brennpunkt der autonomen Szene‘. Er sprach von einer wachsenden Militanz und einer sinkenden Hemmschwelle. In der linksextremen Szene werde Gewalt gegen Personen, insbesondere gegen Polizisten, ,als legitimes Mittel des Widerstands wahrgenommen‘, sagte Haldenwang.“

Daraus kann man dann natürlich große „Sicherheits“-Kampagnen basteln. Und die Plagwitzer haben tatsächlich einigen Kummer mit der Sicherheitslage. Aber nicht wegen randalierender Linksextremer, sondern wegen rasant gestiegener Diebstahls- und Einbruchzahlen gerade in den Jahren 2016/2017. Denn wenn man sich erst einmal ein bisschen was erarbeitet hat, schmerzt jeder Einbruch.

Aber das ist natürlich ein völlig anderes Bild von den Sorgen der Stadtbewohner, als es Unionspolitiker und Verfassungsschützer malen. Natürlich braucht es auch da mehr Polizisten, die auch mal ab und zu auftauchen im Straßenbild und nicht aus lauter Überforderung die Anrufer abwimmeln und die Anzeigen unbearbeitet zum Stapel anwachsen lassen. Aber überlastete Polizisten am Schreibtisch machen ja nicht so ein medienwirksames Bild wie Feuerwerk am Connewitzer Kreuz.

Die erste Runde der OBM-Wahlen am 02. Februar 2020 – Ergebnisse der einzelnen Ortsteile Leipzigs. Quelle: Stadt Leipzig

Ein OBM-Wahl-Vergleich zwischen einer „CDU-Hochburg“ und dem „gefährlichen“ Connewitz + Ortsteilliste

Ein OBM-Wahl-Vergleich zwischen einer „CDU-Hochburg“ und dem „gefährlichen“ Connewitz + Ortsteilliste

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