Am 7. Februar legte Leipzigs Umweltdezernat endlich den überarbeiteten Luftreinhalteplan vor. Viel zu spät, viel zu unambitioniert und auch noch mit falscher Zahlengrundlage. Schon 2018 hatte der Ökolöwe kritisiert, dass es der Verwaltung wieder nur darum zu gehen scheint, Fahrverbote in stark belasteten Straßen zu vermeiden und eben nicht die Luftqualität für alle zu verbessern.
Man könnte auch hinzufügen: Das ganze Papier ist – genauso wie der Luftreinhalteplan von 2009 – eine Augenwischerei. Man suggeriert den Leipzigern mit vielen Zahlen und Tabellen, man würde jetzt tatsächlich etwas für die Luftreinheit in der Stadt tun. Aber die wirklich wirksamen Instrumente sind in der Regel nicht konkret genug oder noch gar nicht mit Geld und Projekten untersetzt – wie die gewünschte Erhöhung der Fahrgastzahlen im ÖPNV zum Beispiel.
Seine Kritik hatte der Ökolöwe schon 2018 in einer Stellungnahme formuliert. Wirklich geändert hat sich nichts. Im Grunde war es sogar genauso wie 2009, als – auf deutliche Anregung des sächsischen Umweltministeriums – im letzten Moment noch die Einführung einer Umweltzone in den Luftreinhalteplan geschrieben wurde. Ohne dieses wirksame Instrument hätte Leipzig nicht mal eine minimale Absenkung der Luftschadstoffbelastung erreicht, denn die sonstige Vorhabenliste war entweder unwirksam, zahnlos oder – wie die versprochene Pflanzung von Straßenbäumen – jahrelang ohne das nötige Geld. Ergebnis: Zehn Jahre später redet der Stadtrat noch immer über die fehlenden Straßenbäume. Nur ein Bruchteil der 10.000 versprochenen Bäume wurde gepflanzt.
Im neuen Luftreinhalteplan spielen die sogenannten A-Maßnahmen diese Rolle, ebenfalls 2018 erst im letzten Moment noch ins Papier gerutscht, nachdem die Deutsche Umwelthilfe ihre ersten Prozesse gegen westdeutsche Städte gewonnen hatte und auf einmal selbst Leipzigs OBM bedrippelt aus der Wäsche guckte – denn jetzt öffneten Gerichte den Weg zu massiven Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge in den Städten. Und Leipzig war nicht aus dem Schneider, auch wenn es den Jahresgrenzwert bei Stickoxiden an den beiden Messstellen Lützner Straße und Mitte gerade mit Ach und Krach streifte.
Und auch im Umweltdezernat weiß man, dass es im Stadtgebiet noch weit höher belastete Straßenabschnitte gibt. Die Innere Jahnallee gehört dazu. Aber man misst dort die Luftbelastung nicht, sondern errechnet sie nur nach einem Modell, das aber – nach der jüngsten Aktualisierung des Umweltbundesamtes – nicht mehr aktuell ist. Denn das Modell rechnet mit den geschönten Erwartungen aus den Herstellerangaben zum Schadstoffausstoß ihrer Fahrzeuge. Tatsächlich aber stoßen diese Fahrzeuge zwischen 30 bis 100 Prozent mehr Schadstoffe aus. Das heißt: Die tatsächliche Stickoxidbelastung dürfte in etlichen Straßenabschnitten weit über dem Jahresgrenzwert von 40 µg/m³ liegen.
Und es ist absehbar, dass die jetzt als A-Maßnahmen festgeschriebenen Dosierungen an mehreren innerstädtischen Ampelkreuzungen das nicht werden kompensieren können.
Wobei der Ökolöwe besonders kritikwürdig findet, dass die Stadt hier schon wieder nach dem Motto handelt: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“
Denn die zugrunde liegenden Probleme werden nicht gelöst.
Denn Ursache der Luftschadstoffbelastung ist vor allem der Kfz-Verkehr. Daher will die Stadt den Kfz-Verkehr an Hotspots reduzieren, an denen die Luft besonders durch Schadstoffe belastet ist. Hierfür hat die Stadt Leipzig nun den Luftreinhalteplan aus dem Jahr 2009 überarbeitet und beschlossen.
„Es ist grob fahrlässig, dass sich die Verwaltungsspitze seit 2016 fast drei Jahre Zeit lässt, um einen Luftreinhalteplan zu beschließen. Die Stadt muss die geplanten Maßnahmen jetzt sofort umsetzen. Wir haben ein Recht auf saubere Luft, das gerade mutwillig verletzt wird“, betont Tino Supplies, verkehrspolitischer Sprecher des Ökolöwen.
Die Stadt Leipzig sei gesetzlich verpflichtet, die Einhaltung der Grenzwerte schnellstmöglich zu erreichen. Die Werte seien seit 1999 bekannt und hätten bis 2010 eingehalten werden müssen. Da dies nicht erreicht wurde, hat Leipzig von der EU sogar für fünf weitere Jahre Kulanzzeit bekommen. Doch auch nach dem Verstreichen aller Fristen wurden die Grenzwerte weiterhin überschritten.
„Es ist begrüßenswert, den Autoverkehr an den Hotspots zu dosieren. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass damit die Grenzwerte eingehalten werden, ohne dass Fahrverbote verhängt werden müssen“, vermutet Tino Supplies. „An schwer belasteten Straßen braucht es allerdings noch ergänzende Maßnahmen, wie Tempo 30 und sichere Radwege.“
Allerdings dürften mit dem Luftreinhalteplan nicht nur die absoluten Hotspots der Luftbelastung betrachtet werden. Gerade stark belastete Straßen, die die Grenzwerte nur knapp unterschreiten, müssten stärker in den Blick genommen werden. Dazu gehören beispielsweise die Käthe-Kollwitz-Straße, die Kurt-Eisner-Straße, die Breite Straße oder die Antonienstraße.
„Das Ziel sollte nicht allein das Verhindern von Fahrverboten sein. Das Ziel ist saubere Luft in Leipzig. Jetzt ist generell eine bessere ÖPNV-Taktung gefragt. Die Bremse beim Radwegebau muss schnell gelöst werden“, so Supplies. Und er spricht damit gleich die nächsten beiden Themen an, die seit zehn Jahren vertrödelt wurden.
Im Gegensatz zu den dicht bebauten Straßen im Stadtgebiet sei zumindest die Entwicklung an der Messstation-Mitte erfreulich. Dort am Innenstadtring sind die Stickoxid-Belastungen in den letzten Jahren zurückgegangen.
„Der Autoverkehr an der Messstation-Mitte und auf dem gesamten Innenstadtring ist über die Jahre nachweislich weniger geworden. Die Leipzigerinnen und Leipziger kommen in übergroßer Mehrheit mit dem ÖPNV, dem Rad oder zu Fuß in die Innenstadt. Während der Autoverkehr schrumpft, wächst der Radverkehr enorm und die Luft verbessert sich“, stellt Suplies fest. „Mit dem Bau von sicheren Radwegen am Innenstadtring kann der Trend zu sauberer Luft weiter gestärkt werden.“
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“Wir haben ein Recht auf saubere Luft, das gerade mutwillig verletzt wird“
Da nimmt sich der Ökolöwe mit der Verwaltung nichts, wenn es ums Konkrete geht. Bspw. hat der Ökolöwe in seine Stellungnahme wieder geschrieben, dass Wege in Parks und im Wald mit sandgeschlämmten Decken zu bauen sind. Das ist dann auch das Material, dass regelmäßig für Erstickungsanfälle und starken Nebel im Sommer sorgt. Warum der Ökolöwe das wieder in die Stellungnahme geschrieben hat, bleibt insbesondere deshalb fraglich, weil sandgeschlämmte Schotterdecken ökologisch und ökonomisch deutlich schlechter sind als bspw. Asphalt. Diese Erkenntnis ist auch nicht neu, sondern ist bereits 2011 durch ein Gutachten im Auftrage des Umweltministeriums in Mecklenburg Vorpommern belegt worden. https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/em/Infrastruktur/Radverkehr/Studie-zur-Versiegelungswirkung-von-Radwegen