Die endgültigen Zahlen zu Asylbewerbern, die Leipzig im Jahr 2019 aufgenommen hat, werden frühestens im Februar vorliegen. Aber auch die Zahlen zum Stand September zeigten schon, wie stark die Asylgenehmigungen seit 2015 zurückgegangen sind. Trotzdem steht natürlich die Frage im Raum: Bekommt die EU in diesem Jahr endlich eine gemeinsame Asylpolitik hin? Denn es brennt ja nicht nur in Syrien. Auch in anderen Ländern zerbröseln die Sicherheiten. Man denke nur an Venezuela.

Was dann zumindest das Überraschende an den 2019er Zahlen sein dürfte: Denn erstmals stellten unter den „neuzugewiesenen Leistungsberechtigten“ Flüchtlinge aus Venezuela die Mehrheit, deutlich vor Menschen aus Syrien und Kamerun.

Allein die Liste der Länder, aus denen die meisten Flüchtlinge kamen, zeigt, wie sehr es auf der Welt brennt und wie sehr stabilisierende Faktoren fehlen, Nationen und internationale Organisationen, die wirklich daran arbeiten, Regionen zu stabilisieren und faire Handelsabkommen zu schließen.

Neuzugewiesene Leistungsberechtigte nach Ländern (Januar bis September 2019). Grafik: Stadt Leipzig
Neuzugewiesene Leistungsberechtigte nach Ländern (Januar bis September 2019). Grafik: Stadt Leipzig

Wer genau hinschaut sieht ja, dass die Welt immer instabiler wird, je mehr sogenannte Freihandelsabkommen geschlossen werden. Die dienen eben nicht dem freien und gleichberechtigten Handel, sondern zwingen ganze Länder, sich den großen – nach Absatzmärkten hungernden – Konzernen zu öffnen. Ein Prozess, von dem vor allem drei Exportländer profitieren: Die USA, China und „Exportweltmeister“ Deutschland.

Die Freihandelsverträge sorgen zwar für die Öffnung fremder Märkte. Aber sie schwächen Regierungen. Erst recht, wenn dann die Starken auch noch – wie Donald Trump in den USA – ihre Muskeln spielen lassen. Wenn aber die Regierungen der großen Staaten nur noch in Kategorien von „XY first“ denken, wird die Weltpolitik geradezu chaotisch. Und politische Prozesse werden unberechenbar, wie gerade im Irak zu beobachten, wo schiitische Milizen die US-Botschaft belagert haben.

Es rumort in Bolivien, in Chile, in Libyen. Und eine Kraft, die auch nur versucht, diese Konflikte zu lösen, ist nicht zu sehen. Die EU spielt dabei erst recht keine Rolle. Sie fällt als politisches Schwergewicht völlig aus, weil auch die deutsche Regierung auf internationaler Ebene völlig ausfällt.

Als hätte man sich in den Berliner Ledersesseln daran gewöhnt, dass die Welt immer mehr in Einzelteile zerfällt. Als wäre das ein Naturgesetz, seit die beiden großen Blöcke nicht mehr existieren.

Obwohl es eigentlich nur das Ergebnis einer Politik ist, der zentrale politische Denkweisen längst abhanden gekommen sind. Man schaut nur noch, „wie die Märkte reagieren“. Als wäre das eine moderne Kaffeesatzleserei.

Als würden bei all diesen Zerfallsprozessen nicht auch die viel beschworenen „Märkte“ abhanden kommen.

Möglich also, dass die Zahl der Asylbewerber in diesem Jahr wieder steigt. Denn auch die Lösung, die Angela Merkel mit dem Türkei-Deal gefunden hat, hält nicht auf Dauer. Im Gegenteil. Sie suggeriert dem türkischen Präsidenten, dass er Macht hat und dass er auch mit der EU Katz und Maus spielen kann, Erpressungspotenzial eingeschlossen.

Zahl der zugewiesenen Asylbewerber in Leipzig. Grafik. Stadt Leipzig
Zahl der zugewiesenen Asylbewerber in Leipzig. Grafik. Stadt Leipzig

Die zurückgehenden Zahlen zugewiesener Asylbewerber in Leipzig ab 2016 dürften also nicht beruhigen. Denn es ist ja nichts geklärt oder gelöst, der Syrienkonflikt schon gar nicht. Von der Grenzpolitik der EU ganz zu schweigen, denn auch der faule Deal, die afrikanischen Flüchtlinge schon von mehr oder weniger totalitären Regimen in Nordafrika aufhalten und in Lager pferchen zu lassen, funktioniert nicht. Nachhaltig schon gar nicht.

Denn da müssten Deutschland und die EU in den Herkunftsländern der Flüchtlinge echtes State Buildung betreiben. Das ist mit Hilfsgeldern allein nicht zu bewirken. Das braucht aktive Außenpolitik, die Bündnisse und Programme schmiedet und vor allem ein Gegengewicht aufbaut zur destruktiven Arbeit eines Donald Trump, der sämtliche stabilisierenden Verträge infrage stellt, weil er glaubt, Amerika würde profitieren, wenn es überall nur noch seine Interessen durchsetzt.

Das wird nicht gelingen.

Und das vor dem Hintergrund, dass sich Leipzig mit der Unterbringung der Menschen, die Asylstatus bekommen, in aller Stille schwertut. Über 50 Prozent leben inzwischen über 24 Monate in Gemeinschaftsunterkünften. Was daran liegt, dass auch für die Asylunterbringung die verfügbaren und bezahlbaren Wohnungen Mangelware geworden sind. Hier fällt Leipzig auch die eigene Wohnungspolitik auf die Füße.

Art der Unterbringung der Flüchtlinge mit Leistungsanspruch. Grafik: Stadt Leipzig
Art der Unterbringung der Flüchtlinge mit Leistungsanspruch. Grafik: Stadt Leipzig

Und dabei wurden 2017 nur 919 Asylberechtigte zugewiesen, 2018 dann 887. Was kein Vergleich ist zu den 4.230 im Jahr 2015. 2019 werden es wohl um die 700. Aber jetzt fehlen die Wohnungen.

Und der Bericht, den das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule vorgelegt hat und der zur Ratsversammlung am 22. Januar Thema wird, zeigt ja auch, wie schwer selbst die nächsten Schritte sind. Denn die Zahl der Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sinkt zwar kontinuierlich – von 2.997 im Oktober 2018 auf 2.802 im September 2019.

Aber sie wechseln großenteils dann in die Obhut des Jobcenters, wo sie dann oft erst wieder in Sprach- und Umschulungskursen landen. Der Weg in den hiesigen Arbeitsmarkt dauert ziemlich lang. Entsprechend stiegen die Zahlen von Geflüchteten in ALG II von 9.789 im Oktober 2018 auf 9.992 im Juni 2019.

Alle Zahlen im Bericht sind vorläufig, betont das Sozialdezernat. Aber die Zahlen zeigen trotzdem, wie schwer sich auch Leipzig mit der Integration tut.

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