2018 war ein Jahr voller Überraschungen zum ÖPNV im Leipziger Stadtrat. Erstmals hatte die Stadtratsmehrheit den Mumm, die Tarifsteigerungen bei den LVB für zwei Jahre aussetzen zu lassen. Gleichzeitig wurde das Nachhaltigkeitsszenario als neues Mobilitätskonzept für Leipzig beschlossen. Stadt und LVB müssen also deutlich mehr Geld in neue Wagen, Linien und Gleise investieren. Aber wo soll das Geld dazu herkommen?, fragte sich die SPD-Fraktion.
Deswegen stellte sie im Dezember den Antrag, die Stadt solle das von ihr vor vielen Jahren gewährte Gesellschafterdarlehen an die Stadtholding LVV, deren Tochter die LVB ist, in Eigenkapital umwandeln. Denn abzusehen, dass die LVV das ihr gewährte Darlehen in absehbarer Zeit an die Stadt zurückzahlen könnte, ist überhaupt nicht. Was jetzt die Stellungnahme des OBM zum Antrag der SPD-Fraktion bestätigt.
Darin wird die ganze Geschichte noch einmal kurz erzählt:
„Die Stadt Leipzig gründete im Jahr 1997 die LVV als Holding der kommunalen Unternehmen LVB, SWL und KWL und übertrug mit notariellem Vertrag vom 13.11.1997 Anteile an diesen Unternehmen auf die LVV (vgl. Ratsbeschluss RB-891/97 vom 11.06.1997).
Die Übertragung der Anteile an der LVB (83 %) erfolgte mittels Sacheinlage. Die Anteile an der SWL (60 %) und KWL (74,9 %) mit einem Gesamtwert von 654,6 Mio. DM wurden an die LVV verkauft. Auf einen Anteil von 100,0 Mio. DM an dem Gesamtkaufpreis verzichtete die Stadt Leipzig; dieser wurde der Kapitalrücklage der LVV als Eigenkapital zugeführt. Der Restkaufpreis in Höhe von 554,6 Mio. DM wurde in ein Gesellschafterdarlehen zugunsten der Stadt Leipzig umgewandelt. Die Gründungsausstattung der LVV mit werthaltigen Unternehmensanteilen durch die Stadt Leipzig erfolgte mithin zu 15 % als Eigenkapital und zu 85 % als Fremdkapital.
Das Darlehen ist jährlich zu 6,0 % fest verzinst. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen.“
Aber nur ein Bruchteil der Summe wurde bislang an die Stadt zurückgezahlt:
„Von 1997 bis einschließlich 2008 leistete die LVV an die Stadt Leipzig Tilgungen auf das Gesellschafterdarlehen von insgesamt 45,7 Mio. EUR. Dies entspricht 16 % des Gesamtdarlehens. Die Restschuld beläuft sich seither unverändert auf 237.846.477,31 EUR bzw. 84 % des Gesamtdarlehens.“
2009 wurde es dann noch einmal turbulent, als das Stadtunternehmen durch die Machenschaften eines ehemaligen Wasserwerke-Geschäftsführers in Gefahr geriet, einer Schweizer Großbank noch eine deftige dreistellige Millionensumme auszahlen zu müssen für dubiose Vereinbarungen, die der Geschäftsführer niemals hätte abschließen dürfen. Folge war ja bekanntlich der aufsehenerregende Prozess in London, aus dem die LVV bzw. deren Tochter KWL am Ende als Sieger hervorgingen. Die drohende Riesenzahlung konnte verhindert werden.
Aus dem Gesellschafterdarlehen aber war 2009 aus diesem Grund eine unbefristete Rangrücktritts- und Kapitalbelassungsvereinbarung gemacht worden, die der LVV den nötigen Spielraum bei den Banken verschaffte, falls es doch enger geworden wäre. Und die Tilgung wurde bis 2017 ausgesetzt.
Darüber hätte der Stadtrat sowieso irgendwann befinden müssen, denn die Notsituation ist ja durchstanden. Und in Teilen stimmt der OBM jetzt dem SPD-Antrag zu. Denn er möchte, dass die LVV doch noch eine gewisse Summe als Tilgung an die Stadt zahlt – und zwar in einem überschaubaren Zeitraum.
„Vor diesem Hintergrund schlägt die Verwaltung eine Teilwandlung des Gesellschafterdarlehens vor. Dadurch soll die Restschuld der LVV auf einen Betrag reduziert werden, für den eine realistische Rückführungsperspektive besteht“, schlägt der OBM deshalb vor. „Die planmäßige Restschuld zum 31.12.2020 nach Durchführung der beschlossenen Sondertilgungen je 5.000.000,00 EUR in 2019 und 2020 beträgt 227.846.477,31 EUR. Hiervon sollen 150.000.000,00 EUR bzw. 65,8 % in Eigenkapital gewandelt werden.“
150 Millionen bleiben nach diesem Vorschlag also im Unternehmen. Die offizielle Restschuld der LVV reduziert sich auf knapp 78 Millionen Euro bzw. 34,2 %.
„Über diesen Betrag soll nach der Evaluation der geltenden Mobilitätsstrategie (Nachhaltigkeitsszenario) und damit zusammenhängender Investitionsbedarfe bis 31.12.2023 erneut entschieden werden“, fügt die Verwaltungsvorlage noch an. Denn bis 2020 wissen die LVB wahrscheinlich noch nicht, welche Projekte sie insgesamt im Rahmen des Nachhaltigkeitsszenarios bis 2030 umsetzen wollen und müssen, das wird sich erst bis 2023 herausschälen. Und erst dann ist wahrscheinlich auch klar, ob nicht noch weitere 78 Millionen Euro nötig sind, um das ÖPNV-Netz auszubauen.
Der Stadtrat tagt: Keine LVB-Preiserhöhungen in den nächsten beiden Jahren + Video
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