Auch zu Silvester knatterte der Polizeihubschrauber über Leipzig oder genauer: Connewitz: eine Stunde und 52 Minuten lang, hübsch bei Tageslicht. Der Grund, den die Polizeidirektion Leipzig für diesen lärmenden Einsatz nannte: „Aufklärung/Beweissicherung/Dokumentation/Bildübertragung“. Vielleicht hätte auch „Präsenz zeigen“ oder „Eindruck schinden“ gut gepasst. „Krach machen“ und „Leute einschüchtern“ vielleicht auch. Wie man mittlerweile weiß, war in der Silvesternacht in Connewitz praktisch gar nichts los.

Irgendwelche Vorbereitungen zu Anschlägen gab’s auch nicht. Die fanden ja bekanntlich in dieser Nacht in Plagwitz statt, in der Karl-Heine-Straße auf ein Gebäude des Bundesgerichtshofs.

Vielleicht wird die Amtszeit von Polizeipräsident Bernd Merbitz einmal als Hubschrauber-Zeit in die Annalen eingehen. Mittlerweile ist der Mann ja in polizeilichem Ruhestand und bereitet sich auf eine Abgeordnetenkarriere im Sächsischen Landtag vor. Aber unter ihm ist die Zahl der präventiven Hubschraubereinsätze über Leipzig massiv angestiegen.

43 Hubschraubereinsätze im Auftrag der Polizeidirektion Leipzig listet die Antwort von Innenminister Roland Wöller (CDU) auf die Anfrage des linken Landtagsabgeordneten Enrico Stange für das zweite Halbjahr 2018 auf. Dazu kommen noch dutzende Hubschraubereinsätze des Innenministeriums, des Landeskriminalamtes und der Bereitschaftspolizei.

Nur ein Teil dieser Einsätze diente der Suche oder Fahndung nach Personen oder Sachen. Der größte Teil der oft mehrstündigen Einsätze über der Stadt diente schlicht der Beobachtung. Dass es so deutlich mehr waren als in den Vorjahren, hat auch mit den Fußballspielen in der Stadt zu tun. Meist wird der Abmarsch der Fußballanhänger aus dem RB-Stadion stundenlang beobachtet, ohne dass Vorfälle bei oder nach diesen Spielen irgendeinen Anhalt dafür geben, dass dieses präventive Luftbeobachten wirklich einen Sinn macht. (2016 wurden Fußballeinsätze übrigens noch separat aufgelistet.)

Und da die Spiele oft weit in den Abend reichten, kreisten die Hubschrauber auch oft in nächtlichen Stunden über dem Stadtgebiet. Die Zeiten, dass das teure Überwachungsinstrument Hubschrauber nur zum Einsatz kam, wenn wirklich ein unübersichtliches Demonstrationsgeschehen zu beobachten war, sind lange vorbei. Gerade der massive Einsatz der lauten Maschinen zeigt, dass das teure Fluggerät längst als präventive Maßnahme genutzt wird, um den Stadtbewohnern laut und lange zu zeigen, dass sie polizeilich beobachtet werden.

Für die Beauftragung der Hubschrauberflüge genügt augenscheinlich schon ein formloser Auftrag und die Gummi-Formel „Aufklärung/Beweissicherung/Dokumentation/Bildübertragung“. Wenn ein technisches Spielzeug verfügbar ist, wird es auch fleißig genutzt. Und das wird mit den anderen Spielzeugen, die Sachsens Innenminister so gern kaufen, genauso sein: Bodycams, Panzerwagen, Kommunikationsüberwachung …

Die Liste zeigt freilich, dass das nicht nur unter Bernd Merbitz so war. Die anderen Polizeidirektionen haben 2018 genauso gern Hubschrauber zur Luftbeobachtung geordert. Oft aus ziemlich banalen Anlässen, eher seltener zu solchen wirklich ausufernden Ereignissen wie am 24. und 25. August in Chemnitz, wo die Hubschraubereinsätze erst recht Fragen aufwerfen. Denn augenscheinlich trugen die Beobachtungsergebnisse aus der Luft so wenig zur Aufklärung bei, dass wieder erst Zeugenberichte vom Erdboden aufzeigten, welche Grenzüberschreitungen es gegeben hatte.

Die neue Leipziger Zeitung Nr. 63: Protest, Vertrauen und eine gute Frage

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