Es gibt ihn - und es gibt ihn nicht: den Leipziger Naturschutzbeirat. Im Ratsinformationssystem sucht man ihn vergeblich. Auch der BUND Leipzig hat ihn vergeblich gesucht und schon im Dezember bei der Leipziger Verwaltung angefragt, warum man ihn nicht findet. Auch nicht auf leipzig.de. Fünf Jahre nach der letzten Debatte um die Transparenz der Fachbeiräte ist alles beim Alten, nichts geklärt. Und die Verwaltung zieht sich hinter bürokratische Abwehr zurück. Transparenz geht anders.

Das sieht nicht nur das Jugendparlament so, das vom Leipziger Stadtrat ganz offiziell als Beirat eingesetzt wurde. Mit einigen Rechten. Nicht mit allen. Das Fragerecht zum Beispiel vermissen die jungen Parlamentarier und würden nur zu gern wissen, warum sie es nicht haben.

Sie sind nicht die einzigen, die sich in einem Nirwana der Rechtezuweisung wiederfinden. Vor drei Jahren ging es auch dem Migrantenbeirat so, der in einer deutlichen Offensive darum kämpfte, eine eigene Öffentlichkeitsarbeit auf die Beine stellen zu dürfen. Eine Offensive, die in Gänze an der Unwilligkeit der Leipziger Stadtverwaltung scheiterte, den Beiräten auch nur die geringste Selbstbestimmung in Sachen Informationspolitik zuzugestehen.

Das klang damals so:

„Soweit eine Öffentlichkeitsarbeit und vor allem ein öffentlicher Dialog bezüglich der eigenen Arbeit gewünscht ist, kann und wird dies über die Geschäftsstelle des Migrantenbeirats – das Referat für Migration und Integration – organisiert und begleitet. Wesentlich ist dabei, dass die Art und Weise der Kommunikation und auch ihre Inhalte mit der Verwaltung abgestimmt werden und eine enge Verzahnung mit den Mitarbeitern erfolgt. Dies ist bei der Öffentlichkeitsarbeit über das Referat gewährleistet. Eine weitergehende Begleitung ist nicht angezeigt.

Des Weiteren kann und wird über den Stadtrat das Ergebnis der Arbeit der Beiräte kommuniziert und es obliegt auch dem Stadtrat, in welchem Umfang die beratenden Aufgaben eines Beirates öffentlichkeitswirksam gewürdigt werden.“

Ob das so ist, lässt sich von außen nicht einschätzen. Denn weder aus Beiräten noch Fachausschüssen des Stadtrates gibt es öffentliche Protokolle. Im Ratsinformationssystem tauchen lediglich Anträge aus Beiräten auf, in denen dann einzelne Anliegen tatsächlich einmal öffentlich werden. Wie eben dieser Wunsch nach eigener öffentlichen Präsenz.

Dass es der Verwaltungsspitze tatsächlich nur darum geht, die Informationshoheit zu behalten, machte damals die nächste Passage aus der Antwort der Verwaltung deutlich: „Soweit im Antrag darauf verwiesen wird, dass die Fachbeiräte in der Stadtgesellschaft wenig bekannt sind, sind die Beiräte nicht dafür gedacht, die Stadt nach außen zu vertreten und damit eine eigenständige Bekanntheit zu erlangen, sondern sie sind besetzt mit Fachleuten, die ihr Wissen und ihre Erfahrung in den Stadtrat und in die Verwaltung einbringen, um dort diese Kenntnisse verwenden zu können.

Ziel eines Beirates ist gerade nicht die Bekanntheit nach außen, sondern die Bündelung von ausgewählten Fachkenntnissen nach innen in die Verwaltung hinein. – Insofern geht die Stadt Leipzig mit den Angeboten für die Beiräte zur Öffentlichkeitsarbeit bereits über die gesetzliche Intention der Errichtung von Beiräten hinaus.“ Und quasi als Pointe: „Der Antrag ist daher abzulehnen. Er widerspricht der Gemeindeordnung.“

In der Gemeindeordnung ist dazu aber eben nichts geregelt. Und so sind einige Beiräte auf den Seiten der Stadt erwähnt, andere existieren zwar, aber die Öffentlichkeit erfährt nichts über ihre Zusammensetzung, ihre Sitzungstermine oder gar die Themen, die dort besprochen werden. Und auch nichts über die Stellungnahmen dieser Beiräte, nicht einmal dann, wenn es um wirklich wichtige Themen der Stadt geht, wie sie auch im Naturschutzbeirat besprochen werden.

Den die Stadt aber nach Auskunft des Verwaltungsdezernats nicht als vom Stadtrat berufenen Beirat betrachtet, sondern als nach „Sächsischem Naturschutzrecht gebildeten Beirat, vgl. § 45 Sächsisches Naturschutzgesetz“.

Da wird es dann ganz heikel, denn auf diese Weise wird „bei der obersten Naturschutzbehörde ein Beirat aus ehrenamtlich tätigen sachverständigen Personen gebildet, die unabhängig und keinen Weisungen unterworfen sind. Bei der oberen und den unteren Naturschutzbehörden können Beiräte gebildet werden. Der Leiter der Naturschutzbehörde oder der von ihm bestimmte Vertreter führt den Vorsitz im Beirat. Die Geschäftsführung obliegt der Naturschutzbehörde, die den Beirat beruft und auch die Kosten zu tragen hat.“

Hier lässt sich also das Leipziger Amt für Umweltschutz von einem Beirat beraten. Vom Stadtrat ist dieser völlig losgekoppelt. Über die Beratungsergebnisse erfährt die Öffentlichkeit nichts.

Und es geht ihm ganz ähnlich wie dem Migrantenbeirat: Wie wirksam kann eigentlich die beratende Arbeit sein, wenn nichts davon an die Öffentlichkeit kommt?

Wie die Verwaltung über den Sinn von Beiräten denkt, kann man in dieser Antwort auf eine Einwohneranfrage lesen.

2018 hat der Migrantenbeirat ja bekanntlich noch einmal versucht, die betonierte Haltung der Verwaltung aufzubrechen und beantragt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, aufbauend auf der 2015 erfolgten Bilanz der Beiräte der Stadt Leipzig, über die Potentiale und Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit der Beiräte zu berichten. – Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis Dezember 2017 ein umfassendes Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit der Fachbeiräte der Stadt Leipzig zu entwickeln.

Das Konzept sollte explizit die Erschließung und zeitgemäße Nutzung von diversen Kanälen der Öffentlichkeitsarbeit beinhalten. Es sollen finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, sodass auch externe Agenturen hinzugezogen werden können. Für die Erarbeitung des Konzeptes sollen die Beiräte gemeinsam mit dem Referat Kommunikation und einer externen Agentur eine Arbeitsgruppe bilden.“

Der Migrantenbeirat kann zumindest seine Tätigkeitsberichte veröffentlichen. Die Homepage der Stadt verweist zwar auch auf die Protokolle aus den Sitzungen des Migrantenbeirats. Aber diese kommen über die reine Auflistung der behandelten Themen nach Tagesordnung nicht hinaus.

Da erinnert man sich dann an den Vorstoß des Leipziger Stadtrates von 2014, die Arbeit der Beiräte zu evaluieren und sich ein Bild davon zu machen, was die Beiräte eigentlich tun, ob sie so überhaupt noch gebraucht werden. Ist ihre Arbeit und ihre Zusammensetzung noch zeitgemäß? Braucht Leipzig vielleicht andere Beiräte?

Da die Abfrageergebnisse erst nach der Neubesetzung des Stadtrates eintrudelten, wurde an der Zusammensetzung der Beiräte nichts geändert. Obwohl die Zeit eigentlich reif war, auch über eine transparente Öffentlichkeitsarbeit nachzudenken. Denn die Beiräte votieren ja auch über Vorlagen der Verwaltung, bilden sich also durchaus eine fachliche Meinung, die direkten Einfluss hat auf Stadtratsentscheidungen. Sollten die Wähler darüber nicht zumindest das Wesentliche erfahren?

Die Frage steht.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. November 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 400 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar