Etliche Leipziger verzweifeln über den Lärm in ihrer Stadt. Vor allem, wenn es Lärm ist, der da überhaupt nicht hingehört und den die Stadt in einem durchdachten Aktionsprogramm systematisch senken könnte. Eigentlich hat Leipzig so etwas mit dem Lärmaktionsplan. Doch schon 2013, als der in Kraft trat, war klar, dass er hinten und vorne nicht genügt. Man versprach gleich mal die nächste Fortschreibung.

Aber die war auch zwei Jahre später nicht da. Da vermisste der Stadtrat dann auch gleich mal die Berichterstattung: Was hat denn der beschlossene Lärmaktionsplan überhaupt gebracht? Funktioniert er überhaupt?

Aber es war Schweigen im Walde. Den Umsetzungsbericht gab es erst 2016. Eine Fortschreibung wurde weiter vertagt. Da hatte sich die Verwaltung 2013 zu weit vorgewagt mit ihrem Versprechen.

Im Oktober 2018 wurden die Grünen wieder ungeduldig. Wo blieb er denn, der neue Lärmaktionsplan? Denn jetzt war die Fortschreibung eigentlich turnusmäßig fällig.

„Im geltenden Lärmaktionsplan der Stadt Leipzig, der 2013 vorgelegt wurde, wurde bereits für 2013 (!) eine Fortschreibung angekündigt. Mittlerweile haben wir das Jahr 2018, es liegt keine Fortschreibung des Lärmaktionsplanes (LAP) vor. Die zur Erarbeitung des LAP zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel im entsprechenden Produkt mussten mittels eines Änderungsantrages durch den Stadtrat für 2015/16 angehoben werden“, schrieben sie damals in ihrer Nachfrage.

„Der Umsetzungsbericht zum bestehenden Lärmaktionsplan wurde zwar Mitte 2015 vorgelegt und auch eine Bürgerbeteiligung als Onlinedialog Anfang 2016 durchgeführt. Seitdem scheint es im Verfahren aber keine weiteren Fortschritte zu geben. Einzelne Maßnahmen wie Tempo 30 in der Inneren Jahnallee werden schon diskutiert, aber von einem Gesamtkonzept gibt es nicht mal einen Entwurf, von der Umsetzung gar nicht erst zu reden.“

Der Druck schien zu helfen. In der Ratsversammlung am 13. März 2019 kündigte die Verwaltung dann endlich die „1. Fortschreibung des Lärmaktionsplans (Stufe 2) – Entwurf zur Öffentlichkeitsbeteiligung“ an. Aber der Punkt wurde kurzerhand wieder von der Tagesordnung genommen.

Jetzt scheint es Anfang Juni endlich loszugehen.

Der Entwurf zur ersten Fortschreibung des Lärmaktionsplans für die Stadt Leipzig wird ab Montag, 3. Juni, öffentlich ausgelegt, kündigt das Amt für Umweltschutz an. Bis zum 2. Juli kann er im Stadtbüro, Burgplatz 1, montags bis donnerstags (13 bis 18 Uhr) und freitags (13 bis 16 Uhr) eingesehen werden. Im Umweltinformationszentrum (UiZ), Prager Straße 119, gibt es die Möglichkeit dienstags und donnerstags jeweils 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr. Weitere Infos stehen auf www.leipzig.de/laermaktionsplan.de. Hinweise, Einwände oder Anregungen zum Entwurf müssen bis spätestens 10. Juli schriftlich beim Amt für Umweltschutz, Prager Straße 118-136, 04137 Leipzig, oder per E-Mail an umweltschutz@leipzig.de eingereicht werden.

„Die erste Fortschreibung des Lärmaktionsplanes wurde räumlich auf das gesamte Stadtgebiet und inhaltlich um die Bewertung des Flugverkehrslärms entsprechend der Regelungen des Fluglärmgesetzes erweitert“, erläutert Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal noch einmal das Elementare am Lärmaktionsplan. „Ziel der Lärmaktionsplanung ist die Vermeidung und Minderung von Lärm, insbesondere dort, wo die Geräuschbelastung gesundheitsschädliche Auswirkungen haben kann. Dafür werden im Lärmaktionsplan mögliche Maßnahmen zur Reduzierung der Geräuschbelastungen zusammengestellt. Er beinhaltet kurz-, mittel-, langfristige und kontinuierliche Maßnahmen zum Schutz vor Verkehrslärm.“

Aber was 2016 im Umsetzungsbericht zu lesen stand, war eher ernüchternd. Die meisten Maßnahmen der Stadt steckten in der gelben Phase (und stecken sie bis heute): Es werde geprüft, bedeutet das. Von der Antonienstraße bis zur Zweinaundorfer Straße wird geprüft. Man ist also nicht mal im Planungsmodus für irgendwas, während man den LVB, die ihre Bauprojekte langfristig planen, lauter rote Punkte verpasst hat, weil noch nicht gebaut wurde.

Was wirklich passierte, waren viele kleine Maßnahmen in der Pflastersanierung oder beim Aufstellen von Fahrradbügeln.

Besonders durchwachsen waren dann die Aussagen zum Schutz „Ruhiger Gebiete“, die in den letzten Jahren durch vermehrtes Verkehrsaufkommen auf den Hauptstraßen stärker belastet wurden. Von der Schaffung von „Ruhebereichen“, wie angekündigt, konnte damals und kann auch heute noch keine Rede sein.

Aber das größte Manko war 2013 das Fehlen von Eisenbahn- und Fluglärm im Aktionsplan, was das Umweltdezernat damals auch zugab. Gerade deshalb versprach man ja eine baldige Fortschreibung. Passiert ist das nicht.

„Die Lärmaktionsplanung ist über die Festschreibung konkreter Maßnahmen hinaus ein fachübergreifendes Planungsinstrument, womit die Belange des Lärmschutzes möglichst in alle relevanten Planungen im Infrastruktur- und Umweltbereich berücksichtigt werden sollen“, betont das Amt für Umweltschutz.

Und einen kleinen Fortschritt soll es geben: „Schwerpunkte bei der Umsetzung sind weiterhin belastete Straßenabschnitte und Bereiche, in denen die Belastung über den sogenannten Auslösewerten des ersten Lärmaktionsplans von 70 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts liegt. Im Bemühen, das Lärmschutzniveau an die allgemeine Entwicklung anzupassen und sich der Erwartung der Bürgerinnen und Bürger anzunähern, wurden die Auslösewerte für das gesamte Straßennetz Leipzigs um 3 dB(A) auf 67 dB (A) tags und 57 dB (A) nachts abgesenkt. Dadurch entsteht ein Handlungsbedarf in zusätzlichen Straßenabschnitten und Gebieten.“

Und es steht die Frage im Raum, wie das erreicht werden soll. Denn das ist dann mit einem besseren Pflaster allein nicht getan. Das wird ohne eine richtige Verkehrsberuhigung auf vielen Hauptstrecken nicht klappen. Denn, so stellt auch das zuständige Amt fest: „Gemessen an den betroffenen Einwohnern sowie den auftretenden Mittelungspegeln verursacht der Kfz-Verkehr in Leipzig die größte Lärmbelastung. Gefolgt wird er von Stadt- und Straßenbahn, Industrie und Gewerbe sowie Eisenbahn- und Flugverkehr.“

Den Lärm durch technische Alltagsgeräte (Rasenmäher, Sägearbeiten, Laubpuster, Straßenreinigung, Kühlfahrzeuge usw.) erfasst die Stadt übrigens nicht.

Und die in der (derzeit ausgeschalteten) interaktiven Karte der Stadt ausgewiesenen Lärmbelastungen hat auch niemand gemessen. Sie werden berechnet.

In der Bürgerumfrage von 2017 fühlten sich übrigens 24 Prozent der Leipziger durch Kfz-Lärm stark bis sehr stark belastet. Unter Straßenbahnlärm litten 15 Prozent, unter Baustellenlärm 11 Prozent. Die Lärmbelastung durch Flugzeuge (7 Prozent) und Eisenbahnlärm (5 Prozent) ist nur deshalb prozentual geringer, weil nur Teile des Stadtgebietes – vor allem im Nordwesten – durch diese beiden Lärmarten besonders betroffen sind. Was gerade dort den Handlungsdruck natürlich deutlich erhöht.

Und wenn 8 Prozent der Befragten angeben, durch „anderen Lärm“ stark bis sehr stark belastet zu sein, dann dürfte das ebenfalls ein Thema sein, das die Stadt anpacken muss. Und sei es nur mit klaren Vorschriften zur Lärmemission all der verwendeten Maschinen und Geräte im Stadtraum.

„Der Schutz der Gesundheit ist ein hohes Gut“, meint Heiko Rosenthal. „Deshalb ist es erforderlich, die Bereiche Lärmbelastung, Luftverschmutzung, Verkehrsplanung und Stadtentwicklung gemeinsam zu betrachten. Erstmalig wurde dafür in der Stadt Leipzig die Fortschreibung des Lärmaktionsplans und des Luftreinhalteplans in einem integrativen Ansatz zusammengeführt. Dabei wurden rund 150 Hinweise und Anregungen aus der frühzeitigen Öffentlichkeitsmitwirkung eingearbeitet.“

Gemäß Paragraf 47d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BIm-SchG), sind durch die zuständige Behörde die Lärmaktionspläne aller fünf Jahre zu aktualisieren. Der erste Lärmaktionsplan der Stadt Leipzig war am 11. Dezember 2013 dem Stadtrat zur Kenntnis gegeben worden (RBV-1914/13). Die erste Fortschreibung ist ein Zwischenziel zur ebenfalls zeitnah geplanten zweiten Fortschreibung des Lärmaktionsplans – basierend auf der Lärmkartierung 2017.

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