Die am heutigen 22. Mai 2019 mit groรŸer Spannung erwarteten Tagesordnungspunkte 14.25 und folgende machten anders Furore als gedacht. Statt sogenannte Erhaltungsatzungen zum Schutz von Mietern vor steigenden Mieten in immerhin zehn Leipziger Stadtteilen auf Antrag der Linksfraktion zu beraten und zu beschlieรŸen, kam es erst einmal zu einem deutlich verzรถgerten Start der Ratsversammlung. Bis etwa 16:20 Uhr kam es zu massiven Einflussnahmen auf die Stadtrรคte durch Baudezernentin Dorothee Dubrau und Oberbรผrgermeister Burkhard Jung, die Antrรคge zu verschieben. Gegen vorherige Bekundungen stimmten die Fraktionen bis auf die Linke dieser danach zu.

Bereits im Vorfeld hatte die Verwaltung signalisiert, die Erhaltungssatzungen nicht zu wollen. Sie seien zu ungenau hieรŸ eine Erklรคrung, eine weitere โ€“ unter der Hand: man habe keine Planungskapazitรคten, nicht genug Personal, um diese MaรŸnahmen umzusetzen. Und in mancher Fraktion dรผrfte auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass dieser Beschluss vor allem groรŸen Immobilienunternehmen beim Versuch mit Sanierungen gravierende Mieterhรถhungen zu rechtfertigen, tatsรคchlich ein paar Fesseln angelegt werden. Diese haben nun mehr Zeit erhalten, eventuelle Sanierungsideen vorzuziehen und so den Erhaltungssatzungen zuvorzukommen.

Denn offenbar spielt die Verwaltung hier auf Zeit, denn rechnet man die Fristen zur Neukonstituierung des Stadtrates nach dem 26. Mai ein, wird es wohl erst wieder im Oktober 2019 zu einer erneuten Beratung der Erhaltungssatzungen kommen. Und derzeit weiรŸ zudem natรผrlich niemand, wie dann die Mehrheiten liegen werden. Zwar wird kurz vor der Stadtratswahl am 26. Mai 2019 geschรคtzt, dass dann wohl mehr AfD-Stadtrรคte dabei sein werden โ€“ bis zu zehn statt jetzt vier werden teils auf Kosten der CDU vermutet โ€“ doch auch die Grรผnen dรผrften in der Wรคhlergunst steigen. Die jetzige linksliberale Mehrheit im Stadtrat kรถnnte dennoch schmaler werden.

Heute wรคre sie normalerweise gegeben gewesen und sogar die CDU hatte in zurรผckliegenden Wahlkampfveranstaltungen signalisiert, dass so steigenden Mieten in Leipzig Enhalt geboten werden kรถnnte. Ob diese sich nach dem 26. Mai daran noch erinnern wird, ist offen. In jedem Fall dรผrften in den kommenden Stunden noch Erklรคrungsversuche aus den Parteien folgen.

Im Rat stimmten sie nun heute alle Fraktionen fรผr die Absetzung, bis auf die Linksfraktion. Fรผr diese schrieb Mathias Weber als wohnungspolitischer Sprecher der Linken im Rat die aus seiner Sicht daraus entstehenden Konsequenzen an die L-IZ.de.

Paukenschlag im Stadtrat

โ€žAm 6. April 2019 waren sich noch alle einig: Im Anschluss auf die bundesweite โ€žMietenwahnsinn stoppen!โ€œ-Demo saรŸen verschiedene VertreterInnen von DIE LINKE, SPD und Grรผnen auf dem Podium und versicherten sich gegenseitig, dass die Milieuschutzsatzungsantrรคge bei der nรคchsten Stadtratssitzung ihre Zustimmung finden wird.

Bei der heutigen Stadtratssitzung wollten die Parteien Farbe bekennen und es kam ganz anders. Gegen den Antrag auf Absetzung der Milieuschutzsatzung stimmte nur die LINKE-Fraktion, alle anderen Parteien stimmten zu.

Was sollte heute beschlossen werden?

Eine Art Schutzschirm fรผr Gebiete mit Aufwertungsdruck (Aufstellungsbeschlรผsse) um รผbertriebene Modernisierungen und Entmietungen bis zum Satzungsbeschluss zu verhindern.

Nunmehr lag der Verwaltungsstandpunkt vor, der einer Ablehnung mit Sachstandsbericht gleich kam. Was als Alternativvorschlag angepriesen wird, stellt sich auf den zweiten Blick als ein Aufweichen des Stadtratsbeschlusses vom Oktober 2018 dar. Da hieรŸ es noch, dass die Satzungen spรคtestens bis zum Juni 2019 kommen sollten. Im Februar 2019 wurde die Sommerpause als Zielmarke benannt, im jetzt vorliegenden Verwaltungsstandpunkt ist es mittlerweile der Oktober 2019.

Weiterhin versprach die Stadtverwaltung im letzten Jahr die Aufstellungsbeschlรผsse. Diese Aufstellungsbeschlรผsse sind รคuรŸerst wichtig. Mit dem Ergebnis der Voruntersuchung wurden die Gebiete in Leipzig identifiziert, die unter einem Aufwertungsdruck leiden. In anderen bundesdeutschen Stรคdten ist es in der Folge รผblich, unmittelbar mit der Verรถffentlichung der Voruntersuchung, die Bevรถlkerung vor รผberzogenen Modernisierungsankรผndigung und Entmietungen durch sogenannte Aufstellungsbeschlรผsse zu schรผtzen. Im Fall von Leipzig reden wir immerhin von Gebieten mit insgesamt fast 100.000 Menschen.

Um es mal plastisch zu machen: Sie kรผndigen an, dass man demnรคchst pro Woche nur noch 2 Stรผck Butter kaufen darf.

Was wird dann passieren?

Erst die Aufstellungsbeschlรผsse ermรถglichen es, รผberzogene ModernisierungsmaรŸnahmen fรผr max. 12 Monate zurรผckzustellen. Sie sind quasi ein Schutzschild fรผr die Bevรถlkerung. Mit dem aktuell vorliegenden Verwaltungsstandpunkt will man jetzt ganz auf die Aufstellungsbeschlรผsse verzichten. Das bedeutet, steht am Horizont die Milieuschutzsatzung, dann fangen die Eigentรผmer an Modernisierungsankรผndigungen zu versenden und zu sanieren, mit den damit verbundenen Einschnitten fรผr die Mieterinnen und Mieter. Die Zeit drรคngt, die heutige Vertagung kostet Zeit und potentiell das Geld der Mieterinnen und Mieter.

Auch mit dem Antragswerk der Stadtratsfraktion DIE LINKE sind MaรŸnahmen genehmigungspflichtig wie: Ersteinbau einer Zentralheizung mit Warmwasserversorgung, Ersteinbau eines Bades, Ergรคnzung eines vorhandenen Bades mit einer zeitgemรครŸen Ausstattung, Grundausstattung mit Sanitรคr-, Wasser- und Elektroinstallationen, Antennen-, Kabelfernseh- und Gegensprechanlagen, Erneuerung bestehender Fenster gemรครŸ Energieeinsparverordnung, verpflichtende energetische Sanierungen und Dachgeschossausbau.

Die Wohngebiete, die zu Milieuschutzgebieten werden sollten, sind deckungsgleich mit den Ergebnissen der sogenannten Voruntersuchungen der Verwaltung. Ausgenommen sind explizit Grรผnanlagen, Kleingartenanlagen, selbstgenutzte Eigenheime, Schulen und Kitas. Der Schutzschirm spannt sich rein รผber Mietwohnungen!

Was bleibt?

Die Aufstellungsbeschlรผsse sind Beschlusslage gewesen und sie gehรถren mit der Voruntersuchung zusammen. Die Fraktion der LINKEN wollte nicht in die Haftung genommen werden, sie will nicht untรคtig zusehen, wenn รผberzogene ModernisierungsmaรŸnahmen und Entmietungen bei den Leuten ins Haus stehen, nur weil die Verwaltung nicht zur dringend notwendigen Tat schreitet. Rรผckenwind erhielt diese Fraktion durch das positive Votum aus sechs mit dem Antrag betrauten Stadtbezirksbeirรคten, die allesamt mit groรŸer Mehrheit zugestimmt hatten.

All diese Themen hรคtten heute im Stadtrat einer Entscheidung zugefรผhrt werden kรถnnen. Aber die Parteien, die bei Mieterschutz-Demos tรถnen, haben sich heute in die Bรผsche geschlagen. Ein klassisches Eigentor vor der Kommunalwahl am Sonntag.โ€œ

Wo soll die soziale Erhaltungssatzung wirklich gelten? Linksfraktion beantragt Aufstellungsbeschlรผsse zu den Leipziger Gebieten mit Erhaltungssatzung

Linksfraktion beantragt Aufstellungsbeschlรผsse zu den Leipziger Gebieten mit Erhaltungssatzung

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Es gibt 5 Kommentare

โ€“ Ich streite seit langem fรผr eine lebenswerte Stadt!
โ€“ MaรŸlose Enttรคuschung ist als Beschreibung meiner derzeitigen Stimmungslaget noch untertrieben.
โ€“ Ich habe plรถtzlich den Eindruck, man kann sich doch nicht wirkend einbringen.
โ€“ ihr macht euch einmal mehr unwรคhlbar!
โ€“ Menschen spielen bei den Beschlรผssen offensichtlich keine Rolle.
โ€“ ihr kรถnnt das Geld nicht fressen, das ihr aus unserem Unglรผck macht.
โ€“ ihr habt offensichtlich noch nicht erkannt, dass euer Handeln Menschen in ร„ngste und Nรถte stรผrzen wirdโ€ฆaber wahrscheinlich wisst ihr das und nehmt es billigend fรผr welchen Vorteil auch immer in Kauf.

รœbrigens, nur falls sich jemand fragt: Ich bin kein Mieter, sondern Eigentรผmer.
Man kann zur Wirksamkeit dieser Milieuschutzsatzung stehen, wie man will. Aber: Erst lang und breit ankรผndigen und dann verschieben, das ist doch die ultimative Aufforderung an alle Vermieter, die โ€œModernisierungโ€ jetzt noch schnellstmรถglich durchzuziehen. Ich stauneโ€ฆ

Nach der SPD fallen auch die Grรผnen um? Tim, Tobias, was ist los bei Euch? Kriegseinsรคtze im Ausland hin oder her, ich dachte, auf kommunaler Ebene seid ihr wรคhlbar.
Eine Anmerkung speziell fรผr Frau Dubrau- man muss den Dodo nicht mehr schรผtzen, er ist ausgestorben. (Falls sie es nicht verstehen- was wir nicht haben, ist Zeit!)

Ja, fรผr mich eine deutliche Entscheidungshilfe.

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