Ute Elisabeth Gabelmann war bis 2019 fünf Jahre Leipziger Stadträtin der Piraten und hat im laufenden OBM-Wahlkampf die wohl zumindest zahlenmäßig meisten Parteien hinter sich. Mit Piraten, Humanisten, ÖDP und Demokratie in Bewegung versammelte Gabelmann die Kleinen und steht als „Oberbürgermeisterin für alle Leipzigerinnen“ zur Wahl. Ihre Ideen für Leipzig sind wohl auch deshalb originell, ihr Stil weniger abgeschliffen. Auch für sie steht heute, am 2. Februar, die Frage, ob sie auch den 1. März 2020 und damit die finale Wahlrunde in Angriff nehmen will und wird.

Was ist Ihre Vision für Leipzig? Das Videostatement der Kandidatin Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten, Humanisten, ÖDP und Demokratie in Bewegung)

Video: L-IZ.de

Sehr geehrte Frau Gabelmann, Sie sind erstmals im OBM-Wahlkampf, als Herausforderin also an Sie die Frage: 14 Jahre Burkhard Jung sind genug weil …?

Sie sind genug, weil man bei Herrn Jung bemerkt, dass er einfach amtsmüde ist. Also dass er in den letzten Jahren, gerade nach der Sparkassenbewerbung, akut nachgelassen hat und dass da einfach auch keine neuen Ideen mehr kommen aus Eigeninitiative. Beispiel 365- Euro-Ticket.

Egal wie man persönlich dazu steht, aber so ziemlich der ganze Stadtrat weiß, dass er da erst hingetragen und getrieben werden musste. Und es jetzt im Wahlkampf als eigenes Thema, hinter dem man total dahinter steht, zu verkaufen, ist einfach im höchsten Maße lächerlich.

Auch die Sparkassenbewerbung als – wie soll ich sagen – persönliche Geschichte aufgrund von Angriffen zu verkaufen, ist sehr lächerlich. Wer ihn kennt, weiß, natürlich hat man da nach höheren Weihen gestrebt. Und ein Gehalt, was sich im doppelten Bereich von dem aktuellen Gehalt bewegt, ist sicherlich auch ein Argument, was man so an der Grenze zur Rente vielleicht nicht von der Hand wischen kann. Man merkt, er ist ausgebrannt, da kommt nichts mehr. Es ist genug.

Man muss der Fairness halber sagen, wir haben Burkhard Jung die Frage auch gestellt und er hat die damalige Entscheidung auch mit persönlichen Drohungen gegen ihn begründet und sicher einer gewissen Müdigkeit 2017. Jetzt macht er einen sehr munteren Eindruck.

In der Tat ist auch die Kritik mit dem 365-Euro-Ticket schon gefallen, weil das ein bisschen eine übernommene Idee ist. Doch durch mögliche Förderungen durch den Bund scheint es nun überhaupt auch die Chance zu geben. Also er nennt ja sogar Daten, was uns ein bisschen überrascht hat, mit 2021.

Also ich finde es unfassbar lustig, da der Antrag, hier Modellkommune zu werden für einen Fahrscheinlosen Nahverkehr, von mir im Stadtrat gestellt wurde.

Was ist dieser ominöse Fahrscheinlose Nahverkehr?

Der Fahrscheinlose Nahverkehr ist einfach, dass sozusagen man selber kein Ticket mehr erwirbt, also auch kein 365-Euro-Ticket, sondern dass die Einnahmen umgelegt werden. Es gibt verschiedene Modelle, kann man über die Grundsteuer machen, kann man über eine allgemeine Abgabe machen.

Also dass es grundsätzlich bezahlt ist, aber dafür können alle fahren.

Es ist grundsätzlich bezahlt, aber dafür können eben alle Einwohner tatsächlich jederzeit umsteigen. Ich glaube Aachen macht es soweit ich weiß seit dem 1. Januar dieses Jahres und wir beobachten das alle interessiert.

Wie gesagt, als die EU sagte, sie möchte hier Modellkommunen, um mal zu testen, wie man die Mobilität und auch den Klimaschutz verbessern könnte, habe ich das beantragt. Da waren alle in überwältigender Art und Weise dagegen, sich überhaupt als Modellkommune zu bewerben. Was sehr witzig ist, jetzt, wo sie alle natürlich nen feuchten Schlüpfer kriegen.

Aber kann es was damit zu tun haben, dass bestimmte Modelle verstanden werden? Also ein Modell 1 Euro am Tag klingt einfach verständlich und es ist eine klare Preissenkung für den Endnutzer. Dennoch ist der Infrastrukturausbau mit enormen Kosten verbunden, die Busse und Bahnen sind voll, da geht in der Rush-Hour nicht mehr viel. Tatsächlich sind wir an der Kapazitätsgrenze.

Na ja, intime Anbahnungen werden spontan leichter zur Rush-Hour, ja. Kann man sagen

Das ist ja ein Problem, deswegen haben wir auch gefragt, wie soll das so schnell gehen. Ich brauch ja eine Vorinvestitionsphase.

Erklären tut sich das 365-Euro-Ticket natürlich deutlich leichter, weil das fahrscheinlos mit kostenlos gleichgesetzt wird. Aber auch beim 365-Euro-Ticket gehört ja zur Wahrheit dazu, dass Gelder irgendwo herkommen müssen, die halt dann nicht mehr aus den Ticketeinnahmen kommen.

Davon sprechen wir gerade, also Vorfinanzierungsphase, dann die Frage, wie lange dauert ein Übergang. Dann hat ja Wien zumindest gezeigt, irgendwann wachsen da ja auch Beförderungszahlen an, zumal wenn man den Autoverkehr dafür einschränkt. Allein dafür braucht es den Ausbau der Strukturen und Kapazitäten. Die Frage ist natürlich dennoch, wie es am Ende genau aufgeht.

Was mich noch viel mehr stört, was auch am Ende keiner sagen kann: wie finanzieren wir es denn weiter, wenn es angenommen wird und der Bund aussteigt? Und das ist einfach im Moment gerade in dem Überschwang der Gefühle überhaupt nicht Thema. Finde ich sehr problematisch, denn wir müssen uns tatsächlich überlegen, ob wir es weiter finanzieren können.

Und aktuell lautet da die Antwort ganz schlicht nein. Selbst wenn man den Kämmerer noch so lange schlägt bis er quietscht, dann sind vielleicht mal noch 1 bis 2 Millionen da, aber wir haben halt nichts auf der hohen Kante. Und selbst wenn wir das 365-Euro-Ticket jetzt nicht einführen, brauchen wir ja jetzt schon Investitionen ins Netz.

Ich sage jetzt mal, wir haben im Groben dasselbe Straßenbahnnetz, was wir vor 20 Jahren hatten. Da ist nicht eine Neubaustrecke dazugekommen. Da sind sicherlich mal ein paar Optimierungen gelaufen und Linien, die jetzt ein bisschen woanders langfahren als früher. Aber im Großen und Ganzen ist es dasselbe wie immer und das kann man sich eigentlich nicht erlauben mit der Bevölkerungssteigerung, die ja von der Rathausspitze sehr gewünscht war.

Da kam aber nie die Überlegung mit, wie die Stadt im gleichen Maße wachsen muss, und sie ist eigentlich nicht im gleichen Maße gewachsen. Im Prinzip müssten wir jetzt eine Konsolidierungsphase einlegen, wo wir einfach sagen, jetzt sehen wir erst mal zu, dass der Zuzug sich halbwegs irgendwie in Grenzen hält. Sprich, wir werben nicht mehr aktiv an, also zumindest nicht Menschen, Gewerbeansiedlungen ja schon noch. Aber eben wo wir einfach gucken, wo wir dann erst mal mit den Schulen klarkommen.

Wie würde also die Oberbürgermeisterin Ute Elisabeth Gabelmann das Thema ÖPNV in einer gewachsenen Stadt und aufgrund der Klimafrage lösen?

Ich sag jetzt mal, den fahrscheinlosen ÖPNV kriegen wir nicht von heute auf morgen, weshalb man das 365-Euro-Ticket durchaus als Brückentechnologie sehen kann. Wir werden über kurz oder lang, gerade wenn wir sagen, wir setzen auf einen ÖPNV, wie machen wir das dann auch bequem für die Leute. Es ist ja heutzutage schon so, dass man eben normalerweise das Ticket per Smartphone kauft.

Das ist ja ähnlich wie einsteigen und mitfahren im Grunde, das ist ja nicht mehr viel anders. Und von daher ist der Schritt zu sagen, ok, man hat eh irgendwie bezahlt und muss nicht mal mehr vor Fahrtantritt da mit der App was kaufen, der Schritt ist ja dann kleiner. Bargeldloses zahlen ist ja ähnlich, man geht an der Kasse vorbei und pieps, wird’s abgebucht.

Auf die Gefahr hin dass wir uns jetzt hier auch ein bisschen festfressen, aber wir haben uns ja auch bereits seit 2015 mit den neuen ÖPNV-Konzepten beschäftigt. Das Problem, was bei dem fahrscheinlosen ÖPNV besteht, ist in der Tat eine dann für alle Leipziger gleich geltende Abgabe.

Das kann man über eine Grundsteuererhöhung machen, die dann auf Mieter umgelegt wird durch die Hausbesitzer. Wobei da immer die Gefahr besteht, dass dann Leute klagen und sagen könnten, ich nutze das doch gar nicht.

Es gibt ja verschiedene Modelle. Die Schwierigkeiten gibt’s. Ich sag jetzt mal ähnlich der Rundfunkbeiträge ist das ja sicherlich eine Frage, wie man es dann ausgestaltet. Da kommen ja auch viele und sagen, ich guck aber kein ARD. Das ist ja jetzt auch schon ausgeurteilt.

Eine Kommune alleine wird es zumindest auf die Art nicht hinkriegen.

Natürlich ist das jetzt erst mal für die nächsten Jahre insofern vom Tisch weil sich jetzt alle mit dem 365-Euro-Ticket ganz fürchterlich angefreundet haben. Meines Erachtens ist es auch völlig ok, wie gesagt, es ist auch ein Schritt auf dem Weg dahin. Ähnlich wie beim Wohnungsbau, wo ja Wien gerade auch immer durchgereicht wird. Wir haben natürlich nicht die Voraussetzungen von Wien.

Auch das ein Riesenthema derzeit in Leipzig, wo der soziale Wohnungsbau eigentlich überhaupt noch starten soll. Es ist ja mittlerweile längst ein ökonomisches Problem geworden, genug Wohnraum zu schaffen, gerade wenn man so schnell wächst wie Leipzig. Frau Gabelmann hat da Ideen, da bin ich sicher. Welche wären das?

Es ist eine Problematik. Um mal kurz nach dem Ausschlussprinzip bei den verschiedenen Ideen vorzugehen: Das Wohngeld heraufzusetzen ist natürlich schwierig, weil man damit letztendlich sozusagen unterstützt, dass Wohnen teurer wird. Und ähnlich ist es mit dem KdU-Satz (Zuschuss zu den Kosten der Unterkunft, d. Red.). Da weiß der Vermieter natürlich, wenn dieser steigt, könnte man die Miete auch wieder erhöhen.

Es ist eben schwierig, aber ich hab selber einer Runde im Rathaus beigewohnt, wo einer der Investoren, die ja immer sehr gern hofiert werden, gesagt hat: naja, also sozialer Wohnungsbau, da könne sich ja der Staat drum kümmern, er selber sei zum Geldverdienen da. Und das war halt auch so ein Aha-Moment, wo ich dachte: Das ist das Niveau auf dem wir reden, in Ordnung, damit kann ich persönlich umgehen.

Aber wie gesagt, dann versteh ich immer nicht, wieso dann andererseits immer das große Hofieren und das große Vergünstigen da in der Richtung erwartet wird, wenn man selber eben nicht bereit ist zu geben.

Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) vertrat hier und da kontroverse Positionen, wo sich die anderen Stadträte einig zu sein schienen. Foto: L-IZ.de
Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) vertrat hier und da kontroverse Positionen, wo sich die anderen Stadträte einig zu sein schienen. Foto: L-IZ.de

Das ist das Spannungsfeld, in das Sie dann im Falle Ihrer Wahl als Oberbürgermeisterin geraten.

Was man von mir als Oberbürgermeisterin in der Richtung erwarten kann, ist ein Verhandeln auf Augenhöhe. Damit meine ich aber auch tatsächlich Augenhöhe von beiden Seiten. Also nicht dass die Stadt Leipzig irgendwie dazu da ist um andere beim Geldverdienen zu unterstützen. Dafür ist die Stadt nicht da.

Die Stadt ist für ihre Menschen da, die da leben. Es leben hier viele, aber seien wir ehrlich, die meisten leben halt nicht in der Wohnung, die ihnen auch gehört. Sondern sie leben in einer Mietwohnung, die im Eigentum jemand anderem gehört, der wahrscheinlich eher mehrere hat.

Das ist natürlich ein Überbleibsel aus den 90ern, wo eben Investitionen im Osten stark gefördert wurden. Die Stadt kann leider wenig selber sozialen Wohnungsbau betreiben, das gehört zur Wahrheit dazu. Das Geld haben wir nicht. Eben weil auch die Baukosten tatsächlich teuer geworden sind.

In den Baukosten sind ja auch tatsächlich sehr sinnvolle Sachen drin wie Brandschutz. Das ist schon schön, wenn man das hat und einem da nicht irgendwie die Bude über dem Kopf abbrennt. Aber das ist eben eine Sache, wo wir uns mit dem Land, mit dem Bund ins Benehmen setzten müssen und natürlich sicherlich auch mit denen, die es dann umsetzen und bauen.

Aber ein Weg der vielleicht kurzfristig gangbar ist: wir haben ja die LWB, und die LWB hat bisher sehr wenig Luxusimmobilien. Aber es wäre ja durchaus ein Weg zu sagen, den sozialen Wohnungsbau, den wir von der LWB erwarten, den finanzieren wir eben quer, indem die LWB ja auch mal die Gewinne, die hier mit Wohnungen gemacht werden, abschöpft. Indem die eben auch mal ganz schnuckelige Appartements anbieten und da entsprechend einsteigen.

Das könnten sie doch von sich aus schon tun, machen sie doch auch.

Das können sie, aber es ist natürlich sehr wenig.

Also hier geht es ja um die Innenfinanzierung der LWB. Lange Jahre war diese hochverschuldet und hat erst vor ganz wenigen Jahren angefangen, überhaupt wieder bauen zu können.

Aber es ist ein bisschen zu wenig, ich hab ja als kleines Beispiel gesagt, da ja dringend darauf Wert gelegt wird, das Naturkundemuseum aus seinem Gebäude da rauszukriegen, aus welchen Gründen auch immer. Aber das wäre ja zum Beispiel ein sehr schönes Gebäude, da könnten einfach sehr elegante Wohnungen rein.

Also quasi eine Überschreibung der Lortzingstraße 3 an die LWB?

An die LWB. Die sicher für den Durchschnittsverdiener nicht erschwinglich wären, aber wo man eben zumindest sicher sein kann, dass die LWB damit Gewinn macht, den sie woanders gut anlegen kann.

Löst man das Thema Wohnen nicht, könnte es zu Zuständen wie in anderen Metropolen kommen. Menschen mit ganz normalen Berufen – da wird immer der hauptberufliche Feuerwehrmann oder die Krankenpflegerin zitiert – müssen aus der Stadt rausziehen und werden so zu Pendlern. Was wiederum ein Verkehrsproblem wird. Die Frage ist schon tatsächlich, was kann man jetzt, wo der Leerstand in Leipzig geschwunden ist, für Gegenmaßnahmen einleiten? Also wäre jetzt Ihre Idee, man stattet die LWB deutlich besser aus und gibt dieser die Möglichkeit, mehr Geld zu verdienen?

Na ja, das mit dem Ausstatten, da fängt es schon an, die Stadt hat kein Geld. Ich könnt es mir jetzt einfach machen und mache es wie Frau Krefft oder Frau Riekewald und sage: wir müssen. Aber letztendlich, es ist die Wahrheit, wir als Stadt könnten selten. Sonst würde ja beispielsweise auch München mehr sozialen Wohnungsbau machen als sie es machen.

Deswegen gibt es aber die Versuche, große Bauherren zu anteiligem Sozialwohnungsbau zu verpflichten. Diese haben nun mal die großen Bauflächen gekauft.

Ja, wo man als Stadt eben sehr selten gut dazwischengrätschen konnte. Ich meine, manchmal war es zu spät, das ist klar. Da sind wir einfach zu spät gekommen, manchmal bestand die Möglichkeit gar nicht erst.

Das geht bis hin zu Flächen der Deutschen Bahn, warum verkaufen die nicht vorrangig an Kommunen.

Das ist Bundessache, dazu konnten und können wir die Deutsche Bahn nicht zwingen, das kann nur der Bund. Der Bund kann es der Deutschen Bahn vorschreiben, Flächen preiswerter an die Kommunen abzugeben.

Aktuell scheint es, als ob der Bebauungsplan immer der letzte Hebel ist, den die Stadt Leipzig noch hat. Diesen braucht der Bauherr, um bauen zu können und da versucht man dann Schulen, Kitas oder eben sozialen Wohnungsbau mit unterzubringen, bevor sie überhaupt bauen dürfen.

Das ist immer der letzte Hebel. Die Sache ist aber die: ich wäre ganz generell dafür, wenn wir sagen, wir machen 50 Prozent Sozialwohnungsbau. Die Frage ist natürlich durchaus berechtigt: macht der Bauherr das noch mit?

Wenn er über eine Förderung des Landes Sachsen die Aufstockung zurückbekommt sicher. Im Gegenzug wäre dann aber die Verpflichtung eine Mietpreisbindung auf 20 bis 30 Jahre. Das wird ja diskutiert, wie lange ist es dann eine Sozialwohnung. Die Bindungsfrist muss stimmen.

Bei Baurecht ist es so viel Bundesrecht, dass man als Kommune sehr wenig eingreifen kann. Was mich zusätzlich noch stört ist: wenn wir Sozialwohnungsbau haben, wie es zum Beispiel gerade am Eutritzscher Freiladebahnhof diskutiert wird, dann bezieht es sich nicht auf Wohnungen, die einfach im ganzen neuen Viertel verstreut sind, sondern es ist ein Aufgang, ein ganzes Haus oder ein Block dann Sozialwohnungen.

Das heißt auf Deutsch gesagt – im ordnungsgemäßen Ossideutsch – das ist eben der Assiblock. Und das weiß man dann schon. Das ist eben so, ich bin im Plattenbau groß geworden, ich darf das sagen. Und das ist dann auch ärgerlich, das schlägt durch, das weiß dann die Schufa, da ist dann die Adresse schon falsch. Das schlägt sich also tatsächlich durch und das ist ein Problem.

Wir haben es mehrfach angesprochen, es geht angeblich nicht anders zu lösen. Das ist ein Weg, den ich nicht gehe, natürlich geht das anders zu lösen. Das muss man aber halt auch wollen. Dass man eben nicht weiß, ist der Nachbar jetzt Professor Soundso, der eben 8.000 Euro nach Hause bringt oder hat der Hartz 4. Das geht ja auch keinen was an. Wenn man es dann weiß, dass der gesamte Block eben schon entsprechend verschrien ist: Ärgerlich.

Also konkret bleibt dann vielleicht, wirklich nur als Überlegung, wieder für eigene, kommunale Bauflächen zu sorgen, Fördergelder übers Land Sachsen in die LWB zu leiten und so als Kommune selbst zu bauen, wenn man sozialen Wohnungsbau möchte?

Wenn man das Geld hat, das auch durchzuziehen.

Grundstücke anzukaufen, die heutzutage ein Vielfaches von dem wert sind, als noch vor ein paar Jahren, ist aktuell aber auch Unsinn oder? Haben wir den Zeitpunkt verschlafen?

Das habe ich nun live über mehrere Jahre im Grundstücksverkehrsausschuss miterlebt. Noch als ich 2015 dazukam, herrschte noch so die Denkweise vor, wieso müsse man denn jetzt hier Flächen ankaufen.

Also nichts mit Flächenbevorratung.

Nein, das war damals noch ein Wort, über das man nicht einmal reden wollte.

Es gab bereits seit 2013 Artikel dazu in der Presse, die Stadt wuchs, erstmals kam die Frage nach mehr, statt weniger Kitaplätzen auf, Schulbauprogramme schienen noch fern, aber am Horizont?

Das sage ich ja, wir haben Leute eingeworben, wo wir gesagt haben, wir wollen die Stadtschrumpfung aufhalten, wir wollen, dass mehr Leute hierherziehen.

Inwieweit ist das steuerbar? Man kann ja beispielsweise einem Hallenser jetzt nicht sagen: hier ist die Stadtgrenze, stopp, du nicht mehr?

Nein, das ist richtig, aber wir haben es ja auch noch aktiv befördert. Zu sagen, dass Stadtentwicklung und auch Stadtzuzug bzw. -wegzug meistens eine Sinuskurve ist. Die ersten ziehen ja jetzt beispielsweise wieder raus, weil sie sagen, ich habe Kinder, ich möchte gern im Grünen wohnen und habe vielleicht sogar in einer kleineren Stadt kürzere Wege.

Derzeit ist Zeitz in aller Munde, es ist gut angebunden an Leipzig, da ziehen die ersten aus Leipzig hin in eine bislang „sterbende Stadt“ und werden dort „Pioniere“.

Eben. Und diese Entwicklungen sind einfach generell immer da, das kann man beobachten über Sinuskurven. Und man hätte zumindest als Oberbürgermeister die Weitsicht haben müssen zu wissen, wie das ausgeht und vor allen Dingen zu wissen, was mache ich denn, wenn die Leute kommen, die ich einwerbe, wo ich Tourismusmarketing usw. betreibe.

Natürlich, Leute, die hier dreimal hintereinander im Urlaub waren, die sagen irgendwann die Stadt ist geil, da will ich hinziehen.

Kann passieren, ja.

München hat, soweit ich weiß, sein Stadtmarketing komplett abgeschafft, die sagen einfach, mehr ist hier einfach nicht händelbar. Und die Leute kommen eh, also wir müssen jetzt nicht noch aktiv zeigen, wie schön München ist.

Steht da Leipzig also gerade an so einer Schwelle so nach dem Motto, hier kommen die Leute eh gern her?

Ja.

Apropos Reisen – das Thema 2019 war (und ist es noch lange) der Klimawandel. Wir haben ja nun in Podiumsdebatten wie beim BUND Leipzig unter Ihrem Beisein erlebt, wie das der AfD-Kandidat sieht oder besser kein Problem sieht. So kann man das auch lösen – Problem ist nicht da, also brauch ich auch keine Lösung dafür. Dennoch muss sich Leipzig auf die Zukunft vorbereiten und klimaneutrale Stadt werden. Burkhard Jung hat sich nun – nach dem Drängen des Stadtrates – den Kohleausstieg Leipzigs auf die Fahne geschrieben. Wie und was würde Frau Gabelmann machen? Kann Klimawandel nicht auch Spaß machen?

Also erstens mal, ich finde es nicht schlimm, wenn man Ideen von anderen aufgreift, man muss nur nicht so tun, als ob es seine eigenen gewesen sind. Das ist der Punkt, den ich kritisiere. Ansonsten ist „sharing is caring“ ja auch ein Piraten-Motto schon immer gewesen. Man muss nicht jede gute Idee selber haben.

Die Sache ist die, man weiß glaub ich auch von sich immer selber: Wenn man etwas von außen mitgeteilt bekommt, was man jetzt bitte so oder so machen soll, dass dann automatisch so ein kleiner Widerwillen in einem selber herrscht und man denkt sich: warum, wieso, weshalb? Möchte ich nicht.

Das gilt es zu vermeiden, weil das Thema Klimaschutz einfach viel, viel, viel zu wichtig ist, als dass wir es verbocken. Und zwar verbocken an dem Punkt, dass wir die Leute nicht mitnehmen. Ich glaube es ist zu abstrakt, es wird zu abstrakt erklärt, und ich möchte die Schritte so groß wie nötig und so klein wie möglich gehen.

Das wird natürlich ein totaler Drahtseilakt, zumal die Sache mit einer CO2-freien oder CO2-neutralen Kommune ist natürlich genau das, nämlich nur die Kommune. Also nur der Teil, den die Stadtverwaltung auch beeinflussen kann. Ob jeder sozusagen selber in einem energieneutralen Haus lebt oder sonst was, das kann ja die Stadt gar nicht beeinflussen. Insofern finde ich da auch die Begrifflichkeit sehr verschwommen. Also wir selber können natürlich alles dafür tun.

Aber wenn dann im Rathaus in den Sitzungssälen noch nicht mal Mülltrennung möglich scheint? Das sind ja Sachen, die eigentlich seit 30, 40 Jahren bekannt sind. Man könnte also vielleicht mal dort anfangen, an der eigenen Nase.

Was der Oberbürgermeister immer tun kann, ist mit gutem Beispiel vorangehen. Ich war in der Runde beim BUND Leipzig die einzige, die die Frage nach der Abschaffung des Dienstwagens eindeutig mit Ja beantworten konnte. Natürlich wird dieser Dienstwagen für den Oberbürgermeister abgeschafft. Es gibt Möglichkeiten.

Natürlich braucht der Oberbürgermeister mal ein Auto, aber ich werde versuchen, viele Strecken mit der LVB zu fahren. Das hat den netten Nebeneffekt, dass man als Oberbürgermeister auch mit dem – wie es immer so schön heißt – „einfachen Bürger“ in Kontakt kommt.

Noch hat die LVB leider das (falsche) Image, dass dort die armen Leute mitfahren würden. In Paris oder London ist das anders, da ist die Metro oder die Tube das Fortbewegungsmittel Nummer 1 für jeden.

Das ist völlig in Ordnung, dann gehöre ich zu den armen Leuten, die mit der LVB auch jeden Tag unterwegs sind. Natürlich ist das ein Vorurteil. Ich finde es natürlich auch nicht schön, bei 30 Grad mit Leuten, die jetzt nicht ganz meinen Hygienevorstellungen entsprechen, kuscheln zu müssen, aber das ist eben Öffentlicher Nahverkehr, das ist ja jedes Mal ein Abenteuer. Und solange es noch nicht wie in Tokio ist, finde ich es eigentlich ganz ok.

Das ist ein Punkt, wo man bei sich selber anfangen kann, ÖPNV fahren. Man kann auch bei vielen Sachen anders anfangen, indem man eben versucht, tatsächlich regionale Lebensmittel zu kaufen. Ich weiß, dass es für die Leute, die sich das finanziell leisten können, natürlich einfacher ist als für die anderen, die eben auf jeden Euro gucken müssen und wo die Weintrauben aus Chile eben 99 Cent kosten und die, die vielleicht aus einem Anbaugebiet in Deutschland sind, die kosten eben 3 Euro.

Aber hier ist doch vielleicht wieder der Verweis leider auf die Bundespolitik nötig, also wenn man eine CO2-Abgabe richtig konzipiert, landen diese Weintrauben aus Chile in einem anderen Preissegment, durch den weiten Weg.

Natürlich, was man sagen kann ist, dass es sehr schwer ist, umwelt- und klimabewusst zu leben, es wird einem partout schwer gemacht. Also ich versuche es zunehmend selber. Ich habe eine einzige Dienstreise mal mit dem Flugzeug machen müssen, die wir mit dem Stadtrat nach Norwegen geflogen sind. Angenehm fand ich das nicht. Bisher ist sonst mein CO2-Abdruck sehr sauber, das war meine einzige Flugreise, und die war vor 2 Jahren.

Das steigt aber dann als Oberbürgermeisterin auch an, das muss man einfach der Ehrlichkeit halber sagen. Es gibt diesen Begriff der Zwangsmobilisierung, die Leute werden durch mangelnde Alternativen (ÖPNV, Nahverkehr, Bahn etc.) zu Auto und Flugzeug „gezwungen“.

Es ist aber ein Unterschied. Man kann auch in der Bahn arbeiten, man kann sich eine Bahncard 100 dann holen. Es ist tatsächlich ein lang gehegter Wunsch von mir, Bahncard 100 erster Klasse. Ich gebe zu, erster Klasse, dort arbeitet es sich einfach angenehmer und ruhiger. Das ist einer der Träume, einfach dieses Mobilsein, tatsächlich einsteigen und losfahren. Im Prinzip ein bisschen wie Fahrscheinloser Nahverkehr, nur für die Deutsche Bahn.

Und das ist schon möglich, also ich würde nicht ein einziges Mal innerhalb Deutschlands mit dem Flugzeug unterwegs sein. Es sei denn tatsächlich, ich hab das Problem, dass ein naher Angehöriger krank ist und ich muss wirklich ganz schnell nach Hause. Aber allein das ganze Flugprozedere ist schon so langwierig, in der Zeit bin ich dreimal schneller mit der Deutschen Bahn da.

Und ich glaube tatsächlich in dem Fall wäre sogar ein Leihauto noch besser, um da schnell von A nach B zu kommen, wenn man echt muss. Von der Sache her muss ich da natürlich mobiler sein als sonst. Aber die Frage ist auch: muss man immer überall vor Ort sein, kann man nicht mal Sachen tatsächlich mit einem Skypeanruf regeln. Also jeder trägt irgendwie ein Smartphone mit sich rum und die Möglichkeiten, die es bietet, nutzen wir nicht. Das kann mir doch keiner erklären, dass es nicht anders geht.

Also auch ein Oberbürgermeister ist nicht komplett unentbehrlich und man kann Sachen delegieren, man kann Angestellte tatsächlich aufwerten, indem man ihnen eben auch mal verantwortungsvolle Aufgaben gibt, wo eben nicht jedes Mal der Oberbürgermeister sein Gesicht in die Kamera halten muss.

Das ist die Sicht einer zukünftigen Oberbürgermeisterposition, das mit der Zwangsmobilisierung meinte ich tatsächlich schon auch im Hinblick auf 80.000 Pendler, die jetzt bereits nach Leipzig hineinpendeln, Parkplätze suchen usw.

Also wir haben natürlich zwei Möglichkeiten, das Pendlerproblem, was tatsächlich eins ist, zu lösen. Weil es ist natürlich albern, einerseits pendeln Leute raus, andererseits pendeln Leute rein, es ist völlig irrsinnig. Wir haben nur die Möglichkeit, wohnortnahe Arbeitsplätze oder wahlweise arbeitsplatznahe Wohnungen. Da ist die Frage, können wir das mit der Wirtschaft verhandeln. Ich persönlich denke, wir können. Vielleicht baut die uns ja mal ein paar Wohnungen.

Es gab mal Unternehmen wie Zeiss Jena, die haben ganze Viertel für ihre Leute gebaut, so?

Genau. Ich sag jetzt mal so, das hätte ja jetzt nicht geschadet, wenn wir gleichzeitig mit dem Amazon-Verteilzentrum vielleicht da auch mal 1–2 Wohnblocks hingekriegt hätten. Da ist also wirklich die Frage, als Wirtschaft irgendwo hinzukommen und da alles vorzufinden, ist ein bisschen spannend.

Das war die letzten 30 Jahre so.

Na, insbesondere, weil wir uns ja immer Wirtschaft anlachen, die eigentlich auch hier nichts hält. Beispielsweise BMW, also ob die jetzt hier bauen oder woanders oder in Polen, Bulgarien oder noch wo weiter ist im Prinzip gleich. Dann haben wir das Nokia-Problem, die einst aus Bochum auch wieder verschwanden.

Die Leipziger/innen sind besonders gut ausgebildet, das ist ein Argument, hierzubleiben.

Natürlich haben wir hier besonders gut ausgebildete Arbeitskräfte, das heißt aber nicht, dass in anderen Ländern nicht auch die Leute qualifiziert werden können, und das ist eben genau das Problem. Wenn wir hier Unternehmen ansiedeln, die aber eigentlich hier keine Wurzeln haben, die hier nicht verwurzelt sind und die natürlich nicht darauf schauen: mögen sie Leipzig, können sie Leipzig was Gutes tun, vielleicht kann man auch gegenseitig voneinander profitieren, sondern nur gibt’s Fördergelder oder ist hier die Gewerbesteuer niedrig ect.

Das ist ein Problem, was natürlich bei der künftigen Wirtschaftspolitik auf jeden Fall unter mir als Oberbürgermeisterin berücksichtigt wird.

Ute Elisabeth Gabelmann am 17. Januar 2020 beim BUND Leipzig. Foto: L-IZ.de
Ute Elisabeth Gabelmann am 17. Januar 2020 beim BUND Leipzig. Foto: L-IZ.de

Was heißt das? Also die werden ja dann nicht unbedingt schlecht behandelt, aber sie kriegen vielleicht die eine oder andere Förderung mehr und der Blick geht wieder mehr in Richtung kleinere und mittlere Unternehmen vor Ort?

Die Wirtschaftsförderung geht auf kleine und mittelständische Unternehmen, ganz klar, auch auf Start Ups. Ansonsten muss man eben auch wirklich entscheiden, möchten wir hier ein Standort sein, der tatsächlich produzierendes Gewerbe hat oder gehen wir rein in die Forschung und in die Entwicklung. Gehen wir aber auch rein zum Beispiel mit der Biocity entsprechend, gehen wir in Bereiche wie universitäre Geschichten und Ausgründungen, die sich ja auch aus universitären Zusammenhängen ergeben.

Da kann man schon schauen und ich glaube einfach, dass die Unternehmen dann auch natürlich gut ausgebildete Arbeitskräfte wollen. Es ist natürlich auch im Interesse von Unternehmen, denen auch entsprechend Wohnraum anzubieten bzw. eben im Tausch zu sagen, die ziehen eben hier in eigene Werkswohnungen ein.

Wie gesagt, es ist hauptsächlich eine Frage des Verhandelns. Und wenn man sich einerseits als Stadt als verlässlicher Partner erweist – und mit verlässlich meine ich nicht, dass sich Rahmenbedingungen nicht auch mal ändern können –, wenn man einfach zeigt, dass man es ernst meint und dass man auch für die Kommune hier einsteht. Dann gehe ich davon aus, dass bei vielen doch noch mehr zu regeln ist als es derzeit der Fall ist.

Diese Idee über Wirtschaftsansiedlung geht natürlich davon aus, dass Leipzig von der Wirtschaft gemocht werden muss. Was mich noch mal interessiert ist, aus der Stadt selbst heraus, was man da vielleicht mit einer gezielteren Wirtschaftsförderung hier entwickeln könnte. Vielleicht auch im Hinblick auf Klimawandel, auf andere Geschäftsmodelle. Was könnte man da anders machen, um so von Stadtseite aus mehr Bewegung in wirtschaftliche Entwicklungen zu bekommen?

Da kann man als Stadt eindeutig mehr tun. Erschreckt hat mich tatsächlich das Zusammenstutzen des Unternehmensgründerbüros. Sag ich durchaus gern als Beispiel, weil’s tatsächlich so plakativ einfach ist. Die haben nicht mal mehr eine eigene Webseite. Das war ein Punkt, der hat mir in Leipzig nach dem Studium sehr geholfen, die haben Seminare angeboten etc., also auch eine Unterstützung, die nicht nur auf die finanzielle Förderung eingeht, sondern in Richtung Coaching. Einfach dass man erst mal weiß, will ich Unternehmensgründer sein.

Bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage ist es für junge Menschen überaus attraktiv nichts neu zu gründen. Sie werden überall gesucht, je besser ausgebildet umso eher, die Unternehmensgründungen steigen jedenfalls nicht an.

Aber das ist ja auch der Punkt bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, bei Kleinunternehmen sind ja durchaus Gründer mit gemeint. Ich glaube, Leipzig ist einfach eine Stadt, in der nicht „die große Industrie“ passieren wird. Da müssen wir uns einfach im Klaren sein, wohin es stattdessen gehen könnte. Leipzig war immer eine Handelsstadt– da haben wir dann hier eher das Know-How, dass wir eher sozusagen vielleicht selber mit Know-How handeln, das kann ja auch eine Möglichkeit sein.

Burkhard Jung verweist darauf, dass die großen Ansiedlungen über die Subaufträge die Kleinen nachziehen und dass davon diese Stadt lebt.

Also wie die Subunternehmen von großen Unternehmen bezahlt werden, das habe ich im Stadtrat mal sehr ausführlich dargelegt, das war eine Studie der IG Metall über die Autoindustrie hier in Leipzig. Das war sehr schön und es hat den aktuellen Amtsinhaber sehr geärgert. Das ist immer der Punkt wo man dann einfach weiß, man hat tatsächlich einen Treffer gelandet, ansonsten lässt er es abperlen.

Also es ist nicht so rosig, wie er es erzählt?

Natürlich nicht. Es funktioniert natürlich nicht, wenn man dann weiterhin sagt, ich möchte hier den BMW als Geschäftsauto weiter haben und ich möchte weiter zu Porsche in die VIP-Lounge eingeladen werden. Dann ist es natürlich schlecht, wenn man dann denen mal auf die Füße tritt.

Disclaimer: Ich bin auch zu Porsche in die VIP-Lounge eingeladen worden und habe ihnen das Buffet leer gegessen. Es war sehr lecker, das ist eine sehr schöne VIP-Lounge, aber ich kann auch damit leben, da nicht eingeladen zu werden.

Aus der Wirtschaft war am IHK-Podiums-Abend wieder die Frage nach der Gewerbesteuer und ob die nicht zu hoch sei. Wie sehen Sie das?

Ich finde es auch tatsächlich falsch vonseiten der IHK, immer nur zu fragen, wird hier mal die Gewerbesteuer gesenkt. Vielmehr ist es glaube ich eine Frage der Vermittlung, was man eigentlich für diese Gewerbesteuer tut, bzw. wo sie hinfließt. Und da sind wir dann beim Transparenzgedanken, nämlich die Transparenz des Haushaltes der Stadt Leipzig.

Es ist kompliziert und seit der Doppelhaushalt hier Standard ist, ist es noch ein bisschen komplizierter geworden. Aber da möchte ich einfach den Bürgern tatsächlich ein Stück weit Haushaltshoheit, die der Stadtrat ja auch hat, zurückgeben. Indem man eben sagt, ein Teil des Geldes – es wird nur ein kleiner Teil sein – ist eben ein Bürgerhaushalt. Sprich, da können die Bürger – und zwar alle – drüber abstimmen, was damit gemacht wird.

Dann ist es eben mal ein völlig schräges Projekt aus der Ecke, was aber auch mal finanziert wird, bzw. es ist eben vor der Haustür mal die Begrünung der Rasenfläche da oder der bisherigen Brachfläche. Es ist eben ein Wunsch, und das ist einfach wichtig.

Ein solcher Bürgerhaushalt, wie groß könnte der im Rahmen eines Gesamtjahreshaushaltes der Stadt von derzeit rund 2 Milliarden Euro sein und wie kann man sich das vorstellen?

Ich sag mal spontan pro Einwohner ein Euro.

Das sind 600.000 Euro, das ist nicht viel. Was krieg ich dafür, einen halben Spielplatz?

Es ist ein Anfang, dafür dass bisher gar nichts passiert ist. Von den 2 Milliarden Haushalt ist ja auch ganz viel Pflichtaufgabe, über die wir nicht bestimmen können. Also der eigentliche Haushalt, über den wir bestimmen können, ist ja deutlich kleiner. Sagen wir es mal so: ich berede es am Wahlabend mal mit dem Kämmerer und dann reden wir weiter. Ich hab ja bewusst nichts versprochen im Wahlkampf, was ich nicht halten konnte.

Apropos Wahlkampf: Ein bisschen undemokratisch geht es schon zu, wenn Podien stattfinden wo Kandidaten fehlen. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Ja, es ist relativ spannend, dass man nicht eingeladen bzw. auch an einigen Stellen direkt wieder ausgeladen wird.

Woran liegt das, was glauben Sie?

Also ich kenne sozusagen in meiner Zeit in der Kommunalpolitik seit 10 Jahren so gut wie jede Ausrede. Da kommt von „das ist mit der Anzahl der Kandidaten nicht zu bewältigen“ über „wir haben uns nur auf die wichtigsten konzentriert“ bis zu „sie hatten jetzt dieses und jenes Wahlergebnis“ oder „sie sind nicht im Landtag“. Also ich kenne wirklich alle.

Es wird meistens an der Wichtigkeit festgemacht, richtig?

Ja, an einer gefühlten Wichtigkeit.

Aber Sie sind doch mindestens genau so wichtig wie beispielsweise der FDP-Kandidat? In einer Umfrage der LVZ haben Sie 3 Prozent erreicht und sind fast gleichauf. Warum wird Herr Viefeld eingeladen und die Frau Gabelmann nicht?

Ich nehme mal an, weil er eben die etwas bekanntere Partei im Rücken hat. Ich bin die einzige überparteiliche und unabhängige Kandidatin, ich werde unterstützt von 4 Parteien, das scheint für viele auch sehr wenig greifbar zu sein. Das ist ja das erste Mal in einem Wahlkampf seit 1990 so, dass jemand sich von mehreren Parteien unterstützen lässt. Weil mir das einfach wichtig zu sagen ist, der Oberbürgermeister ist die Klammer für die ganze Stadt und da kann man nicht einfach sozusagen sich auf seinen kleinen Parteigarten berufen und dann sagen, ich kandidiere eben für die CDU oder die SPD oder sonst was. Die Frage ist, was ist denn dann mit den anderen.

Am Ende ist man ja auch Verwaltungschef, man ist ja für alle zuständig.

Ja natürlich, aber das ist ja ein Gedanke der bei Bedarf herausgeholt oder auch wieder in die Schublade gepackt wird. Also ob man dann gerade für alle da ist oder nur für die eigene Partei, das kommt halt drauf an.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Hinweis der Redaktion: In der ersten Runde der Oberbürgermeister/-innenwahl müsste ein Bewerber oder eine Bewerberin mehr als 50 Prozent aller Stimmen auf sich vereinigen, um zu gewinnen. Dies ist bei acht Kandidat/-innen praktisch ausgeschlossen.

Es gilt demnach als sicher, dass nach den Ergebnissen des 2. Februar 2020 nur die Frage anhand der Ergebnisse steht, wer auch in Runde 2 zur Wahl am 1. März 2020 erneut antritt. Dann genügen die meisten Stimmen unter allen Bewerbern, um in das Amt zu kommen.

Volle Säle – Die OBM-Wahl 2020 in Leipzig

Volle Säle – Die OBM-Wahl 2020 in Leipzig

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