Noch ist die neue Grundsteuer vom Bundestag nicht beschlossen. Und selbst wenn sie beschlossen wird, bleibt es trotzdem noch jedem Bundesland überlassen, eine eigene Regelung zu finden. Und schon jetzt ist klar, dass Bayern das erste sein wird, das es eben nicht so macht, wie von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ausgedacht. Deswegen klang es sehr voreilig, als die LVZ mit Berufung auf die Leipziger Stadtverwaltung verkündete, die Grundsteuerhebesätze würden auch nach der Grundsteuerreform so bleiben wie gehabt. Die SPD im Stadtrat rebelliert schon jetzt.
Laut LVZ beabsichtigt die Leipziger Stadtverwaltung in Sachen Grundsteuer keine Anpassung der Berechnungsgrundlage vorzunehmen, wenn die Grundsteuerreform beschlossen ist. Das kann gut sein. Denn mit den hohen Grundsteuerhebesätzen sichert sich die Stadt zusätzliche Einnahmen von rund 20 Millionen Euro im Jahr. 20 Millionen Euro, die erst jene kleinen Spielräume ergeben, mit denen Leipzig sich überhaupt wieder nennenswerte Investitionsspielräume verschafft hat. Insgesamt spülte die Grundsteuer 2018 fast 100 Millionen Euro in den Leipziger Haushalt, genauer: 97,5 Millionen.
Nur ist die Grundsteuer natürlich ein Politikum, denn sie belastet Grundstückseigentümer und auch Mieter.
Eine Erhebung des Eigentümerverbands „Haus und Grund“, auf die sich die LVZ bezog, wäre aber nicht hieb- und stichfest, erklärt SPD-Finanzpolitiker Christian Schulze. Denn noch sei nicht bekannt, wie das Gesetz Bundestag und Bundesrat verlassen wird. Dennoch bietet die Aussage der Stadtverwaltung für ihn Grund zur Kritik:
„Wir halten eine Anpassung der kommunalen Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer für zwingend geboten, wenn die Reform in Bundestag und Bundesrat grünes Licht bekommen hat. Es ist nicht Sinn und Zweck der Reform, die Leipzigerinnen und Leipziger im Anschluss daran stärker zur Kasse zu bitten“, sagt SPD-Stadtrat Christian Schulze.
Denn Leipzig hat seit acht Jahren besonders hohe Grundsteuerhebesätze. Die Stadt Leipzig hat im Zuge der Haushaltskonsolidierung im Jahr 2011 ihren Hebesatz auf 650 Prozent angehoben und liegt damit aktuell sehr deutlich über dem sächsischen Durchschnitt, der bei rund 420 Prozent liegt. Und das funktioniert auch nur, weil Leipzig als attraktiver Wohn- und Investitionsstandort trotzdem Investoren und neue Mieter anzieht. Gleichzeitig war das Mietniveau bislang so niedrig, dass die Umlage im Rahmen der Betriebskosten bislang eher kaum zum Mietkostenanstieg beitrug.
Bislang ist die Grundsteuerreform allerdings im Bundestag und im Bundesrat noch nicht bestätigt worden. Aber in den Vorschlägen von Olaf Scholz stecken einige Tücken.
„Wir finden es wichtig, dass die Stadtverwaltung hier nicht mauert, sondern, wie ein Großteil der Kommunen, Änderungen beim Hebesatz in Betracht zieht. Wir lehnen es ab, wenn die Bürgerinnen und Bürger nach der Grundsteuerreform über Gebühr belastet werden, weil man die Berechnungsgrundlage nicht anpassen möchte“, sagt Schulze. „Auch wenn die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen von Kommunen ist, dürfen die Menschen deshalb nicht überstrapaziert werden. Wir fordern, dass die kommunale Berechnungsgrundlage so angepasst wird, dass die neue Grundsteuer für die Stadt aufkommensneutral ist und im Umkehrschluss für die Leipzigerinnen und Leipziger nicht teurer wird.“
Denn das, was Scholz vorgeschlagen hat, könnte gerade in den inneren Stadtbereichen für recht ungemütliche Grundsteuererhöhungen sorgen.
Zur Erinnerung – hier einmal aus dem „Spiegel“ vom 17. Juni 2019 zitiert: „Notwendig wurde die Reform, weil das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr die Ermittlung der Einheitswerte für Gebäude und Grundstücke, auf deren Grundlage die Steuer bislang ermittelt wird, verwarf. Im Westen galten Ansätze aus den Sechzigerjahren, im Osten sogar aus den Dreißigerjahren. Sie mussten aktualisiert werden.“
Es ging also um die geradezu archaischen Wertermittlungen. Etlichen Bundesländern und Kommunen war die jetzt auftauchende Herausforderung, aktuellere Werte für jedes einzelne Grundstück zu ermitteln, zu aufwendig. Dem Bundesfinanzminister prasselten also lauter Forderungen auf den Tisch, die Länder und Kommunen mit einem Gesetzentwurf bitteschön vor so einem Arbeitsaufwand zu verschonen.
Aber das Ergebnis liest sich dann laut „Spiegel“ so: „Den Plänen von Scholz zufolge sollen bei der Berechnung der wichtigen Steuer grundsätzlich der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete eine Rolle spielen. Die Bundesländer dürfen aber von dieser Regelung abweichen und eigene Berechnungsmodelle einführen. Bayern zum Beispiel will allein die Größe des Grundstücks zugrunde legen. Für die Neuregelung soll das Grundgesetz an zwei Stellen geändert werden.“
Aber der „Wert des Bodens“ ist selbst wieder eine ziemlich variable Größe. In Leipzig setzt sich jedes Jahr der Grundstückverkehrsausschuss zusammen und versucht aus allen Kaufverträgen des vergangenen Jahres einen neuen aktuellen Bodenrichtwert für jedes einzelne Stück Stadtgebiet zu ermitteln. Das heißt: Die Bodenrichtwerte spiegeln auch in nicht unerheblichem Maße die wilden Zuckungen eines Immobilienmarktes wider, der jetzt schon in vielen deutschen Großstädten „heißläuft“, wie es so schön heißt. Manche Preise haben nichts mehr mit der lokalen Kaufkraft oder der Leistungsfähigkeit der lokalen Wirtschaft und der Mieter zu tun.
Die Menschen, die in Gegenden mit höheren Bodenrichtwertzahlen leben, profitieren zwar irgendwie von der Attraktivität ihrer Wohnlage. Aber wenn sich das zum Teil obskure Niveau der Bodenrichtwerte dann auch noch auf die Grundstückssteuer auswirkt, werden solche innerstädtischen Lagen für immer mehr Niedrig- und Normalverdiener nicht mehr erschwinglich sein. Wenn dann auch noch die Mieten ringsum deutlich über dem Stadtdurchschnitt liegen, zahlen auch die Mieter in Wohnungen mit geringeren Mieten über die Nebenkosten drauf, also quasi eine „Ortsgebühr“ dafür, dass sie in einem teuren Viertel wohnen.
Der „Spiegel“ attestiert Scholz zwar bei diesem komplizierten Vorschlag einen sozialdemokratischen Denkansatz: „Das lag daran, dass Scholz die Gelegenheit nutzen wollte, um ein Exempel praktizierter sozialdemokratischer Steuergerechtigkeit zu statuieren.“
Aber sozialdemokratisch ist an dem Vorschlag eigentlich nichts. Er steckt zutiefst im radikalen Marktdenken, ganz nach dem Motto: Leute, die in teuren Gegenden wohnen können, können sich auch höhere Grundsteuern leisten. Was in Städten wie Leipzig so völlig dem Versuch widerspricht, die Verdrängung von Niedrig- und Normalverdienern aus attraktiven Innenstadtquartieren möglichst zu verhindern.
Und ob Leipzig dann, sollte der Vorschlag von Scholz so beschlossen werden, bei den 650 Prozent Hebesatz bleibt, entscheidet eh der Leipziger Stadtrat, der auch 2011 der deutlichen Erhöhung zustimmen musste. Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) wäre also gut beraten, sich frühzeitig mit dem Finanzausschuss des Stadtrats zu beraten und neue Hebesätze vorzuschlagen, wenn die Scholz-Lösung kommt und für die Leipziger zu einer spürbaren Mehrbelastung zu werden droht.
Update, 8. August: Die Stellungnahme des Dezernats Finanzen zum Thema Grundsteuer
Keine zusätzlichen Belastungen für die Leipziger
Die Bundesregierung hat mit dem Gesetzesentwurf die Reform zur Grundsteuer auf den Weg gebracht. Dazu erklärt Finanzbürgermeister Torsten Bonew: „Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Stadt Leipzig und kommt den Bürgerinnen und Bürgern zugute. Mit den Grundsteuereinnahmen wird die kommunale Infrastruktur, unter anderem Kitas, Schulen und Straßen, finanziert. Eine Mehrbelastung für die Leipziger Stadtbewohner möchte ich im Zuge der Grundsteuerreform vermeiden und dabei die Eigentümer sowie die Mieter von höheren Zahlungen verschonen.“
Die Neuregelung soll außerdem zu keiner versteckten Steuererhöhung führen. Das neue Grundsteuergesetz muss weiterhin die Finanzkraft der Stadt sichern. Die sich aus der Novellierung des Gesetzes ergebenden Änderungen des Grundsteueraufkommens können durch Anpassung der kommunalen Hebesätze ausgeglichen werden. Ziel ist es, dass dabei keine weiteren Sonderbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger entstehen.
Eine abschließende Bewertung der Auswirkungen der Grundsteuerreform ist erst nach Vorlage des tatsächlichen Gesetzesentwurfs und der darauf basierenden Wertermittlungen möglich. Derzeit liegt der Entwurf zur Beratung im Bundestag. Anschließend muss der Bundesrat den Gesetzen zustimmen.
Wird das Grundsteuergesetz nicht bis Ende dieses Jahres verabschiedet, fehlt ab dem 1. Januar 2020 die Rechtsgrundlage für eine Abgabe der Grundsteuer. Ein Wegfall dieser Steuer würde gravierende Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt haben.
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Das eigentliche Problem ist die Umlagefähigkeit dieser Steuer. Damit trägt nicht der Eigentümer die Kosten, obwohl er sämtliche Vorteile seines Eigentums geniesst.