WahlumfrageLEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausg. 67Im Rahmen der Umfrage der LEIPZIGER ZEITUNG bei Initiativen, Vereinen und Verbänden in Leipzig geht es um die Wünsche engagierter Bürger an den kommenden Stadtrat. Nach der Kommunalwahl am 26. Mai 2019 werden 70 neue und bekannte Stadträtinnen die Geschicke unserer Stadt für weitere fünf Jahre bestimmen.
Welche Auswirkungen hatte die Arbeit des aktuellen Stadtrates bislang auf Sie und die Tätigkeiten des Tüpfelhausen – Das Familienportal e. V.?
Zum Verständnis der Frage ist es wichtig, denjenigen, die uns vielleicht noch nicht kennen, zu erläutern, wer wir sind und was wir jeden Tag mit viel Herzblut tun. Tüpfelhausen – Das Familienportal e. V. ist ein gemeinnütziger und staatlich anerkannter Träger der Freien Jugendhilfe. Der Verein arbeitet hauptsächlich auf drei Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe: Der Familienbildung gemäß § 16 SGB VIII mit dem (interkulturellen) Familienzentrum Tüpfelhausen.
Der informellen Kinder- und Jugendbildung gemäß § 11 SGB VIII mit dem Bildungszentrum G.E.O.R.G. – Kein Kind zurücklassen. Und der (internationalen und interkulturellen) demokratiefördernden Jugendarbeit gemäß § 11 SGB VIII mit Jugendaustauschen, Jugendbegegnungen und dem mehrfach bundesweit ausgezeichneten „Internationalen, interkulturellen Fußballbegegnungsfest“.
„Niemand ist weiter von der Wahrheit entfernt als derjenige, der alle Antworten weiß“, sagte eins der chinesische Philosoph Zhuāngzǐ. Genau daher verbleiben wir bei der Fragestellung auch bei den Bereichen, in denen wir uns gut auskennen, der Kinder- und Jugendarbeit wie der Familienbildung.
In den letzten Jahren hat sich unser Träger zu einem wichtigen Akteur in den angesprochenen Arbeitsfeldern entwickelt. Insbesondere die Unterstützung des Jugendhilfeausschuss der Stadt Leipzig mit der Aufnahme in die Förderung im Jahr 2015 trug dazu bei, dass unser niederschwelliges Familienzentrum Tüpfelhausen aus dem Sozialraum des Leipziger Westens nicht mehr wegzudenken ist. Daher hatte die Arbeit des Stadtrates einen unmittelbar positiven Einfluss auf uns.
Was sind aus Ihrer Sicht die drei dringendsten Probleme, die der Stadtrat nach der Wahl angehen sollte?
Wir sehen die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Leipzig und unserem Träger allgemein als gut bis sehr gut an, gerade mit den Tätigen vor Ort wie den Planungsraumakteuren. Gleichzeitig ist es wichtig, den Status quo immer weiterzuentwickeln und ebenso allgemein den Bedarfen einer wachsenden und jünger werdenden Stadt Leipzig in der Breite wie auch in der Tiefe gerecht zu werden.
Dies bedeutet, den Ausbau der städtischen Förderung im Bereich der präventiven Kinder- und Jugendarbeit und das Verhindern der Schließung von Einrichtungen, sofern sie den (nachvollziehbaren) qualitativen Anforderungen nachkommen.
Wir müssen gerade die Einrichtungen fördern, die „Probleme“ gar nicht erst entstehen lassen. Die Arbeit muss sprichwörtlich ansetzen, bevor das „Kind in den Brunnen“ fällt. Insbesondere daher müssen die Familienarbeit, die schulische Jugendarbeit und die internationale Jugendarbeit aus ihrem Nischendasein entrückt werden. Alle drei Arbeitsbereiche verhindern in weiten Teilen die kostenintensive „Nachbehandlung“. Man kann es durchaus mit der medizinischen Vorbeugung des Impfens vergleichen. Wir bieten Lösungen an, bevor Probleme überhaupt entstehen.
Denn die Familienarbeit leistet einen immens wichtigen präventiven Beitrag zur Kinder- und Jugendarbeit und bindet vor allem die besonders wichtige Zielgruppe Erziehungs- wie Sorgeberechtigten nachhaltig in die Arbeit ein. Wir müssen, wie oben schon beschrieben, weg vom Sparwillen im präventivem Bereich, der dann im Nachhinein das zigfache an Kosten für die Stadt Leipzig verursacht.
Und die schulische Jugendarbeit beugt dem in Leipzig überproportionalen Schulabbruch vor und qualifiziert Jugendliche ebenso zu (höheren) Schulabschlüssen, unabhängig des sozialen Standes und der Herkunft. Mit unserem Zentrum für informelle Kinder- und Jugendbildung G.E.O.R.G. – Kein Kind zurücklassen nehmen wir in Leipzig hierbei eine Vorreiterrolle ein.
Wichtig ist eben: Leipzig ist plural und muss plural bleiben. Diese Vielfalt bedarf gleichzeitig des Kennenlernens und des Austauschs. Internationale und interkulturelle Jugendprogramme bieten sich hierfür an. Zugleich erleben wir allgemein in Deutschland einen wachsenden Antisemitismus, der sich oftmals in vermeintlicher „Israelkritik“ versteckt. Wir dürfen hier nicht nur in der (wichtigen) Behandlung der Geschichte verweilen, sondern müssen gerade zukunftsgerichtete Jugendprogramme des Austauschs mit Israel fördern.
Überlegenswert wäre zudem die Schaffung einer Ombudsperson beim Amt für Jugend, Familie und Bildung der Stadt Leipzig für alle freien Träger der Kinder- und Jugendarbeit. Gerade aus der Selbsterfahrung, wir standen trotz des Vorliegens eines gültigen Förderbescheides für einen längeren Zeitraum nur mit einem knappen Drittel der bewilligten Mittel da, wissen wir, wie wichtig ein Ansprechpartner mit Befugnissen ist, der bei Problemen weiterhelfen und bei der Amtsleitung bzw. bei den zuständigen Sachstellen intervenieren kann.
Als ein weiteres Problem sehen wir, dass die Planungsräume des Amtes für Jugend, Familie und Bildung bislang nicht den Grenzen der Stadtbezirke entsprechen und so zu groß sind. Vereine wie wir sollten stadtbezirksbezogen arbeiten können, um zum einen noch mehr auf die sozialräumliche Lage eingehen und zum anderen auch im Hinblick auf die Ressourcen die Bedarfe abdecken zu können. Eine Einrichtung jeder Art in den jetzigen Planungsräumen deckt definitiv den weiter wachsenden Bedarf nicht ab.
Welche Entscheidungen müsste der neue Stadtrat treffen, um diese Probleme lösen zu können?
Manchmal ist die Lösung von Problemen einfach. Nachhaltige Lösungsansätze müssen dafür ohne große langjährige Kommissionen umgesetzt werden und auch dementsprechend finanziell untersetzt werden. Die Wege haben wir ja bereits in den Problembeschreibungen genannt.
Heute können wir die Stadt von morgen bauen, eine weltoffene, pluralistische, soziale und innovationsfreundliche Stadt im besten Sinne der Worte. Leipzig und dessen Menschen sind dies mehr als wert.
Die Überlegungen und Forderungen finden sich zunehmend unter l-iz.de/tag/umfrage
Tüpfelhausen – Das Familienportal e. V. im Internet
Die LZ Nr. 67: Liebe Kinder, lernt aus meiner Geschichte! oder Warum in unserer Welt nichts so eindeutig ist, wie es gern verkauft wird
Geht der Eiertanz mit der Jugendhilfe-Förderung in Leipzig jetzt so weiter?
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