Am Sonntag, 2. Februar, wählt Leipzig nach sieben Jahren wieder einmal den Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin. Seit dem 3. Dezember ist klar, wer alles auf dem Wahlzettel stehen wird. Der Gemeindewahlausschuss hat in seiner Sitzung am 3. Dezember unter Vorsitz von Dr. Andrea Schultz die eingereichten Wahlvorschläge für die Oberbürgermeisterwahl am 2. Februar 2020 geprüft und die Zulassung von acht Bewerberinnen und Bewerbern beschlossen.

Vier weitere Bewerberinnen und Bewerber konnten nicht zugelassen werden, da sie nicht die erforderliche Zahl an Unterstützungsunterschriften erreichten, teilte Andrea Schultz noch mit. Gleichzeitig einigten sich die Parteien darauf, den Wahlkampf noch nicht in der Weihnachtszeit zu beginnen, sondern erst am 2. Januar damit zu starten.

Und wenn am 2. Februar keine Kandidatin/kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommt, geht es in die zweite Runde am 1. März.

Was eigentlich ziemlich sicher ist. Auch 2006 und 2013 gab es jeweils einen zweiten Wahlgang, zu dem übrigens alle Kandidat/-innen noch einmal antreten dürfen. Im zweiten Wahlgang genügt dann die einfache Mehrheit. So wie 2013, als Burkhard Jung (SPD) mit 45 Prozent der Stimmen vor dem CDU-Kandidaten Horst Wawrzynski mit 28,7 Prozent gewann.

Diesmal deutet alles darauf hin, dass es nach dem ersten Wahlgang unter mehreren Kandidat/-innen deutlich knapper zugehen wird. Burkhard Jung, den die SPD wieder nominiert hat, kann zwar möglicherweise von seinem nun 14-jährigen Amtsbonus profitieren. Aber die letzten Kommunalwahlen haben auch gezeigt, dass sich das Parteiengefüge deutlich verschoben hat.

Bei der Stadtratswahl im Mai waren es die Linkspartei mit 21,4 und die Grünen mit 20,7 Prozent, die die meisten Stimmen bekamen. Deutlich dahinter erst kamen die CDU mit 17,5 Prozent und die AfD mit 14,9 Prozent. Die SPD erreichte nur 12,5 Prozent der Stimmen.

Natürlich kann man die Ergebnisse der Stadtratswahl nicht 1:1 auf eine Oberbürgermeister/-innenwahl übertragen. Aber die Veränderungen in der Parteipräferenz der Leipziger sorgen natürlich dafür, dass sich auch die Kandidat/-innen jener Parteien, die vorher kaum Chancen in einem Personenwahlkampf gehabt hätten, profilieren konnten und den Wählerinnen und Wählern tatsächlich Alternativen anbieten für eine anders gewichtete Stadtpolitik.

Denn im sächsischen Wahlrecht hat eine Oberbürgermeisterin/ein Oberbürgermeister eine sehr starke Position. Sie oder er geben die Leitlinien der Stadtpolitik vor. Was Burkhard Jung ja bekanntlich mit seinen mehrjährig angelegten „Arbeitsprogrammen“ auch greifbar auf Papier drucken ließ. So mit dem 2013 entstandenen „Arbeitsprogramm 2020“ und dem 2019 vorgestellten „Arbeitsprogramm 2023“.

Solche Papiere haben den Vorteil: Man kann am Ende noch mal nachschauen, ob die Vorhaben auch alle verwirklicht wurden. Oder ob sie in zähen Verwaltungsprozessen hängengeblieben sind. So wie dieser Punkt zum ÖPNV: „Hier steht für Leipzig eine Evaluation des Nahverkehrsplanes und des sich darauf beziehenden Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages an, die insbesondere auch Effekte der Inbetriebnahme des City-Tunnels berücksichtigen wird.“

Der hier 2013 angesprochene Nahverkehrsplan wurde mit Ach und Krach statt 2016 erst im Dezember 2019 beschlossen und genügte unübersehbar nicht dem, was Leipzig künftig als wirklich belastbaren Nahverkehr braucht.

Die Arbeitsprogramme machen also auch sichtbar, wie schnell zwischen Wunsch und Wirklichkeit riesige Lücken klaffen. Bedingt auch durch eine Finanzierungslage, an die man sich in Leipzig augenscheinlich gewöhnt hat, obwohl sie alles andere als normal ist.

Im „Arbeitsprogramm 2020“ hieß es zum Beispiel: „Leipzig hat trotz Schuldenabbaus über 670 Millionen Euro Schulden bei einem unverändert hohen Investitionsbedarf. Mit dem Einwohnerwachstum kommen zusätzliche Aufgaben und Kosten auf die Stadt zu, obwohl die finanziellen Zuweisungen durch das Auslaufen des Solidarpaktes bis 2019 zurückgehen. Gelingt keine signifikante Einnahmesteigerung klafft 2020 ein Loch von 200 Millionen Euro im Haushalt.

Im Sinne der Generationengerechtigkeit müssen wir Wirtschaftskraft und Ausgaben für öffentliche Leistungen in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei gilt es, bei gleichzeitig erforderlichem Schuldenabbau eine hohe Investitionsquote zu halten. Wir wollen einerseits durch gezielte Wirtschaftspolitik mehr Einnahmen generieren und andererseits durch klare Prioritäten und definierte Standards Kosten senken. Daneben wollen wir auch neue Wege gehen, um privates Engagement zu nutzen.“

Das 200-Millionen-Loch wurde zum Teil gefüllt. Die Gewerbesteuereinnahmen stiegen von knapp 200 Millionen Euro (2012) auf rund 340 Millionen Euro (2018), die Einkommenssteuereinnahmen von 101 Millionen Euro (2012) auf rund 150 Millionen Euro. Dafür tauchte genau in diesen Jahren ein Problem auf, das andere Kommunen als Luxusproblem bezeichnet hätten: Leipzig konnte die für Investitionen geplanten Gelder gar nicht ausgeben. Der Berg der Ausgabereste – also der schon vom Stadtrat bewilligten Gelder für ganz konkrete Investitionen – wuchs binnen weniger Jahre von 100 Millionen auf 200 Millionen Euro und erreicht zum Jahresende 2019 wahrscheinlich die Höhe von 340 Millionen Euro.

Und zu den Gründen, dass es so weit kam, gehört auch die Leipziger Personalpolitik. Denn die erste Amtszeit von Burkhard Jung war von rigiden Sparmaßnahmen bestimmt. Im oben zitierten Abschnitt erwähnt er einen Schuldenstand von 670 Millionen Euro für 2013. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit waren es noch 900 Millionen gewesen. Aktuell sind es noch rund 500 Millionen Euro.

Aber der Sparkurs hat Ressourcen gekostet. Sämtliche Dezernate haben geblutet und über Jahre nicht das nötige Fachpersonal einstellen können. Im Planungsdezernat wurde das Drama regelrecht greifbar und der Stadtrat selbst musste Druck machen, damit endlich wieder genug Planer eingestellt wurden, die all die Großprojekte von Schulen, Museen, Verwaltungsgebäuden, Straßen und Brücken bis hin zu den elementaren Bebauungsplänen überhaupt umsetzungsfähig machen können.

Dass die Leipziger Personal-Misere sich dann um die Personalmisere im sächsischen Verwaltungsapparat potenzierte, ist eine weitere Komponente im Drama.

Für Leipzig bedeutete es aber, dass viele wichtige Großprojekte um Jahre vertagt werden mussten.

Ob Burkhard Jung da wirklich die richtigen Weichen gestellt hat, wird ganz bestimmt in etlichen Wahlforen im Januar zum Thema werden. Und seine Herausforderinnen und Herausforderer werden ihre Konzepte vorstellen können, wie sie es anders machen würden.

Erstaunlicherweise haben die meisten Kandidat/-innen eine Website zur OBM-Kandidatur. Aber Burkhard Jung findet man nur mit seinem Facebook-Auftritt. Auch Marcus Viefeld, der FDP-Kandidat, hat noch keine bei Google zu findende Wahl-Website. Wobei man bei Leipzigs FDP sowieso staunt, denn sie hat ausgerechnet ihren umtriebigsten und bekanntesten Kandidaten – den vormaligen sächsischen Wirtschaftsminister Sven Morlok – nicht aufgestellt.

Wir haben die Kandidat/-innen einfach mal mit ihren Websites verlinkt. Für alle, die zumindest schon einmal wissen wollen, wer auf ihrem Wahlzettel stehen wird.

Burkhard Jung (SPD)

Franziska Riekewald (DIE LINKE)

Katharina Krefft (GRÜNE)

Sebastian Gemkow (CDU)

Christoph Neumann (AfD)

Marcus Viefeld (FDP)

Katharina Subat (Die PARTEI)

Ute Elisabeth Gabelmann (PIRATEN)

Kenia-Kabinett in Sachsen: Welche Rolle spielt die Dresdner Postenbesetzung jetzt im Leipziger OBM-Wahlkampf?

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