Zu den Orakeleien bei der Leipziger Oberbürgermeisterwahl 2020 gehört auch eine Meldung, die die LVZ gleich am Dienstag, 4. Februar, auch über das Straßenbahn-TV verbreitete. „Laut Medienberichten“ fabulierte die Zeitung einen Rückzug der Grünen-Kandidatin Katharina Krefft herbei. Doch die „Medien“, die da beschworen wurden, waren nur die Deutungsversuche der LVZ. Man ruderte zurück. Die Entscheidungen fallen im Laufe des heutigen Tages und morgen. Und werden nun von einer mutmaßlich gemeinsamen Ministerpräsidentenwahl von CDU, AfD und FDP in Thüringen beeinflusst.
Tatsächlich hatten sowohl Grüne als auch Linke nach dem Abschneiden ihrer Kandidatinnen am Wahltag angekündigt, diese Ergebnisse auf noch in dieser Woche angesetzten Partei- und Vorstandsversammlungen besprechen zu wollen. Und dann entscheiden zu wollen, ob man in der zweiten Wahlrunde am 1. März noch einmal antritt.
Grund für die Beratungen mit der Basis und den Gremien sicher dabei auch: beide Kandidatinnen konnten mit 12 Prozent für Katharina Krefft und 13,5 Prozent für Franziska Riekewald nicht so stark in Runde 1 abschneiden, dass man natürlich ins Grübeln kam, ja musste, wie viel da in am 1. März 2020 noch draufkommen könnte.
Gespräche
Zudem ist so eine Wahl kein Ein-Frau-Konzert. Viele ehrenamtliche Unterstützer packen da im Hintergrund mit an, hängen Plakate, helfen im Netz und bei den Wahlkampfständen in der Stadt. Und es gibt natürlich Gesprächsbedarf mit jenen, die definitiv weitermachen wollen: erklärt haben dies direkt am Wahlabend nur Burkhard Jung (SPD, 29,8 %) und Sebastian Gemkow (CDU, 31,6 %).
Die Linke kündigte hingegen am Wahlabend neben dem Dank an die eigenen Wähler und die Freude über den dritten Platz für etwaige Gespräche eine Tendenz an: „Im Hinblick auf unser Agieren beim 2. Wahlgang werden wir die Realisierung unserer programmatischen Schnittmengen wie bezahlbares Wohnen, Stärkung des ÖPNV und die soziale Frage in der Stadt mit den anderen MitbewerberInnen diskutieren. Wie dies mit einem konservativen OBM gelingen soll, ist für mich schwer vorstellbar“, so Adam Bednarsky, Vorsitzender der Leipziger Linken.
Und am heutigen Mittwoch legte die linke Kandidatin Riekewald dazu noch einmal nach, wenn sie betonte: „Für unsere Überlegung zum zweiten Wahlgang ist ausschlaggebend, in welcher personellen Konstellation wir unsere konkreten Forderungen am ehesten umsetzen können. Aus der Programmatik der CDU geht das nicht hervor, deswegen werden wir dem OBM-Kandidaten der SPD heute unsere Vorstellungen unterbreiten. Wir sind zuversichtlich, dass es zu einer verbindlichen Einigung kommt.“
Was dann wohl – bei erfolgreichen Gesprächen heute – für eine klare Wahlempfehlung morgen bei der angesetzten Pressekonferenz der Linken um 11 Uhr im Karl-Liebknecht-Haus spricht. Die Grünen hingegen haben auf morgen, Donnerstag den 6. Februar um 18 Uhr zur Aussprache mit ihren Leipziger Mitgliedern in die „Kulturnhalle“ nach Probstheida geladen. Auf L-IZ-Nachfrage verweist Katharina Krefft auf diesen Termin und die Notwendigkeit, sich mit den Grünen abzustimmen.
Danach wird klar sein, ob sich Katharina Krefft ebenfalls aus dem Rennen nimmt und sich Sebastian Gemkow (CDU) damit einer Situation gegenübersieht, welche für ihn schlechter steht, als es nach dem ersten Wahlgang anfangs wirkte.
Auch Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten, Humanisten, ÖDP & Demokratie in Bewegung) und Katharina Subat (PARTEI) haben ihre Entscheidungen auf Donnerstag gelegt, bevor am Freitag quasi Meldeschluss für Runde 2 ist.
Eine Meldung aus Thüringen: FDP, CDU und AfD gemeinsam?
Kurzfristig kommt zudem in den Wahlkampf in Leipzig die Meldung aus Thüringen hereingeflattert, dass hier erstmals CDU, AfD und FDP gemeinsam für einen FDP-Ministerpräsidenten gesorgt haben. Ob dabei die CDU schlicht von den AfD-Abgeordneten übertölpelt wurde, als diese im dritten Wahlgang auf einmal nicht den eigenen AfD-Kandidaten, sondern Thomas Kemmerich (FDP) mit gesamt 45 Stimmen mitwählten, ist noch unklar – aber wenig wahrscheinlich.
Die damit erfolgte Nicht-Wiederwahl Bodo Ramelows (Linke, 44 Stimmen) könnte die Rot-Rot-Grünen Reihen auch in Leipzig gegen Sebastian Gemkow (CDU) noch fester schließen. Die mutmaßlich (und rechnerisch logische) gemeinsame Wahl der CDU mit der AfD in Thüringen gilt schon jetzt als Zeichen für eine Neubewertung des Verhältnisses der CDU zur AfD.
Das Ergebnis im Thüringer Landtag führte bereits direkt danach unter anderem zu einem Tweet von Burkhard Jung. „Schockiert. Dammbruch in #Thüringen, #CDU & #AfD arbeiten Hand in Hand zusammen.“, so Jung mit Verweis auf den offiziellen Hashtag #obmle20 zur Leipziger Oberbürgermeisterwahl.
Natürlich auch dies ein Wahlkampfmanöver, doch offenbar nicht ganz unbegründet.
Christian Hirte (CDU) – immerhin Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Ost- und Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung sowie stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Thüringen twitterte heute: „Herzlichen Glückwunsch@KemmerichThL! Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer RotRotGrün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats #Thüringen!“
Demonstration in Leipzig
Seit 15 Uhr ist klar, dass es in Leipzig eine erste Demonstration wegen der Wahl in Thüringen geben wird. Sie startet 18:00 Uhr am Neuen Rathaus Leipzig und läuft unter dem Motto: „Haltung zeigen. Keine Zusammenarbeit mit der AfD“. (L-IZ.de wird berichten)
Diese AfD steht übrigens in Leipzig vor der Entscheidung, ob Kandidat Christoph Neumann mit einem zweiten Wahlgang Gemkows Chancen noch weiter schwächt oder mit seinem Rückzug eine vergiftete Wahlempfehlung für den CDU-Mann ausspricht. Und so den Widerstand aus dem sich möglicherweise morgen bildenden Gegenlager nur noch verstärkt.
Der FDP-Kandidat verabschiedet sich aus dem Rennen
Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 24. Januar 2020): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen. Doch eben das ist unser Ziel.
Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen (zur Abonnentenseite).
Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Aufrechterhaltung und den Ausbau unserer Arbeit zu unterstützen.
Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 350 Abonnenten.
Keine Kommentare bisher