Wehe, dein Verein gerät auf die Beobachtungsliste des Sächsischen Verfassungsschutzes. Dann beginnen seltsame Vorgänge, über die sich nur einer nicht gewundert hätte: der begnadete Märchenerzähler E. T. A. Hoffmann. So war es auch 2018 an der Universität Leipzig, als auf einmal der Sächsische Verfassungsschutz eine sehr hoffmannesque Rolle bei den kritischen Einführungswochen spielte.

Zu den „Kritischen Einführungswochen“ im letzten Jahr an der Uni Leipzig wurde den Veranstaltern durch die Hochschulleitung zunächst die Nutzung der universitären Räumlichkeiten für ausgewählte Veranstaltungen untersagt. Damit waren z.B. Veranstaltungen zu „Faschismustheorie“, „Klimagerechtigkeit“ oder auch „Kritik des Bildungssektors“ gefährdet. Auf Druck der Studierenden konnten die Räume doch genutzt werden.

Als die Studierenden dann aber wissen wollten, womit die Untersagungen eigentlich begründet waren, wurde deutlich, dass es offenbar einen Austausch zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) und der Hochschule gibt. Was einem ja irgendwie vertraut vorkommt, wenn man im Osten groß geworden ist.

Ist es also wieder so weit?

Oder gab es einen berechtigten Verdacht, dass tatsächlich finstere Vereine die Einführungswochen nutzen wollten, um ihre dunklen Anliegen unter das Studierendenvolk zu bringen?

Dazu reichte René Jalaß, hochschulpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag, drei Kleine Anfragen ein.

Zwei Antworten bekam er jetzt von einem Innenminister, der sich bei dem Thema genauso windet und dreht, wie man das schon von seinem Vorgänger kannte.

„Der Innenminister hat versucht, auf meine Anfragen zu antworten. Sein Erfolg liegt dabei leider unterhalb des messbaren Bereichs. In der Antwort auf die Kleine Anfrage Parlaments-Drucksache 6/16778 teilt er klarstellend mit, dass er unter dem Begriff ‚Hochschule‘ die in § 1 Sächsisches Hochschulgesetz genannten Einrichtungen versteht. Ich bin beruhigt, dass ich mich mit dem Begriff ‚Hochschule‘ so konkret ausgedrückt habe, dass er nicht fälschlicherweise davon ausgehen musste, ich hätte staatliche Krankenhäuser, Milchviehbetriebe oder Bushaltestellen gemeint“, geht Jalaß mit einem wohl nur zu berechtigten ironischen Ton auf die Antwort von Innenminister Roland Wöller (CDU) ein.

„Auf die Fragen, welche Gruppierungen an Hochschulen beobachtet werden und wie viele Personen davon betroffen seien, ‚antwortet‘ er, dass ‚Hochschulen‘ (!) nicht ‚zu den Bestrebungen‘ (!) zählen, ‚die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung‘ (FDGO) gerichtet seien. Ich danke ihm für die Antwort, aber das war nicht die Frage. Vielleicht mag er es ja noch einmal probieren?“

Es stimmt schon: So eine seltsame Antwort gab es aus dem Sächsischen Innenministerium schon lange nicht mehr. Wobei die Minister in der Regel ja nur unterschreiben. Die Antworten selbst kommen direkt aus dem Behördenapparat, werden dem jeweilig verantwortlichen Minister zugearbeitet und der …

Na ja. Der unterschreibt dann. Wahrscheinlich auch ohne genauer nachzulesen. Was in diesem Fall auf jeden Fall schiefging. Da hat sich augenscheinlich jemand auch auf Kosten eines zeitgestressten Ministers so richtig einen Spaß gemacht. Vielleicht arbeitet an der Stelle ja mittlerweile ein bekannter Mitarbeiter mit Deutschlandhütchen.

Karikatur von Schwarwel zum Stand 18. August 2018. Der Ministerpräsident Kretschmer stellt sich hinter seine Polizei. Karikatur: Schwarwel.de
Karikatur von Schwarwel zum Stand 18. August 2018. Der Ministerpräsident Kretschmer stellt sich hinter seine Polizei. Karikatur: Schwarwel.de

Und was geht aus der Antwort auf die zweite Kleine Anfrage 6/16779 von René Jalaß hervor?

„Das LfV hat keinen Schimmer, wo es sich so herumtreibt. Ob und wie viele Gespräche es mit den Hochschulen gab, sei nicht ermittelbar. Allerdings wussten die Sächsische Zeitung, die Leipziger-Internetzeitung und das Leipziger Magazin ‚Kreuzer‘ bereits im Februar, dass es ein Treffen zwischen der Leipziger Uni-Rektorin Prof. Schücking, dem LfV-Präsidenten Meyer-Plath und dem damaligen Polizeipräsidenten Merbitz gab“, stellt Jalaß fest.

„Wir können nur raten, was dort besprochen wurde. Vermutlich ist es von der Tagesform des Innenministers abhängig, ob man eine zufriedenstellende Antwort bekommt, vielleicht wird das mit schönerem Wetter im Frühling etwas besser. In seinen Ausführungen erklärt Wöller zudem, dass für die Beantwortung meiner Anfrage 13 Mitarbeiter*innen nötig wären, um die Frist zu wahren. Andere Aufgaben des LfV, wie ‚die nachrichtendienstliche Bearbeitung von Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind‘, würden währenddessen nicht wahrgenommen werden können. Angesichts der ‚Erfolgsgeschichte‘ des sächsischen LfV, insbesondere beim Schutz vor rechter Gewalt und Nazi-Terrorgruppen, stellt sich die Frage, ob die intensive Beschäftigung des Amtes mit meinen Anfragen nicht vielleicht eine größere Schutzwirkung auf die FDGO entfalten würde?“

Die Wissenschaftsministerin Eva Maria Stange (SPD) antwortete Jalaß dann auch für ihn erwartungsgemäß freundlicher (Parlaments-Drucksache 6/16777), auch ein bisschen informativer. Man erfährt nämlich, warum auf einmal so eine amtliche Befürchtung im Raum stand, es könnte Unheilvolles in den Einführungswochen geschehen.

„Der Unterhaltungswert der Antwort ist gleichwohl nur wenig geringer“, stellt der Landtagsabgeordnete dazu fest. „Hier wird nun geantwortet, dass die Absage der Raumnutzung erfolgte, weil zwei Gruppen im Verfassungsschutzbericht als ‚extremistische Organisationen‘ aufgeführt sind und vom LfV beobachtet werden. Aber angeblich gäbe es keine Infos vom LfV an die Hochschulen. Im konkreten Fall hätten Verantwortliche in der Uni Leipzig von sich aus recherchiert. Das ist vor dem Hintergrund des bereits bestätigten Gesprächs zwischen Uni-Rektorin Schücking, LfV-Präsident Meyer-Plath und dem damaligen Polizeipräsidenten Merbitz umso erstaunlicher: Es hängt mal wieder nichts mit nichts zusammen! Meine Damen und Herren, willkommen in Sachsen.“

Medienbericht: Universitätsrektorin Schücking hat mit dem Verfassungsschutz gesprochen

Medienbericht: Universitätsrektorin Schücking hat mit dem Verfassungsschutz gesprochen

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Ich sags ja immer. Harte Zeiten für Satiriker, wenn in der Realität nur noch Karikaturen rumlaufen.

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