Seit Leipzig ein Jugendparlament hat, bekommen auch Verwaltung und Ratsfraktionen mit, wie das eigentlich nach außen wirkt, wenn wichtige Entscheidungen immer Jahre dauern vom ersten Antrag bis zum Stadtratsbeschluss und dann – nach weiteren Jahren – erst die Umsetzung. Das wirkt, als würde ein ganzes Leben davonfliegen, bis endlich Dinge getan werden. Jedenfalls aus Sicht der jungen Leute. Stichwort diesmal: die Fassadenbegrünung.
Eigentlich ein ganz zentraler Bestandteil des Klimaprogramms, gleich neben dem Straßenbaumprogramm und der Dachbegrünung. Je mehr Grünpflanzen in den Straßen und Häusergevierten wachsen, umso besser werden Hitze und Schadstoffe absorbiert. Bislang erfolgt das Ganze eher freiwillig. Die interessierten Hausbesitzer wenden sich an den Ökolöwen, der ihnen dann hilft, das richtige Fassadengewächs für ihr Haus zu finden.
Der Ökolöwe sitzt im Haus der Demokratie. Deswegen ranken sich dort schon seit Jahren grüne Pflanzen an der Südwand empor, jener Hauswand, die natürlich die ganze Mittagssonne abbekommt. Aber das geht zu langsam, fanden die Jugendparlamentarier im März. Und sie vermissten die Stadt selbst als Gebäudeeigentümer, der mit gutem Beispiel vorangeht.
„Die Begrünung von Dächern als Ziel der Stadt Leipzig zu machen, findet sich bereits in den verabschiedeten Vorlagen der Stadt. Das Jugendparlament möchte an dieser Stelle eine Ergänzung vornehmen. Die Stadtverwaltung soll zur Auflage erhalten, die bestehenden Liegenschaften der Stadt Leipzig darauf zu prüfen, ob deren Fassaden komplett oder nur in Teilbereichen begrünt werden können“, begründeten die Mitglieder des Jugendparlaments ihren Antrag.
„Begrünte Fassaden sind für das Stadtklima, die Artenvielfalt innerhalb der Stadt und das Klima innerhalb des Gebäudes, an dessen Fassade die Begrünung gepflanzt/angebracht wurde, positiv, da sie im Sommer Wärme abhalten und einen kühlenden Effekt haben. Insekten geben sie einen Rückzugsort, damit werden Vögel angelockt. Darüber hinaus verschönern sie das Stadtbild. Es wird daher beantragt, Maßnahmen zu ergreifen diese vorteilhaften Auswirkungen für die Stadt Leipzig nutzbar zu machen. Fassadenbegrünung kann relativ günstig umgesetzt werden. Um auf einem minimalen Niveau den Anforderungen des Antrags gerecht zu werden, genügt es, Löcher an Fassaden zu graben, darin Kletterpflanzen einzusetzen und evtl. Wuchshilfen in Form von Drähten oder sonstigen Gestellen anzubringen. Aus Sicht des Jugendparlaments erreicht die Stadt Leipzig damit auf günstigem Wege die positiven Wirkungen von begrünten Fassaden. Es sollte daher keine materiellen Hinderungsgründe geben, lediglich politische.“
Doch die konkreten Antragspunkte gingen der Verwaltung dann doch ein bisschen zu weit.
„Die Stadtverwaltung wird damit beauftragt, bis zum 1.Quartal 2020 zu prüfen, ob sich Liegenschaften der Stadt Leipzig für Fassadenbegrünung eignen. Sie prüft die vorhandenen Liegenschaften danach ab, ob sie im Ganzen oder Fassadenabschnittsweise begrünt werden können. Die Stadtverwaltung legt dem Stadtrat nach Abschluss ihrer Prüfung mindestens drei Standorte vor, die sich für Begrünungsarbeiten eignen sowie eine entsprechenden Beschlussvorlage“, hatte das Jugendparlament beantragt.
Mehr als drei konkrete Standorte vorschlagen und gleich beschließen? Das wollte die Stadt dann doch noch nicht: „Im Ergebnis informiert die Stadtverwaltung den Stadtrat über das Prüfungsergebnis und schlägt Maßnahmen zur Fassadenbegrünung an drei Gebäuden vor.“
Warum man sich so beschränken will, ist dann aus der Begründung nicht wirklich ersichtlich.
Man verweist auf den Luftreinhalteplan der Stadt Leipzig (2018), in dem auch die Maßnahme „B31 – Förderung der Fassadenbegrünung“ aufgeführt ist, die in der „Möglichkeit der Fassadenbegrünung eine Verbesserung insbesondere an Standorten oder in Gebieten mit geringem Grünanteil“ sieht, „um die Luftqualität und das Mikroklima zu verbessern. Daher soll die Umsetzung von Maßnahmen zur Fassadenbegrünung mit dem Schwerpunkt in diesen Gebieten erfolgen.“
Was schon wieder eine Einschränkung ist auf Gebiete ohne größere Baumanteile oder Parks. Sollte in einer aufgeheizten Stadt wie Leipzig nicht jede Gelegenheit ergriffen werden, Kühlung und Schatten zu schaffen? Der Punkt klingt schon eher wieder wie eine Ausrede, um ja kein großes Begrünungsprogramm für städtische Gebäude zu starten – man denke nur an Schulen, Kindertagesstätten und Museen, Feuerwehren und Stützpunkte von Grünflächenamt und Stadtreinigung.
Denn auch das erwähnte Projekt Aktion „Kletterfix“ unterstützt vor allem Bürgerinnen und Bürger in ihrem eigenen Wohnumfeld. „Durch die finanzielle Förderung der Aktion ,Kletterfix‘ durch die Stadt Leipzig und in enger Kooperation mit dem Ökolöwe Umweltbund Leipzig e. V. werden seit dem Jahr 2015 Maßnahmen gemeinsam umgesetzt. Die Aktion ,Kletterfix‘ zeigt darüber hinaus positive Funktionen von Fassadenbegrünungen auf, motiviert Bürgerinnen und Bürger eigene Fassadenbegrünungen durchzuführen und unterstützt diese mit der kostenlosen Bereitstellung von Kletterpflanzen.“
Bleibt immer noch die Stadt selbst mit ihren Gebäuden.
„Die Richtlinien und technischen Regeln für die Planung, Ausführung und Pflege von Wand- und Fassadenbegrünungen wurden durch die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) erarbeitet, als Fassadenbegrünungsrichtlinien (FLL 2018) zusammengefasst und bildet die Grundlage für die technische Umsetzung. Auf dieser Grundlage führt die Stadt Leipzig die Prüfung der Eignung ihrer Liegenschaften durch“, teilt die Verwaltung nun mit.
Auf dieser Grundlage sollen dann Anfang 2020 drei Gebäude zur Fassadenbegrünung vorgeschlagen werden. Obwohl es auch 30 sein könnten. Zumindest, wenn man so ungeduldig ist wie die jungen Parlamentarier, die wohl noch sehr genau erspüren, dass auch der Klimawandel nicht so zögerlich ist und Leipzig gar nicht genug tun kann, um sich auf heißere Zeiten vorzubereiten und sich zu wappnen – mit möglichst viel Grün.
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Leider arbeiten die Mühlen der Bürokratie noch immer sehr langsam. Es ist enttäuschend, dass trotz erhöhter Dringlichkeit einer Abkühlung der Stadt an Richtlinien und Vorgaben festgehalten wird. Andere Städte kühlen schon runter (Dresden/ Erfurt). Warum sind wir so träge? Sollten nicht z.B. Eigentümer von großen Gebäudenkomplexen, die viel Fläche versiegelt haben, prinzipiell dazu angehalten werden (notfalls auch mithilfe von Ratsbeschlüssen) ihre Fassaden zu begrünen? Ich denke da z.B. an das Uniklinikum (Zahnklinik am Bayerischen Platz und viele neu gebaute Klinikgebäude) das fast nur noch aus Beton und Glas besteht. Eine Dachbegrünung allein bringt nur unzureichende Linderung des über die Jahre immer größer gewordenen Hitzestaus in der Liebigstraße. Evtl. sollten auch die Umweltverbände die Unternehmen direkt ansprechen. Es gibt sicher etliche Mitarbeiter, die solche Aktionen begrüßen und sich vielleicht über Spenden direkt beteiligen würden.